Название | Lenchens Baby |
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Автор произведения | Isolde Kakoschky |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783967525465 |
»Wir hatten ein schönes Wochenende«, antwortete nun Franziska stattdessen. »Und du siehst auch gut erholt aus.«
»Ja, bei uns war es auch sehr schön.« Anja zwinkerte Timo zu, der sie liebevoll ansah.
Der Gedanke an ein zweites Enkelkind schoss Franziska wieder durch den Kopf. »Ich hole dann mal den Kaffee«, wandte sich Franzi der Küche zu, während alle anderen am Tisch Platz nahmen. »Wir bleiben auch gar nicht lange«, fügte sie erklärend hinzu. »Michael fährt heute Abend wieder los und muss sich vorher noch etwas hinlegen.«
Es war die Krux an jedem Wochenende, es ging viel zu schnell vorbei. Sie mussten unbedingt mal wieder raus, wenn Michael Urlaub hatte, und sei es nur für ein paar Tage.
4
Man konnte nicht behaupten, dass Franziska Trübsal blies, wenn Michael unterwegs war. Sie hatte sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, in der Woche Strohwitwe zu sein. Ihr Beruf und ein großer Freundeskreis boten genügend Beschäftigung, Abwechslung und Unterhaltung. An den Abenden las sie leidenschaftlich gerne und vertrieb sich damit oft die Zeit, viel lieber als mit Fernsehen. Zudem versuchte sie, alle Hausarbeiten während der Woche zu erledigen, um an den Wochenenden Zeit für Unternehmungen zu haben. Sie liebten es, in die Sauna zu gehen oder zu schwimmen, im Sommer in einem der Seen der Umgebung, im Winter in einer Therme. Und ab und zu blieb daheim die Küche kalt, dann führte Michael seine Frau zum Essen aus.
Am nächsten Wochenende war kein Restaurantbesuch geplant, denn die Einschulungsfeiern standen an und die Gaststätten waren ohnehin gut gefüllt. Einschulung war jetzt mein Stichwort, dachte Franziska, als sie überlegte, was sie am Wochenende auf den Tisch bringen konnte und die mit allerlei Schulutensilien gefüllten Regale im Supermarkt musterte. Annika hatte doch von Lukas´ Einschulung erzählt, erinnerte sie sich. Sie kaufte eine hübsche Karte, ein Malheft, eine Packung Stifte und eine Schokoladentafel. Das alles verstaute sie in einem stabilen, großen Umschlag, legte zuletzt noch einen Geldschein hinzu und adressierte den Brief an Lukas Borkhof. Da der Umzug erst nach der Einschulung geplant war, konnte sie die Glückwünsche getrost noch zur alten Adresse schicken. Irgendwie fühlte sie sich ein wenig in der Pflicht, weil sie bei der Vertragsunterzeichnung nichts für den Jungen dabei gehabt hatte, was ihr immer noch leid tat. Und ein bisschen vermittelte ihr selbst diese kleine Geste eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Familien. Das Haus loslassen war das Eine, sich wirklich davon trennen, das Andere.
»Was meinst du«, fragte Franziska später am Telefon ihren Mann, »wollen wir am Sonnabend in die Therme fahren? Wenn überall Einschulung ist, wird es bestimmt nicht so voll.«
»Na klar«, stimmte Michael ihr sofort zu. Das würde auch seinem Bewegungsapparat gut tun, mal wieder im warmen Solewasser zu schwimmen. »Ist gebongt!«
In freudiger Erwartung verging die Zeit bis zur Abfahrt am Sonnabend, als sie sich gleich nach dem Frühstück auf den Weg machten. Über die Autobahn erreichten sie den Thüringischen Kurort mit der »Kristall-Therme« in einer reichlichen Stunde. Und schon bald konnten sie den Alltag hinter sich lassen und abschalten. Mit geschlossenen Augen gab sich Franzi den duftenden Essenzen beim Saunaaufguss hin. Später saßen sie im Saunagarten und stießen mit einem Prosecco auf diesen wunderbaren Tag an.
Der Aufenthalt in der Therme tat ihnen wirklich gut. Michael spürte Linderung in seinem berufsbedingt strapazierten Rücken und Franziska versuchte, sich von den Gedanken abzulenken, die sich seit dem Notartermin nicht verdrängen ließen. Immer war da die Frage: Haben wir es richtig gemacht? Ständig überkam sie ein Gefühl, als hätten sie etwas vergessen, und konnte es sich nicht erklären. Michael wollte sie damit nicht behelligen, er hatte genug um die Ohren. Und Alexander anrufen? Das hatte sie sich gefragt, es aber auch wieder verworfen. Franziska schalt sich selbst als dumm und überdreht. Schließlich hatte sie gemeinsam mit Annika ein paar Tage vor dem Notartermin noch die Zählerstände von Wasser, Strom und Gas abgelesen. Das Haus war besenrein gewesen.
So genossen beide die Entspannung beim Schwimmen und Saunieren, fast wie in einem Kurzurlaub. Und doch war es nur ein Wochenende und wieder schneller vorüber als es ihnen lieb war.
Der Sonntag verging mit den üblichen Hausarbeiten und am Montagmorgen verließen Franziska und Michael ausnahmsweise zeitgleich die Wohnung. Während es für Michael in dieser Woche in Richtung Österreich gehen sollte, richtete sich Franziskas Augenmerk wie jedes Jahr auf die Vorbereitung der Rübenernte. Schließlich brach bereits der September an. Wenn sie nächste Woche gemeinsam mit ihrem Mann noch ein paar Tage Urlaub machen wollte, musste sie die Dinge vorher geordnet haben. Im Laufe der Jahre hatte sich eine gewisse Routine ergeben. Die PC-Programme waren eingerichtet. Noch vor der Wende hatte sie bereits das Privileg besessen, am damals einzigen Computer der LPG zu arbeiten. Das Monstrum hatte einen ganzen Raum für sich beansprucht und würde jetzt wohl nur noch belächelt werden. Heute half ihr die modernste Technik bei der Abrechnung. Und so, wie es aussah, konnte die Kampagne beginnen. Also entschloss sie sich am Abend, ihren Bruder anzurufen.
»Hallo Schwesterchen!«, begrüßte Alexander sie erfreut.
»Ich wollte dich auch anrufen.«
»Tja, Alex, da war ich wohl schneller!«, lachte Franziska.
»Hast du inzwischen mit Heidrun gesprochen?«
»Ja, deshalb wollte ich dich ja anrufen. Wann hat Michael genau frei?«, wollte Alexander wissen.
»Die ganze nächste Woche«, antwortete Franzi. »Und bei mir klappt es auch. Wir könnten von Freitag zum Sonnabend zu euch kommen, oder schon am Donnerstag, ganz wie es bei euch passt.«
»Uns ist beides recht. Wir können ja mal noch den Wetterbericht im Auge behalten, damit wir nicht den ganzen Tag drin sitzen müssen, falls es an einem Tag regnet.«
»Prima!«, freute sich Franziska. »Dann stimmen wir uns in einer Woche noch einmal miteinander ab.«
»Genau so machen wir das«, bekräftigte auch Alexander. Wieder überlegte Franziska, ob sie Alexander mit ihren seltsamen Gedanken behelligen sollte. Doch ohne ein Wort dazu verabschiedete sie sich von ihrem Bruder.
»Mach´s gut und grüße Heidrun ganz lieb. Ich freue mich schon, sie mal wieder zu sehen!«
»Und du sag meinem Schwager liebe Grüße, wenn du mit ihm sprichst. Mach´s gut, Schwesterchen!« Franziska legte das Handy zurück auf den Tisch. Unbewusst schüttelte sie den Kopf. Schon in ihrer Kindheit und Jugend hatte sie immer wieder solche unterschwelligen Gedanken gehabt, die sie nicht erklären konnte. Mit keinem hatte sie darüber gesprochen. Und doch hatte sie ihre Ahnung nicht getrogen, es gab ein Geheimnis in ihrer Familie. Aber das war inzwischen aufgeklärt.
Schluss jetzt, riss sie sich von den Grübeleien los und begann, das Bad zu putzen.
Der Rest der Woche zog sich wie klebriger Kaugummi in die Länge. Zwar ging ihr die Arbeit flott von der Hand, doch die Tage wollten einfach nicht vergehen. Sie freute sich schon, am nächsten Wochenende würde alles etwas relaxter verlaufen, wenn Michael nicht losfahren musste. Und auch Franziska wollte dann in der Woche zwei Tage Urlaub nehmen, das hatte sie bereits mit ihrem Chef abgesprochen. Allerdings musste sie am Freitag zur Kenntnis nehmen, dass Michael erst am Sonnabend früh heimkam.
Am Nachmittag schaltete sie im Arbeitszimmer den Rechner an. Vor kurzem hatte sie sich bei Facebook angemeldet. Der Grund waren eigentlich die Kinder gewesen. Martin und Anja schrieben dort immer mal was rein, und so wusste Franzi über die beiden Bescheid. Und auch das eine oder andere Bild von Fränzchen flatterte auf diesem Weg auf ihren Bildschirm. Sie hatte sonst nicht viele Freunde in dem Portal, aber zuletzt fand sie eine Gruppe, die sich über gelesene Bücher austauschte. Das gefiel ihr. So klinkte sie sich auch heute in die Diskussion ein und merkte kaum, wie nun doch die Zeit verflog. Manchmal