Lenchens Baby. Isolde Kakoschky

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Название Lenchens Baby
Автор произведения Isolde Kakoschky
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525465



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war spät geworden am Freitagabend. Michael brauchte seine Zeit, um abzuschalten und mental zur Ruhe zu kommen. Entsprechend spät war es auch, als Franziska und Michael sich am Morgen aus den Federn bewegten.

      »Wann wollte Anja den Kleinen bringen?«, fragte Michael seine Frau beim Frühstück.

      Als wäre es Gedankenübertragung, piepste Franziskas Handy und zeigte den Eingang einer SMS an. »Fahre jetzt los. Bis nachher. Anja«

      »Hier, lies selbst«, hielt sie Michael das Gerät vor die Nase.

      »Dann sollten wir mal in die Puschen kommen«, stellte Michael fest und erhob sich, um sich den ersten Platz im Bad zu sichern.

      Kaum hatte Franziska den Tisch abgeräumt und sich ebenfalls zurecht gemacht, klingelte es schon an der Tür. Obwohl Anja noch einen Schlüssel besaß, benutzte sie den nur selten. Franz liebte es einfach zu sehr, bei Oma und Opa auf den Klingelknopf zu drücken. Michael betätigte den Türöffner und schon kletterte der Dreijährige flink die Treppe hinauf.

      »Gehen wir heute in den Zoo?«, war die erste Frage des Knirpses, noch bevor er seine Oma mit einem feuchten Kuss begrüßte.

      »In den Tiergarten«, antwortete Franzi und stellte gegenüber Anja damit direkt klar, dass sie nicht nach Halle fahren würden, wie es ursprünglich einmal gedacht war.

      »Nach Bernburg«, wand sie sich erklärend an ihre Tochter.

      »Na dann, ganz viel Spaß euch dreien!« Anja drückte ihren Sohn an sich. »Und sei lieb.«

      »Bin iss doch immer!«, verkündete Franz mit großer Bestimmtheit.

      »Euch beiden auch einen wunderschönen Tag, genießt die kindfreie Zeit«, lächelte Franziska ihrer Tochter zu. Anja und Timo hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ein paar Mal im Jahr zu zweit etwas zu unternehmen. Viel zu schnell verloren sich junge Paare nach der Geburt des ersten Kindes im Alltagseinerlei und lebten nur noch als Eltern statt als Paar. Franziska gefiel es, dass die beiden dem entgegen wirkten. Sie hatten auch diesmal einen Aufenthalt in einem Wellness-Hotel im nahen Harz gebucht. Und Franz freute sich auf den Tag bei Oma und Opa. Franzi winkte Anja auf der Treppe hinterher. Michael kramte unterdessen mit Franz bereits die alte Eisenbahn von Martin aus der Spielzeugkiste.

      Während Michael sich erst als Eisenbahner, dann als Baumeister betätigte, begann Franziska damit, das Essen vorzubereiten. Nudeln mit Tomatensoße schmeckte fast allen Kindern gut, da machte Franz keine Ausnahme.

      »Oma, wann fahren wir in den…Tiergarten?« Franz musste erst nach dem passenden Wort suchen, während er den Löffel erneut in den Mund schob.

      Franziska schmunzelte. Das hatte sich der Zwerg also gemerkt. »Wenn wir fertig gegessen haben, machst du mit dem Opa eine Stunde Mittagsruhe und dann geht es los.«

      Unbeirrt futterte Franz weiter. Mittagsruhe war eher nicht nach seinem Geschmack, aber wenn das der Opa auch machen musste, war es wohl richtig.

      Wenig später hatte Franzi die beiden »Männer« ins Schlafzimmer verfrachtet und setzte sich mit einem Buch in den Sessel. Sie liebte diese Art, sich eine Stunde Ruhe zu gönnen. Bis zum Tiergarten im Nachbarkreis war es nicht weit, sie hatten genügend Zeit.

      Die Sonne schien von einem fast makellosen blauen Himmel und von der nahen Saale wehte ein laues Lüftchen, als sie am frühen Nachmittag aus dem klimatisierten Auto stiegen. Franziska hatte sich angesichts der sommerlichen Temperaturen sogar entschieden, ein Kleid anzuziehen, während Michael es seinem Enkel gleichtat und Shorts und T-Shirt trug.

      Schnell hatten sie den kurzen Weg bis zum Eingang des Tiergartens geschafft. Und kaum waren die Karten gekauft, stürmte Franz auch schon los. Überall gab es Neues und Interessantes zu entdecken. Am Schönsten fand er aber die kleinen Ziegen im Streichelgehege. In der Cafeteria bestellten sich Franziska und Michael einen Kaffee, während Franz genüsslich eine Kugel Eis löffelte. Als der Rundgang beendet war, wäre der Junge am liebsten noch einmal losgelaufen.

      »Oder wollen wir noch mit der Eisenbahn fahren?«, schlug ihm Michael vor.

      Mit einem lautstarken »Ja!« streckte er dem Opa die Hand entgegen und lief mit ihm schnurstracks aus dem Tiergarten heraus auf die andere Straßenseite. Sie hatten von vornherein so geplant, dass nach dem Besuch im Tiergarten noch Zeit blieb für die Fahrt mit der Parkeisenbahn zum »Paradies« und zum »Märchenwald«. Schon mit Anja und Martin waren sie oft und gerne zu den beiden Ausflugszielen gefahren. Und nun zeigte sich ihr Enkel ebenso begeistert von der kleinen Eisenbahn und den Märchenfiguren, die im Garten an der beliebten Gaststätte aufgebaut waren.

      Von den vielen Erlebnissen hungrig geworden, stiegen sie später ins Auto und steuerten auf Fränzchens Wunsch das bekannte Fastfood-Restaurant mit dem großen M auf dem Dach an. Auch wenn Franz erst drei Jahre alt war, wusste er schon ganz genau, was er essen wollte.

      »Oma, kaufst du mir Schicken Nacken?«

      Franziska und Michael konnten sich nur schwer das Lachen verkneifen. Sollte er sein Happy Meal mit Chicken McNuggets ruhig bekommen, schließlich gab es nicht jeden Tag dieses Essen aus der Tüte. Und offensichtlich schmeckte es ihm. Erst als die Nuggets samt Pommes restlos aufgegessen waren und die Packung mit der Capri-Sonne leer war, fragte er, ob er zum Spielplatz gehen könne. Da auch Franziska und Michael ihre Burger inzwischen verspeist hatten, stimmten sie ihrem Enkel zu. So frisch gestärkt kletterte er mit Leidenschaft die Treppe hinauf und sauste durch die Rutsche wieder hinab. Die Freude stand ihm ins Gesicht geschrieben, und Franziskas schlechtes Gewissen wegen des ungesunden Essens legte sich.

      Müde vom Laufen, Schauen und Toben schlief Franz beinahe schon auf der Heimfahrt im Auto ein. Franziska verzichtete darauf, ihn noch in die Wanne zu setzen, sondern wusch ihm nur rasch am Waschbecken Gesicht und Hände ab und legte ihn dann in sein Bettchen. Noch passte er in das Reisebett, das sie kurz nach seiner Geburt angeschafft hatten. Doch bald würde er in das Klappbett von seinem Onkel Martin umziehen, wenn er zu Besuch bei Oma und Opa war. Franzi räumte seine Sachen auf und sah noch einmal ins Zimmer, wo der Knirps schon tief und fest schlief. Danach schloss sie leise die Tür und ging hinüber ins Wohnzimmer.

      Mit einem theatralischen Stöhnen ließ sich Michael auf einen Balkonstuhl sinken. »Man ist einfach nichts mehr gewöhnt.« Er öffnete eine Bierflasche und zündete sich eine Zigarette an. Solange Franz dabei war, hatte er auf das Rauchen verzichtet.

      Franziska sah ihn amüsiert an. Sie fühlte sich noch fit genug und freute sich schon auf die Zeit, wenn sie mit ihrem Enkelsohn die Abenteuerspielplätze und Erlebnisbäder der Umgebung unsicher machen würden. Vielleicht kamen ja noch ein paar Enkelkinder hinzu, überlegte sie. Wellnesshotel und romantische Stimmung… wer weiß? Oder Martin, der bei einem großen Automobilwerk in Leipzig arbeitete, fand eines Tages die passende Frau.

      Während sich Franziska am Sonntag nach dem Frühstück dem Kochen des Essens widmete, schnappte sich Michael seinen Enkel und den Roller und unternahm einen Spaziergang zum Park. Am Schloss blieben sie stehen, vom dem sie laute Geräusche, die nach geschäftigem Werkeln klangen, vernahmen. Nach über zehn Jahren des Leerstandes hatte sich nun endlich ein neuer Besitzer gefunden, der das schöne Bauwerk zu neuem Leben erweckte. Bald sollten hier die ersten Veranstaltungen stattfinden. Wer weiß, überlegte Michael, vielleicht sitzen wir in ein paar Jahren auf der Terrasse und trinken Kaffee. Pläne schien der junge Schlossherr, ein Sänger, genug zu haben.

      Das Sonnenlicht drang durch die Kronen der Bäume, an denen sich schon die ersten Blätter färbten. Bald konnte Franz hier Kastanien sammeln. Vorerst staunte er, als er den alten Turm entdeckte. Auch hier täten ein paar Handwerker bitter Not, dachte Michael. Selbst wenn die Bäume den ehemaligen Aussichtsturm inzwischen überragten, so war er eigentlich doch ein schönes Ziel.

      Pünktlich zum Mittagessen kehrten die beiden hungrigen Wanderer nach Hause zurück. Nicht nur Chicken Nuggets schmeckte Franz, auch Gulasch mit Kartoffeln und Möhrengemüse trafen seine Zustimmung. Und ohne Murren legte er sich kurz darauf mit dem Opa zusammen zur Mittagsruhe, während Franziska begann, Proviant für Michael einzupacken, ehe sie den Jungen zurück nach Eisleben brachten.

      »Kommt