Название | Ostseegrab |
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Автор произведения | Anke Clausen |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839233542 |
»Doktor Pieper?«, fragte Stefan und sah plötzlich so unschuldig verwirrt aus wie Colombo. »Wenn Sie sich nicht hundertprozentig sicher sind, was aufgrund der Tatsache, dass Sie das arme Mädchen gar nicht richtig untersucht haben, schwierig sein dürfte, schlage ich vor, Sie machen Ihr Kreuzchen nicht so leichtfertig.«
Friedrich Pieper zuckte mit den Schultern und nickte dann. Sophie war fassungslos. »Macht ihr keine Fotos?«, fragte sie verwirrt.
Stefan starrte sie an. »Fotos? Das ist hier kein Mord, Sophie, und wir sind auch nicht in einem englischen Kriminalfilm. Kann mal einer die Personalien dieser Person aufnehmen!«
Meier fühlte sich sofort angesprochen. »Sie heißen Sophie Sturm und wohnen wo?«
Sophie war wütend. Sie war sich sicher, dass das nur dazu diente, sie abzulenken und aus dem Weg zu haben. »Stefan, was soll das?«
»Ich mach nur meine Arbeit und die willst du hoffentlich nicht behindern, oder?«
»Wo Sie wohnen?«, fragte Meier eindringlich.
Sophie funkelte ihn böse an. Plötzlich bemerkte sie, dass Pelle nicht mehr neben ihr war. Sie sah sich erschrocken um. Ihr Hund lag ein paar Meter weiter unten am Strand und kaute an der Rinde des Astes. Jetzt wusste sie, was nicht stimmen konnte.
»Das ist es! Stefan! Die Frau liegt hier oben, aber das angeschwemmte Treibgut liegt mindestens vier Meter weiter unten. Wie soll sie denn hier angeschwemmt worden sein?«
Hanjo ging ins Schlafzimmer. Das Doppelbett versetzte ihm jeden Morgen wieder einen Stich. Unmotiviert ging er an den Kleiderschrank und griff wahllos nach Hemd und Hose. Er zog seinen Bademantel aus, legte ihn über einen Stuhl und streichelte ihn kurz. Freya hatte ihm den Mantel vor 12 Jahren zu Weihnachten geschenkt. Mittlerweile war der blaue Frottee an einigen Stellen etwas fadenscheinig, doch er liebte den Bademantel. In diesem Leben würde er sich keinen neuen mehr zulegen. Weihnachten! Gut, dass jetzt Sommer war. An ein Fest ohne sie wollte er noch gar nicht denken. Hanjo schloss den letzten Hemdknopf und warf einen Blick aus dem Fenster. Am Strand standen einige Menschen zusammen. Sie hatten keine Bretter oder Segel dabei. Hanjo wurde neugierig. Er nahm sein Fernglas und regulierte die Schärfe. Das war doch Broder Larrson! Polizei? Hanjo fröstelte. Und da war Fips. Die blonde Frau kannte er nicht. Sie sahen alle zu Boden. Er folgte ihrem Blick mit dem Feldstecher. Es war ein Körper in einem Neoprenanzug. Schon wieder eine Tote! Er schloss für einen Moment die Augen. Würden die Touristen nun ausbleiben? Hanjo schüttelte den Kopf. Es war wirklich nicht der Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen. Gebannt schaute er weiter durch das Glas. Ein großer Hund spielte mit einem Ast. Ein Typ, der wie ein Penner aussah, lief zum Wasser. Er musste auch Polizist sein. Das war doch der Mann von Tina Sperber. Aber arbeitete der nicht in Lübeck? Hanjo sah noch mal nach der Leiche. Jetzt konnte er ihren Kopf sehen, die blonden Haare. Tränen brannten in seinen Augen. Wieso musste ein junger Mensch sterben? Er musste sich zusammenreißen. Außerdem hatte er jede Menge zu tun. Er musste Kaffee und Eier kochen und das Buffet richten. Es lag ein anstrengender Tag vor ihm. Er atmete tief durch und stellte den Feldstecher zurück auf die Fensterbank. Er musste jetzt wirklich schleunigst in die Küche. So war die Ostsee eben. Bei Sonne fast wie ein Karibikstrand, im Winter mal glatt und mal rau und bei Nacht kalt. Hatte die Frau das etwa nicht gewusst?
5
Ben schloss die Hintertür ab. Wenn er sich verhalten wollte wie immer, dann musste er zu Olli. Der würde sich sonst sicher wundern. Vorher musste er aber noch zum Strand. Seit dem Tsunami hatte er jeden Morgen das Verlangen, einen Blick auf das Wasser zu werfen. Er musste sich vergewissern, dass alles normal aussah. Natürlich würde es hier nie eine Riesenwelle geben, doch er kam gegen seinen Kontrollzwang nicht an. Er blieb stehen: Wo kamen die beiden Autos auf einmal her? Der Audi war furchtbar dreckig und der VW Passat sah aus wie ein Polizeidienstwagen. Ben sah sich um. Weit und breit waren keine Bullen zu sehen. Er lief zum Deich. 50 Meter weiter standen ein paar Menschen, doch er konnte nichts Genaues erkennen. Sein Herz begann zu klopfen und sein Hals wurde trocken. Ben machte kehrt und rannte zurück zur Wiese. Olli saß auf den Eingangsstufen seines Wohnmobils und starrte in seinen Kaffeebecher.
»Schnell, komm mit! Da stimmt was nicht!«
Olli blickte auf und sah ihn müde an. Er sah furchtbar aus. Seine Augen waren knallrot. Olli musste stundenlang geheult und gesoffen haben. Ben fühlte sich schuldig. Was war er nur für ein Freund? Olli liebte Sarah. Und jetzt? Es hätte niemals so weit kommen dürfen.
»Hab zu viel getankt gestern. Alles wegen ihr«, murmelte Olli. »Mir gings noch nie so beschissen. Aber das war das letzte Mal.« Olli versuchte zu grinsen, doch sein Gesicht verzog sich nur zu einer grotesken Maske. »Was ist denn los?«
»Da sind Bullen am Strand!« Olli nickte, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Ben wurde ungeduldig. »Willst du gar nicht wissen, was da los ist?«
»Sarah hat Schluss gemacht. Das ist los! Ich soll das einfach akzeptieren! So ein Scheiß! Da steckt doch ein anderer Kerl dahinter.«
»Das weißt du doch gar nicht! Und wenn sie dich wirklich beschissen hat, dann gibt es kaum einen Grund, ihr nachzutrauern!«
Olli sprang auf. »Du hast doch keine Ahnung! Ich habe Sarah geliebt! Ich liebe sie auch jetzt noch! Aber das kannst du natürlich nicht kapieren. Dir fliegen die Weiber ja nur so zu. Du kannst jede haben!«
Ben atmete tief durch.
»Aha! Ich weiß nicht, was Liebe ist! Ist klar! Und warum bin ich dann hier? Weil Fehmarn so viel traumhafter ist als Phuket? Verdammt, Olli! Auch wenn ich ab und zu mit einer in die Kiste springe, es bedeutet mir rein gar nichts! Außerdem kennst du Sarah erst seit ein paar Wochen. Was weißt du schon über sie? Und Liebe? Ihr habt euch doch so gut wie nie geküsst. Sie hat dich verleugnet, als wärst du ihr peinlich.«
»Du spinnst ja total! Wo steht, dass man sich immer und überall die Zunge in den Hals stecken muss? Und natürlich habe ich ihr geholfen! Die Deutschen Meisterschaften sind in sieben Wochen und sie hat alle Chancen zu gewinnen.« Mit zitternden Fingern fummelte Olli eine Zigarette aus der Schachtel. »Danach hätte sie Zeit für unsere Beziehung gehabt. Ich wollte mit ihr wegfliegen. Vielleicht Marokko oder so.« Olli schluckte und setzte sich wieder. »Weißt du, Ben, ich bin mir sicher, dass das mit uns geklappt hätte. Aber sie wollte nichts mehr davon wissen. Sie hat mich einfach zu den Akten gelegt. Knall auf Fall. Was hab ich denn bloß falsch gemacht?«
»Olli, es hat doch keinen Sinn, dass du dich so fertig machst. Sich die ganze Nacht volllaufen zu lassen, ist doch keine Lösung. Wahrscheinlich ist sie einfach nur gestresst und nach den Meisterschaften sieht alles wieder ganz anders aus. Vielleicht merkt sie dann, dass sie einen Fehler gemacht hat. Jetzt lass uns erst mal sehen, was da am Strand passiert ist.« Ben kam sich verlogen vor, denn Sarah würde ihre Meinung nicht mehr ändern.
Sophie beobachtete Stefan. Er marschierte die Wasserlinie ab und sah schrecklich schlecht gelaunt aus. Sie fragte sich, ob es an der Leiche oder an ihrem Besuch lag. Sie tippte auf Letzteres. Nach ein paar Minuten war er wieder bei ihnen.
»Wo bleibt denn der Leichenwagen?«, fragte er mürrisch.
»Muss jede Sekunde da sein, Chef!«, sagte Claas Meier und schien sich ungeheuer wichtig zu fühlen.
»Wann war das denn genau mit der ersten Kiterin?«
»Am Dienstag. Meine Frau kocht dienstags immer Gulasch, und das war schon ganz verkocht, als ich endlich zu Hause war«, erklärte Larrson schmunzelnd.
»Wo ist die Leiche jetzt?«
»Die Leiche? Keine Ahnung. Beim Bestatter?«
»Bin ich hier in einer Quizshow? Mann o Mann! Der Wagen soll die Leiche in die Gerichtsmedizin nach Lübeck bringen. Wir müssen herausfinden, wer die Frau ist. Broder, kümmere dich darum! Fragt doch mal rum. Irgendwer muss sie doch kennen. Vielleicht hat sogar jemand was gesehen.« Stefan schüttelte genervt den Kopf. »Sophie, du kannst bei mir mitfahren!« Sein Angebot klang wie ein Befehl.
»Pelle