Ostseegrab. Anke Clausen

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Название Ostseegrab
Автор произведения Anke Clausen
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839233542



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Tonfall machte klar, dass er keine Widerrede wünschte. Sophie folgte ihm zu seinem Wagen. Sie ließ Pelle auf die Rückbank springen und öffnete die Beifahrertür. Der Sitz war voll mit leeren Zigarettenschachteln und Pappbechern. Sie wischte alles in den Fußraum und setzte sich. »Alle Achtung! Du hast nicht übertrieben. Das ist hier mit Sicherheit das ekelhafteste Auto, in dem ich je mitfahren durfte!«

      »Monatelange Arbeit.«

      Sophie grinste in seine Richtung, doch er starrte ernst nach vorn. Er fuhr mit einem Ruck an und aus einem alten Kaffeebecher ergoss sich der schimmelige Rest über ihre teuren Joggingschuhe.

      »Oh, tut mir leid«, bemerkte Stefan zynisch.

      »Mach dir keine Sorgen. Ihr seid doch versichert! Du siehst übrigens beschissen aus!«

      »Danke!«

      »Alles okay?«

      »Sophie, ich hatte eine grauenhafte Nacht. In der Woche schlafe ich kaum, am Wochenende erhole ich mich bei einem Säugling, und jetzt habe ich auch noch eine Leiche und furchtbaren Besuch. Es gibt Menschen, die ihre Zeit nicht nur mit Sekt und Schnittchen verbringen.« Stefan starrte stur geradeaus. Seine Lider flatterten.

      »Was war das denn eigentlich vorhin? Dieser Pieper hat doch ne Schraube locker. Nur weil die Leiche in einem Neoprenanzug steckt, geht er davon aus, dass sie ertrunken sein muss. Wow!«

      »Er ist Hausarzt.«

      »Na, dann hoffe ich schwer, dass ich hier nicht krank werde.«

      »Ich habe dich nicht eingeladen!«

      »Zurück zu unserer Leiche. Wie sich rausgestellt hat, schon die zweite in einer Woche! Uppsala! Was für ein Zufall!«

      »Witterst du eine Story für dein Klatschblatt? Oder warum bist du so hartnäckig?«

      »Hallo! Entspann dich mal! Seit du da aufgetaucht bist, machst du mich an. Eine Story wäre das hier nur, wenn es sich bei der Dame um eine Prominente, Prinzessin, oder zumindest um ein berühmtes Model handeln würde. Für Normalsterbliche interessieren sich unsere Leser nicht. Ich meine doch nur, dass das schon abenteuerlich war, wie das da vorhin gelaufen ist.«

      »Sophie! Hör auf zu schnüffeln. Ich bin auch nicht glücklich darüber, wie der Arzt da vorgegangen ist. Aber spiel hier nicht die Miss Marple! Ich warne dich und ich meine es verdammt ernst!«

      Sophie schnaubte und sah aus dem Fenster. Glaubte Stefan tatsächlich, dass er sie mit hohlen Phrasen einschüchtern konnte? Dazu brauchte es schon ein bisschen mehr.

      6

      Olli stand neben Ben auf dem Deich und bedauerte, dass er mitgekommen war. Ihm war hundeelend. Zwei Polizisten in Uniform sorgten dafür, dass die wenigen Schaulustigen nicht an den Strand liefen. Als der schwarze Leichenwagen auf den Parkplatz fuhr, bestätigte sich der entsetzliche Verdacht. Ben war kreidebleich. Jede Wasserleiche musste ihn an den Tsunami und den schrecklichen Tod seiner Freundin erinnern.

      »Alles okay?«, fragte Olli besorgt.

      »Schon gut. Es geht gleich wieder. Hoffentlich nicht wieder einer von unseren Schülern.«

      Olli versuchte, seinem schmerzenden Schädel noch einen klaren Gedanken zu entlocken. »Unsere waren doch am Abend alle wieder da und als wir bei Sonnenuntergang am Strand saßen, war auch sonst niemand mehr draußen.«

      »Schon, aber diese Sandra ist auch nachts noch mal raus«, gab er zu bedenken. »Verdammte Scheiße! Wir haben doch so oft vor so beknackten Aktionen gewarnt! Wie kann man überhaupt auf so eine beschissene Idee kommen?«

      Olli wusste keine Antwort. Die Männer waren dabei, den leblosen Körper auf die Bahre zu legen. Eine lange blonde Haarsträhne hing seitlich herab. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Nein, das war doch unmöglich! Sarah hatte auch solche blonden Locken. Olli fiel auf die Knie und kotzte.

      »Mein Gott!« Ben hockte sich neben ihn und hielt seine Schultern. »Was ist denn?«

      Er schaffte es, ihren Namen zu flüstern, bevor er sich erneut übergeben musste. Ben sprang auf und rannte an den Polizisten vorbei. Olli setzte sich erschöpft ins Gras und wischte sich den Mund mit seinem T-Shirt ab. Sein Kopf war kurz davor zu zerspringen. Verdammt, er musste sich erinnern. Was war nur passiert? Sie hatten gestritten. Sarah hatte mit ihm Schluss gemacht. Ja, sie würde einen anderen Mann lieben, das waren ihre Worte. Dann hatte er sich betrunken. Er war so unendlich wütend gewesen. Er hätte sie tatsächlich umbringen können. Ben kam zurück und griff nach seinem Arm.

      »Olli, komm! Du musst unter die Dusche. Bitte! Ich bring dich zu deinem Wohnmobil.«

      »Sie ist es, oder?«

      »Ich weiß es nicht. Sie haben den Reißverschluss zugemacht, bevor ich sie genauer sehen konnte, aber ich fürchte, es ist tatsächlich Sarah.«

      »Vielleicht ist es meine Schuld!«

      Ben sah ihn verständnislos an. »Deine Schuld? Wie soll das denn deine Schuld sein, wenn sie sich nachts auf dem Wasser rumtreibt? Sie war doch keine Anfängerin. Sie wusste, dass das saugefährlich ist. Du kannst doch nicht hellsehen und außerdem warst du stockbesoffen.«

      Olli nickte. Genau das war ja sein Problem. Er konnte sich einfach nicht erinnern. Hatte er wirklich die ganze Nacht in seinem Wohnmobil verbracht?

      7

      Tina spürte, wie jemand ihren Arm schüttelte. Verwirrt schlug sie die Augen auf.

      »Mama! Gibt es heute gar nichts zu essen?«

      »Wir haben doch so Hunger!«, erklärte nun auch Paul.

      Ihre beiden Großen standen in Schlafanzügen an ihrem Bett. Finn lag neben ihr und schlief. »Hey, guten Morgen ihr Süßen! Wie spät ist es denn? Halb acht! Ach du liebe Güte! Ihr seid früh dran heute!« Sie rappelte sich hoch und nahm ihren Kleinsten vorsichtig in den Arm, um ihn wieder in seine Wiege zu legen.

      »Du musst trotzdem aufstehen«, meinte Antonia ernst. »Du musst Frühstück machen, damit wir Kinder nicht verhungern!«

      Tina grinste und legte den Finger auf die Lippen. »Pst. Seid leise, damit Finn noch ein bisschen schlafen kann.« Zusammen schlichen sie aus dem Schlafzimmer. »Antonia, hol dir mal Unterwäsche und ein Kleid aus dem Schrank. Ich ziehe inzwischen Paul an. Wir treffen uns im Bad.« Antonia nickte verschwörerisch und trottete los. Eine Viertelstunde später waren sie in der Küche versammelt. Tina machte den Kindern Kakao und stellte den Backofen an.

      »Du, Mama, Pelle ist gar nicht da!«

      Tina bekam einen Schreck. Stilldemenz. Das war mal wieder ein Beweis. Sie hatte total vergessen, dass sie Besuch hatte. »Vielleicht schlafen die beiden noch. Ihr esst jetzt erst mal ein paar Kekse und ich sehe mal im Gästezimmer nach.«

      »Kekse! Kekse!«, kreischte Paul.

      »Sophie ist aber gar nicht in ihrem Bett«, informierte Antonia wichtig. »Ich habe nachgesehen. Aber sie hat etwas auf einen Zettel geschrieben.«

      »Und wo ist der Zettel?«

      »Und wo sind die Kekse?«

      Tina öffnete den Schrank und schnappte eine Packung Butterkekse.

      »Keine mit Schokolade?«, beschwerte sich Antonia.

      »Nein! Wo?«

      »Auf ihrem Bett.«

      Tina marschierte nach oben. Tatsächlich. Auf dem Kopfkissen fand sie die Nachricht: ›Wir sind joggen!‹ In diesem Moment meldete sich Finn. Tina nahm ihn mit nach unten. In der Küche war bereits der erste Streit ausgebrochen.

      Antonia brüllte ihren kleinen Bruder an. »Pelle ist mein Hund! Ich kenne ihn schon viel länger.«

      »Aber mich mag er lieber!«

      Gleich würde wieder einer heulen. Schon schluchzte Antonia los. »Paul ist so