Jungsteinzeit. Silviane Scharl

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Название Jungsteinzeit
Автор произведения Silviane Scharl
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170367425



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target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_af533676-69c1-5b1d-bbff-a1a81fe6d0a8.jpg" alt="image"/> Abb. 2.2). Diese wird am Fundort Ohalo II (Israel) am See Genezareth bereits um 21 000 v. Chr. fassbar (image Abb. 2.1). Dort wurden mehrere Behausungsreste einer Gruppe von Wildbeutern entdeckt, in denen sich Mahlsteine zur Verarbeitung dieser Wildpflanzen fanden. Reste von Stärke, die den Mahlsteinen anhafteten, belegen u. a. die Verarbeitung von Gerste und Hafer. Zudem konnte durch die gute Erhaltung der Funde – die Siedlungsstelle wurde kurz nach ihrer Aufgabe überschwemmt und blieb bis zur Ausgrabung unter Luftabschluss – eine große Zahl von Pflanzenresten dokumentiert werden. Deren Auswertung ermöglicht zum ersten Mal detaillierte Aussagen zur pflanzlichen Nahrung von Wildbeutergruppen, die ansonsten kaum erhalten sind, und zeigt, dass ein bemerkenswert breites Spektrum an Arten genutzt wurde, darunter Eicheln, Mandeln, Pistazien, Oliven, Feigen, Himbeeren und Trauben. Der Großteil der pflanzlichen Nahrung bestand jedoch aus den Samen von Wildgräsern, darunter auch einige Getreidearten, die später domestiziert wurden5.

      Abb. 2.1: Karte des Vorderen Orients und des südöstlichen Europas mit den wichtigsten Fundstellen (schwarze Punkte: wichtige Fundstellen des Epipaläolithikums und Neolithikums, gelbe Punkte: im Text genannte Fundstellen). Die grüne Signatur markiert die Lage des Fruchtbaren Halbmondes.

      Die Untersuchung der jahreszeitlichen Verfügbarkeit aller nachgewiesenen Arten deutet darauf hin, dass es der dort lebenden Menschengruppe möglich war, ganzjährig oder zumindest große Teile des Jahres an diesem Ort zu siedeln. Wie groß diese Gruppe war, ist ungeklärt. Es wurden insgesamt sechs Hüttengrundrisse dokumentiert, fraglich ist jedoch, ob diese alle zur gleichen Zeit genutzt wurden. Damit fassen wir in Ohalo II) nicht nur eine Intensivierung der Wildpflanzennutzung, sondern zugleich auch erste Schritte auf dem Weg zu einer sesshaften Lebensweise, die im Neolithikum schließlich kennzeichnend wird6.

      Dieser Trend setzte sich nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit mit der beginnenden Erwärmung fort. Die klimatischen Veränderungen gingen einher mit Veränderungen der Umwelt. So prägten nun mediterrane Eichenwälder und damit verbunden Wildgetreidewiesen das Landschaftsbild.

      Abb. 2.2: Die Anfänge der Nahrungsmittelproduktion im Fruchtbaren Halbmond. Chronologische Darstellung der wichtigsten, im Text beschriebenen Entwicklungen.

      Diese Zeit, die z. B. durch Fundstellen in der Levante (sog. Natufien, ca. 13 000–9600 v. Chr.) gut belegt ist, ist charakterisiert durch eine Größenzunahme der Siedlungen und eine wachsende Bedeutung von Wildgräsern. Letztere spiegelt sich zum einen darin, dass im Fundmaterial nun vermehrt Gerätschaften auftreten, deren Funktion vor allem in der Verarbeitung von Getreide gesehen wird, wie Sichelklingen oder Mörser und Stößel. Zum anderen konnten in den für diese Zeit typischen Rundhütten fest installierte steinerne Behälter oder mit Lehm ausgekleidete Gruben dokumentiert werden, die als Hinweise auf Vorratshaltung interpretiert werden (z. B. Hayonim Cave und Ain Mallaha/Israel). Darüber hinaus liegen auch erste Hinweise dafür vor, dass der Mensch seine Umwelt aktiv beeinflusste, um das Wachstum spezifischer Pflanzenarten gezielt zu fördern. So belegt die Auswertung von Unkrautspektren die gezielte Hege von Wildgetreidefelder (z. B. Abu Hureyra oder Mureybit/Syrien, image Abb. 2.2)7.

      Ab dem sog. Pre-Pottery Neolithic A (PPN A; dt. »präkeramisches Neolithikum«, also eine Phase der Jungsteinzeit, in der jedoch noch keine Keramik hergestellt wurde; ab ca. 9600 v. Chr.) kommt es zu einer Intensivierung dieses Pflanzenmanagements. Darauf weist z. B. die Zunahme von Einkorn am mittleren Euphrat (z. B. Jerf el Ahmar/Syrien) hin – einer Region, die aufgrund der dort vorhandenen Böden und der damals steigenden Jahrestemperaturen keine optimalen Wachstumsbedingungen für diese Weizenart bot. Der im archäobotanischen Befund fassbare Anstieg dieser Art wird daher darauf zurückgeführt, dass der Mensch eine gezielte Aussaat betrieb, die Felder von Unkraut befreite und bewässerte. Als weiterer Hinweis auf gezielte Eingriffe werden die Abnahme indigener Wildpflanzenarten am mittleren Euphrat und die Zunahme von Wildformen weiterer Kulturpflanzen, wie Gerste, Emmer, Linse, Kichererbse und Ackerbohne gewertet. Darüber hinaus datieren in diese Zeit Massenfunde von verkohlten Hülsenfrüchten, Getreide sowie anderen Samen und Früchten (z. B. Netiv Hagdud und Gilgal/Israel). Die Mörser und Stößel des Natufien werden nun abgelöst von flachen Mahl- und Reibsteinen, die eine einfachere Verarbeitung von Getreidekörnern ermöglichten und daher ebenfalls als Indiz für deren zunehmende Bedeutung interpretiert werden8.

      Aus dem nachfolgenden sog. Pre-Pottery Neolithic B (PPN B; ab ca. 8700 v. Chr.) liegen schließlich erste unzweifelhafte Belege für die Domestikation von verschiedenen Pflanzen- und Tierarten vor (image Abb. 2.2). Ein Anzeichen hierfür ist z. B. die regelhafte Herausbildung stabiler Ährenspindeln bei Getreidekörnern (die Achse einer Ähre, die das Korn trägt), die verhindert, dass die Körner vor der Ernte zu Boden fallen. Bei Wildgetreide dominiert die brüchige Variante, der Anteil der stabilen Ährenspindel liegt unter 10 %. Beim frühen domestizierten Getreide werden hingegen deutlich höhere Werte erreicht. Weitere Domestikationsmerkmale sind die Zunahme der Korngröße und das Vorkommen dieser Pflanzenarten außerhalb ihres natürlichen Habitats (Lebensraumes). Deren Auftreten im PPN B stellt gewissermaßen den Endpunkt eines länger andauernden Domestikationsprozesses dar, dessen exakter Beginn nicht eindeutig festzulegen ist, da nicht bekannt ist, wie viele »Generationen« von Getreide durch den Menschen manipuliert werden mussten, bis sich diese Merkmale im Phänotyp, d. h. im Erscheinungsbild, herausbildeten9.

      Dies gilt auch für die Domestikation unserer Haustiere. Die Wildformen von Rind und Schwein waren in ganz Vorderasien und Europa sowie Teilen Nordafrikas verbreitet, die von Schaf und Ziege konzentrierten sich auf die Region von Ost- und Südanatolien bis zum Zagrosgebirge. Ab dem PPN B fassen wir Tiere, die sich morphologisch von ihren wilden Artgenossen unterscheiden – ein wichtiges Merkmal stellt z. B. die Verringerung der Größe dar. Weitere Domestikationsmerkmale, die im archäologischen Quellenmaterial aber keine Spuren hinterlassen, sind z. B. Veränderungen der Fellfarbe oder andere Verhaltensweisen (z. B. beim Fluchtverhalten)10. Diese werden, ebenso wie bei den Pflanzen, erst nach einer nicht genau zu benennenden Zahl an Generationen sichtbar. Hinzu kommt, dass im archäologischen Fundmaterial nur Knochen und Zähne erhalten bleiben und dies auch nur unter bestimmten Erhaltungsbedingungen. Knochen lösen sich z. B. in entkalkten Böden im Lauf der Zeit auf. Doch selbst wenn Tierknochen und -zähne erhalten sind, ist es nicht immer eindeutig möglich, zu entscheiden, ob es sich um Haus- oder Wildtiere gehandelt hat. Daher werden weitere Indizien gesammelt, wie z. B. das Schlachtalter der Tiere, um zu überprüfen, ob dieses auf ein gezieltes Herdenmanagement im Hinblick auf ein langfristiges Herdenwachstum hinweist. So wurden bevorzugt junge männliche Tiere und ältere weibliche Tiere geschlachtet. Und auch ein hoher Anteil einer spezifischen Tierart am Tierknochenspektrum eines Fundplatzes wird in diese Richtung gedeutet. Ein weiteres wichtiges Argument für Domestikation ist die Entdeckung von Tierknochen einer Tierart außerhalb ihres natürlichen Habitats.

      Erste Hinweise auf Rinderdomestikation (Verringerung des Sexualdimorphismus) stammen aus der der Zeit um 9000–7000 v. Chr. von Fundorten im mittleren Euphrattal (Halula, Dja’de/Syrien). Ähnlich alt (um 9000/8500 v. Chr.) sind die derzeit ältesten Belege für domestizierte Schafe und Ziegen. Erste Hinweise auf Schweinedomestikation datieren um 8300 v. Chr. und liegen aus dem ostanatolischen Raum vor (z. B. Cafer Höyük)11. All dies stellt wie auch bei der Pflanzendomestikation den Endpunkt einer Entwicklung dar, die bereits zwei Jahrtausende