Название | Eros und die Evangelien, aus den Notizen eines Vagabunden |
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Автор произведения | Waldemar Bonsels |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066110208 |
»Gut. Handeln Sie so.«
»Sie danken mir nicht, nun das ist wohl auch in Ordnung so ... Mir liegt die Zeit im Sinn, in der ich noch so jung und so erwartungsvoll, so zuversichtlich und gläubig war, wie Sie. Damals, als ich diesen Ring erhielt, stand ich im Beginn meiner Laufbahn, ich fing damals an berühmt zu werden, man las mein erstes Buch, es ist jetzt vergessen. Die Zeit geht eben rasch; nun, es kamen andere Werke und trugen meinen Namen in die Welt, aber wissen Sie, was mir über Ihren Worten vorhin so durch den Sinn gegangen ist — daß diese anderen Bücher auch einmal — vergessen sein könnten ... Aber nicht das allein, sondern vielmehr eine seltsame Gewißheit, als sei jene vergangene Zeit, ohne Ruhm und Besitz, durch einen ganz bestimmten Wohlstand reicher gewesen, als die heutige es ist, mit ihrem Erfolg.«
»Sagen Sie mir das nicht,« lehnte ich ab, »ich wollte Sie nicht demütigen.«
»Demütigen? Sonderbarer Mensch ...«
Unsicher und gequält sah ich ins Leere. Mir war, als habe ich unrecht getan, aber erst später sollte ich erfahren, worin dies Unrecht bestanden hatte.
»Also gut denn,« hörte ich ihn wieder sprechen, »lassen wir ruhen, was ruht, und leben, was leben soll. Ich biete Ihnen tausend Mark an Stelle des Rings und der Bücher; sind Sie einverstanden?«
»Ja, aber Sie sind es nicht.«
»Ich bin es. Sie hatten recht, meine Anwandlung zu Eingeständnissen, meine melancholische Selbstbetrachtung, abzulehnen. Vielleicht hoffte ich, mich von einer Niederlage wiederherzustellen, indem ich ein geringes Bild von mir entwarf, um, wenn Sie davongingen, in dem Bewußtsein zurückbleiben zu können, daß ich doch um einiges mehr sei, als ich Sie zuzugestehen genötigt hatte. Der Ruhm verdirbt, wir sind unehrliche Leute vor uns selbst geworden, um die Ehrlichkeit zu retten, um derer willen uns die anderen, die Welt, Bekenner und Eroberer nennt. Sie hat noch keinen Wahrhaftigen ihren Erlöser genannt ...«
»Also tausend Mark wollen Sie geben?«
Er schwieg, mit schräg gesenktem Blick.
»Sie nehmen mir die Freude daran«, sagte er langsam und in erkennbarem Verdruß über sein erneutes, unfreiwilliges Geständnis. Aber er holte dann zögernd, mit zurückgelegtem Oberkörper seine Schlüssel hervor, öffnete ein Schubfach des Schreibtisches, räumte etwas zur Seite, als seien es seine lästigen Gedanken, und entnahm einer Stahlkassette eine lederne Brieftasche.
»Hier,« sagte er kurz und unsicher, als fürchtete er durch sich selbst bei einem Diebstahl überrascht zu werden, »nehmen Sie und stiften Sie Segen und Gutes.« Er tastete an den Geldscheinen herum, als wollte er ihnen noch einmal, vor dieser Willkür, seine ganze besorgte Neigung zukommen lassen, und doch schien er diese Finger zu verachten, die den Wert des Papiers zu genießen trachteten. »Möge das Geld auf einen Acker fallen, besser bereitet, als es mein Herz noch ist. Und Sie, Sie selbst ... Wer sind Sie denn, so reden Sie doch. Dies alles ist doch höchst eigentümlich. — In die Hosentasche stecken Sie die Scheine?«
Plötzlich befiel mich eine wilde, heiße Fröhlichkeit. Es war mir, als erwachte ich mit dem Bewußtsein dieses Erfolges endlich aus einer Welt von Beziehungen, Kräften und Verstrickungen, die nichts mit jener zu schaffen hatte, in die ich nun gehen wollte, um der Freundin den Weg zu ihrer Gesundheit und zu glücklichen Tagen zu ebnen.
»Ich ——?« fragte ich plötzlich wie verwandelt, »ich komme mir vor wie Einer, der sich beim Satan eine Leiter geliehen hat, um Gott in den Himmel steigen zu lassen.«
»Auch ein Dank«, sagte er verständnislos und sah mich beinahe gierig an, mit einem Ausdruck, den ich so wenig auf seinen Ursprung zu prüfen vermochte, wie er meine Worte.
»Grüßen Sie Ihre Freundin,« sagte mein Gastgeber, als er sah, daß ich meinen Hut nahm, »berichten Sie mir, lassen Sie sich einmal wieder sehen, tun Sie es, vielleicht wird Ihre Teufelsleiter doch noch zu einer Brücke zwischen uns zwei.«
Ich ließ es offen.
»Weiß der Kuckuck, was mir dies bedeuten soll, nun, was geschehen ist, soll recht bleiben, leben Sie wohl. Wie eilig Sie es haben.«
Er gab mir die Hand, als sollte ich ihr Gewicht prüfen, ich fühlte mich erlöst und eilte rasch von dannen, seltsam benommen in einem merkwürdigen Unterbewußtsein, in dem mir zumut war, als freute meine Freude mich nicht, und als sei ich für meine Kraft nicht stark genug gewesen. —
Wohl drängte es mich, mit meinem Schatz zu Asja zu eilen, aber ich wartete und begab mich zuvor in meine Behausung. Ich beschloß, eine Reihe nützlicher und erfreuender Einkäufe zu machen, führte meinen Vorsatz jedoch nicht aus, da alles mir in heimlichem Widerspruch zu den Bedürfnissen dieses Mädchens zu stehen schien. Auch fehlte es mir an Erfahrungen, und ich schämte mich, an jene belanglosen oder nur äußerlich nützlichen Dinge zu denken, für deren Beschaffung den Frauen ein so sonderbares Talent eigentümlich ist, das in gleichem Maße von Liebesbereitschaft, wie von glückhafter Schamlosigkeit zeugt. Sie bringen es fertig, Pulswärmer, Zahnstocher, Pfeifenreiniger, oder unbedeutende Bruchteile von Nahrungsmitteln durch Ankauf in ihren Besitz und durch Schenkung in die Hände geschätzter Persönlichkeiten zu bringen. Auch auf kleinere Vasen, auf Löschblätter oder Bleistifte verfallen sie zuweilen, und die Anmut ihrer Darbietungen läßt uns in bestürzter Rührung erkennen, daß diese Dinge in kleinen, schwachen Händen zu Sinnbildern der großen, ewigen Liebe zu werden vermögen. Wir Verdorbenen und Ungläubigen dagegen vermögen uns nur auf Blumen oder Bücher zu beschränken, weil wir an die Allmacht der Liebe nicht glauben können, wenn unsere Gabe nicht schon ein Sinnbild der Geisteswelt ist.
Als ich meine Dachkammer betrat, erschien sie mir so fremdartig, daß ich lächeln mußte, es war gewissermaßen notwendig, daß ich mich allen Einrichtungsgegenständen erneut vorstellen mußte, was nicht lange dauerte. Ich warf meinen Hut aufs Bett, das noch nicht geordnet war, und sah in das Buch hinein, das von der letzten Nacht her noch aufgeschlagen neben der Kerze lag. Dies alles steht jenseits, dachte ich, eine neue Welt beginnt, es hat sich eine Straße vor mir aufgetan, ich weiß den Weg. Eine unbestimmte Traurigkeit machte mich ruhlos, ein plötzlich erwachtes Bewußtsein für die Sinnlosigkeit alles dessen, was ich bisher zur Erhaltung meines Daseins begonnen hatte, überfiel mich und füllte mich mit Zweifeln am Wert alles Zukünftigen. Auch du wirst alle Fragen der Brust nicht beantworten, Asja, dachte ich, du selbst bist die Antwort, und wenn ich dich nicht habe, so werden meine Kämpfe nicht enden.
Gegen Mittag kam ein Bote aus der Druckerei, um sich nach mir zu erkundigen. Ich schrieb auf einen Zettel, daß ich nicht mehr käme, siegelte den Brief mit dem Wachs der Kerze und war sicher, daß man mich in Ruhe lassen würde. Da draußen im Hof die Sonne schien, entschloß ich mich fortzugehen, aber mein Gewand machte mich nachdenklich und ich nahm den Spiegel von der Wand. Offenbar mußte der Kragen gewechselt werden, aber der andere war in der Wäsche. So nahm ich auch seinen ausdauernden Gefährten ab, suchte mein Halstuch, ergriff Stock und Hut und ging davon. Das Tuch machte mich fröhlich, ich weiß nicht weshalb. Ich, dein Bruder, dachte ich und sprach zu Asja, möchte in Armut und Schande, in Lumpen zu dir kommen. Ist es denn wahr, daß ich von ganzem Herzen glaube, daß deine Augen es nicht einmal sehen würden, es sei denn aus Erbarmen? Ist es wahr, daß die Tage der Menschenwertung nach Erfolg und Besitz eine solche Zuflucht haben, wie dein Sinn es ist?
Ich vergaß über solchen Gedanken die Geldsumme, die ich bei mir trug, wie man auf einem Feldweg die Straßen der Stadt vergißt. Auch als ich zu Asja kam, dachte ich lange Zeit nicht daran, aber als ich mich an ihrem Bett niederließ, empfand ich eine große Müdigkeit,