Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker

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Название Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Историческая фантастика
Серия
Издательство Историческая фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745214710



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Corach traf mit einem großen Tross ein. Gorian und Sheera befanden sich gerade zusammen mit einigen anderen Schülern aller fünf Häuser auf dem Südturm der Ordensburg, denn auf dem Unterrichtsplan stand die Deutung von Himmelzeichen bei Tageslicht, eine Disziplin, die zum allgemeinen Pflichtunterricht für die Angehörigen aller Häuser gehörte und von Meister Fferryn gelehrt wurde, einem Seher, der sich auf die Beobachtung des Himmels und der Gestirne spezialisiert hatte.

      Meister Fferryn war ein kleiner, drahtiger Mann mit weißem Bart, aber ohne einem einzigen Haar auf dem Kopf. Als sich Corach der Ordensburg näherte, hielten die Schüler gerade dunkle Gläser vor ihre Augen, um bei der Beobachtung des Schattenbringers nicht von der Sonne geblendet zu werden.

      „Ich hoffe, es wird sich niemand von euch durch etwas so Unbedeutendes wie einen Kaiser von den wirklich wichtigen Dingen am Himmel ablenken lassen“, mahnte Meister Fferryn, als er merkte, wie das Interesse seiner Hörerschaft rapide abnahm, seit Corach mit seinem Gefolge am Horizont aufgetaucht war. Offenbar hatte er sich mit einer Fähre zum Flusshafen an der Südspitze Gontlands übersetzen lassen, wo sich der Fluss in seine beiden Arme teilte. Hoch zu Ross ritt er seinen Rittern und Landsknechten voran. Auch Ordensmeister befanden sich im seinem Gefolge, darunter mindestens hundert Schwertmeister, die ihn derzeit ständig schützten, eine Maßnahme, die hier und dort genau jene Kritik gegen den Orden wieder hatte aufflammen lassen, die Jahrzehnte zuvor Meister Nhorich geäußert hatte.

      Torbas, der sich ebenfalls unter den Schülern befand, wandte sich an Gorian. „In diesem Punkt hatte dein Vater vielleicht gar nicht so unrecht. Es ist mit der Ehre eines Ordensmeisters nicht vereinbar, sich zu einem Lakaien oder Leibwächter herabwürdigen zu lassen. Kein Ordensmeister, egal, welchem Hause er angehört, sollte so etwas mit sich machen lassen.“

      „Verstehst du bereits genug von den Zeichen des Himmels, dass du es dir leisten kannst, große Reden zu schwingen, anstatt mir zuzuhören?“, rief Meister Fferryn, sichtlich verärgert über Torbas' Unaufmerksamkeit.

      Später wurde ein Fest für den Kaiser gegeben, nachdem dieser sich sehr lange erst mit dem Entscheidungskonvent des Ordens und später allein mit Hochmeister Aberian beraten hatte. Das Fest fand im Palast statt, der sich in der Mitte des inneren Burghofs befand und die letzte Rückzugsmöglichkeit im Falle eines Angriffs war. Die Festhalle im Erdgeschoss war brechend voll, denn der Kaiser hatte darauf bestanden, dass sämtliche derzeit in der Ordensburg befindlichen Meister und Schüler daran teilnahmen. Keiner der Schüler wurde zur Bedienung eingeteilt, wie es normalerweise üblich war; diese Aufgabe übernahmen die Bediensteten des Kaisers, die diesen auf seinen Reisen begleiteten.

      „Der will sich doch nur dem Ordensnachwuchs gewogen machen“, sagte Torbas abfällig zu Gorian, der neben ihm Platz genommen hatte, „damit künftige Hochmeister und kommende Mitglieder des Entscheidungskonvents dereinst auch seinen Erstgeborenen auf dem Heiligreichstag unterstützen.“

      Gorian zur Linken saß Sheera. Im Rahmen dessen, was in dieser Hinsicht auf der Ordensburg erlaubt war, hatte sie sich sogar etwas herausgeputzt. Dass sich Schülerinnen schminkten oder Schmuck trugen, wurde von den Mitgliedern des Entscheidungskonvents strikt abgelehnt, abgesehen natürlich von ordenstypischen Amuletten, die nicht als Schmuck und Tand galten, sondern irgendeine magische Funktion erfüllten. Auch hinsichtlich der Kleidung wurde auf Schlichtheit geachtet, schließlich war das Vorbild aller Ordensleute nach wie vor der legendäre Erste Meister, der schließlich sogar seinen Namen abgelegt hatte, weil er ihn als Ausdruck der Eitelkeit angesehen hatte.

      Aber gegen die Benutzung von Haarspangen hatte niemand im Orden etwas einzuwenden, und so hatte Sheera – wie manch andere Schülerin auch – diesen Spielraum genutzt und sich das Haar hochgesteckt.

      „Du siehst toll aus“, sagte Gorian, der sie aufgrund dieses ungewohnten Anblicks noch öfter als sonst ansehen musste.

      „Danke“, erwiderte sie.

      „Na, wir wollen doch heute Abend nicht den Geist des Ersten Meisters beleidigen, indem wir uns gegenseitig eitle Komplimente machen“, mischte sich Torbas ein. „Oder was meint ihr zwei dazu?“

      Gorian lag eine spitze Erwiderung auf der Zunge, die er allerdings erst einmal herunterschlucken musste, denn in diesem Moment ertönte ein Gong und sorgte für absolute Ruhe.

      Es folgte eine kurze, aber salbungsvolle Begrüßung durch den Hochmeister, dann sprach der Kanzler des Kaisers ebenfalls ein paar freundliche Worte, zu denen Corach IV. – ein schmalgesichtiger Mann mit dunklem, bis zu den Schultern herabhängendem Haar, einem hervorspringenden Kinn und einem exakt gestutzten Backenbart – huldvoll lächelte und durch die eine oder andere Geste sein Wohlwollen dem Orden gegenüber unterstrich.

      Als der Kanzler geendet hatte, winkte ihn der Herrscher zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Kanzler heftig nickte, an den Hochmeister herantrat und diesen die Flüsterbotschaft weitergab.

      „Der Schüler Gorian aus Twixlum möge bitte vortreten“, sagte Hochmeister Aberian.

      „Na, wieder irgendwas angestellt?“, feixte der rothaarige Alrado von der anderen Seite des Tisches her.

      „Tja, so ist er nun mal“, meinte Torbas. „Die Kathedrale ist noch nicht einmal wieder für die unbedarfte Schülerschaft freigegeben, da ist ihm offenbar gleich das nächste Malheur passiert. Hat irgendwer vielleicht an einem der Gebäude in der Burg oder in der Hafenstadt einen kleineren oder größeren Schaden bemerkt?“

      „Sehr lustig!“, fauchte Sheera ihn an. „Spar dir die dummen Sprüche!“

      „Uh, mit ihrer messerscharfen Zunge verletzt diese angebliche Heilerin die sensible Seele eines angehenden Schwertmeisters“, gab Torbas zurück.

      Gorian hatte sich bereits erhoben. Er hatte keine Ahnung, was da auf ihn zukam und was Corach IV. von ihm wollte.

      „Na los, tritt ruhig vor!“, forderte der Kanzler, ein Mann mit Halbglatze und strengen Zügen. Zwischen seinen buschigen Augenbrauen zog sich eine tiefe Furche von der Nasenwurzel bis hinauf zum Stirnende. „Du brauchst nicht schüchtern zu sein.“

      Es dauerte eine Weile, bis sich Gorian durch den überbelegten Festsaal endlich bis zum Kaiser vorgearbeitet hatte. Überall mussten erst Stühle gerückt und ihm Platz gemacht werden.

      Er verneigte sich vor dem Kaiser, dann hob er den Blick.

      „Du bist Gorian aus Twixlum?“, fragte Corach.

      „Ja, der bin ich.“

      „Dein Hochmeister hat viel von dir erzählt, auch davon, dass sich große Hoffnungen mit dir verbinden.“

      „Ich werde mir alle Mühe geben, sie zu erfüllen“, gab Gorian zurück. Hochmeister Aberian hatte doch wohl nicht etwa mit ihm vor dem Kaiser angegeben? Gorian gefiel das ganz und gar nicht. Der Erste Meister würde sich im Grab umdrehen, ging es ihm durch den Sinn - und bereute es schon im nächsten Moment, denn schließlich konnte er nicht sicher sein, ob Aberian seinen Gedanken nicht mitbekam. Falls dem so war, ließ es sich der Hochmeister jedoch nicht anmerken.

      „Ist es wahr, dass du in allen fünf Häusern die Meisterschaft anstrebst, Gorian aus Twixlum?“

      „Ja, das tue ich.“

      „Vor uns liegt eine Zeit vieler Kämpfe, denn sicherlich wird das Frostreich einen erneuten Vorstoß gen Süden wagen. Da werden wir deine besonderen Fähigkeiten brauchen, Gorian. Sag, mir kam zu Ohren, dass du der Sohn von Nhorich dem Abtrünnigen seist.“

      „Auch das ist wahr, o Kaiser.“

      „Es ist schrecklich, was ihm widerfuhr. Ich habe davon gehört, und ganz gleich, warum sich dein Vater vom Orden und auch von meiner Person abgewandt haben mag, was ihm zustieß, wünscht man nicht seinem ärgsten Feind.“

      Gorian fragte sich, was das alles sollte. Warum wollte sich Corach mit dem Nachfahren eines verfemten Ordensmeisters versöhnen, der seinerzeit sowohl am Orden als auch am Kaiser kaum ein gutes Haar gelassen hatte?

      „Ich danke