Название | Kursänderung der C. C. |
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Автор произведения | Roswitha Koert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672405 |
Angelika schrie. Sie versuchte, mit den Händen einen Halt zu finden. Doch ihr Körper wurde von heftigen Erschütterungen hin und her gerissen.
»Oh Gott«, stieß sie gepresst hervor, als Norbert sie mit seinen Armen umfing und versuchte, sie festzuhalten. Ihre Handtasche, die sie auf dem kleinen Tisch abgestellt hatte, fiel polternd herunter. Angelikas Körper rutschte von der seidenen Tagesdecke ab, sie landete auf dem Boden. Wieder schrie sie auf.
»Hast du dir wehgetan?«, keuchte Norbert, bevor er ebenfalls herunterfiel. Er landete auf Angelikas Po und stöhnte auf. Die Laute, die Angelika von sich gab, hatten nichts Menschliches mehr an sich. Sie klangen wie von einem Tier, gequält und animalisch. Ein Koffer fiel um, bedeckte Norberts Beine. Doch er schien nicht darauf zu achten. Sein Körper bäumte sich auf und endlich schrie auch er.
Mit zitternden Beinen ging Angelika ins Bad. Das fing ja gut an. So etwas hatte sie seit Wochen, nein, seit Monaten nicht mehr erlebt oder sogar schon über ein Jahr nicht mehr. Sie betrachtete sich im Spiegel. Über ihrem rechten Auge entdeckte sie eine kleine Schramme, die etwas blutete. »Bestimmt von dem Sturz auf den Boden«, murmelte sie und lächelte ihr Spiegelbild entschuldigend an. Ja, es war etwas hoch hergegangen, gleich, nachdem sie ihre Kabine bezogen hatten.
Sie hatte kaum Gelegenheit, ihr neues Domizil zu betrachten, das sie nun acht Tage beherbergen würde. Norbert war regelrecht über sie hergefallen, hatte sie auf das Bett geschubst, ihre Jeans heruntergezerrt und ihre Bluse aufgerissen. Das teure Stück konnte sie jetzt bestimmt entsorgen.
Egal, es war toll gewesen. Ob das nun jeden Tag so …?
Angelika grinste wieder. Jetzt erst einmal duschen.
Ramil, der philippinische Kabinenboy, hatte ihnen in holprigem Englisch mitgeteilt, dass sie auf Deck 9 ›Francia‹ zu einem Willkommensbuffet erwartet wurden. Dann hatte er ihnen ein mehrseitiges Blatt ausgehändigt, das die Überschrift »Costa Today« trug. Angelika war leider nicht dazu gekommen, sich dieses Informationsblatt näher anzusehen.
»Hoffentlich ist das Ding nicht heruntergefallen und ich habe es mit meinem Körper in Fetzen gerissen«, sinnierte sie, während sie sich das wohlig warme Wasser über den Rücken laufen ließ. Eigentlich schön geräumig, diese Dusche. Sie hatte sich alles etwas enger vorgestellt. Auch die geschmackvolle Einrichtung überraschte sie.
Angelika wickelte sich in ein flauschiges grünes Badetuch, das farblich auf den Teppichboden der Kabine abgestimmt war, und öffnete die Tür. Norbert lag schnarchend auf dem Bett. Typisch, dachte sie. Sie streichelte ihm zärtlich über den leicht gerundeten Bauch und flüsterte in sein Ohr:
»Aufwachen, der Kapitän erwartet uns zum Empfangsbuffet auf Deck 9.«
Norbert brummte etwas, drehte sich auf die Seite und zog die Beine an. Angelika entdeckte unter seinem Körper die Schiffszeitung und zog sie vorsichtig hervor. Ah, Glück gehabt. Sie war noch ganz!
»Civitavecchia, Freitag, 13. Januar 2012 – Willkommen an Bord«, las sie. Aber den Rest der eng bedruckten Bordzeitung würde sie sich nachher ansehen. Jetzt hatte sie Hunger. Und sie wollte endlich Deck 9 kennenlernen.
»Los, Norbert, steh auf. Deine Frau verhungert.«
Angelika kannte ein paar todsichere Griffe, um ihren Ehemann wach zu bekommen. Sie funktionierten immer.
Eine halbe Stunde später wanderten die beiden Hand in Hand den langen Gang von ihrer Kabine zum Fahrstuhl.
Auf dem Flur vor dem Fahrstuhl wartete eine lärmende italienische Familie. Eine bunt gekleidete ältere Dame mit großen goldenen Ohrringen trug ein kleines Mädchen auf dem Arm, das sie hin und her schaukelte und mit lautem Gesang zu beruhigen versuchte. Fast gelang es ihr auch, das Weinen des Mädchens zu übertönen, wenn nicht ein junges Pärchen, wohl die Eltern des Kindes, mit großem Palaver auf die Kleine eingeredet hätten. Als Angelika und Norbert herbeischlenderten, rief die italienische Sippe fröhlich:
»Buona sera, Signora, Signore«, und redete anschließend sofort auf die beiden ein. Norbert versuchte es mit: »Oh, nix comprende, we are German«, doch die Italiener lachten nur laut und plauderten weiter.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und die Wartenden traten in eine glänzende Glaskabine. Die gleißenden Lichteffekte, die sich in Grün-, Gelb- und Rottönen tausendmal im spiegelnden Glas brachen, blendeten Angelika. Sie schloss die Augen, lauschte den sphärischen Klängen einer Meditationsmusik und wartete darauf, dass sich die gläserne Kabine in Bewegung setzte. Langsam schwebten sie nach oben. Angelika blinzelte, dann wagte sie einen weiteren Versuch, den umgebenden Luxus zu würdigen: Vier gläserne Außenfahrstühle schwebten zwischen grünleuchtenden Fassaden durch das riesige Atrium des Schiffs. Monumentale Grafiken in sanften Erdfarben schmückten die Wände.
Schaute man herunter, erblickte man in der Mitte der Lounge auf einem großen Podest einen gläsernen Flügel, über dessen weiß-schwarze Tasten die Finger eines befrackten Musikers flogen. Goldverzierte Wandlampen in Form riesiger Blüten zogen Angelikas Blicke magisch auf sich. Als sie aus dem Fahrstuhl trat, taumelte sie leicht. Ihr Gehirn hatte Probleme, die vielen optischen Eindrücke des Traumschiffes zu verarbeiten.
Auf Deck 9 ›Francia‹ gab es das Buffetrestaurant ›Parigi‹, das Spezialitäten des Küchenchefs in Selbstbedienung anbot, das Grill-Buffet ›Lido Riviera Magica‹, das direkt neben dem Hauptpool lag, den etwas kleineren Grill ›Lido Mediterrano‹ am hinteren Pool und die Pizzeria ›Parigi‹. In jedem Restaurant standen freundlich dreinschauende Herren mit riesigen Kochmützen hinter dampfenden Töpfen, schwenkten Pfannen oder wendeten zart gebräunte Fleischstücke.
Angelika und Norbert suchten sich einen freien Tisch in der Menge und wurden umgehend von einem Kellner in einem rot glänzenden Jackett auf Deutsch angesprochen. »Möchten etwas trinken?«, klang es ihnen freundlich mit asiatischem Akzent entgegen und Norbert bestellte eine halbe Flasche Weißwein und eine Flasche Wasser.
Angelika schlenderte zum Buffet und stellte sich einen riesigen Salatteller zusammen. Norbert stand hinter ihr und sang ihr ins Ohr: »Eine Seefahrt, die macht hungrig, eine Seefahrt, die …«
»Wir sind doch noch gar nicht abgefahren«, lächelte Angelika zurück, worauf Norbert erwiderte: »Was hat dich denn dann so hungrig gemacht?«
Dabei zwickte er ihr unauffällig in den Po und ging dann schnurstracks hinüber zum Grillbuffet, um sich mit einem Berg Lammkoteletts zu versorgen.
Angelika brachte ihren Salatteller zum Tisch und ging dann noch einmal los, um sich ein Hauptgericht auszusuchen. Sie entschied sich für Pangasiusfilet und Scampis, wählte dazu ein Kartoffelgratin und häufte auch etwas von der duftenden Gemüsepfanne auf ihren Teller.
»Wenn das so weiter geht, passt du am Ende der Reise in keine Hose mehr hinein«, warnte ihre innere Stimme, aber heute stellte sich Angelika taub.
Mit dem gut gefüllten Teller stand sie etwas ratlos herum und suchte den Tisch, den Norbert und sie reserviert hatten. Von den kulinarischen Genüssen überwältigt, war sie immer weiter gegangen, von einem Buffet zum nächsten, und nun hatte sie total die Orientierung verloren. Wo war er denn nur ihr Tisch und wo war Norbert?
Ein etwas rundlicher Kellner mit strohblonden Haaren sprach sie an:
»Have you got a problem?«
»Ich finde meinen Mann nicht wieder«, antwortete Angelika und ärgerte sich, dass sie sich mal wieder nicht traute, ein paar Brocken Englisch zu sprechen.
»Oh, wir haben viele nette Männer hier«, lachte der Blonde, »kommen Sie mit, wir suchen einen für Sie aus.«
Er dirigierte sie in die entgegengesetzte Richtung, lief durch eine große, grün glänzende Tür und Angelika beeilte sich, ihm zu folgen.
Tatsächlich entdeckte sie nach einiger Zeit den Tisch, an dem Norbert bereits wieder Platz genommen hatte.
»Thank you very much«, rief sie dem Kellner zu und zerbrach sich insgeheim den Kopf, woher der wusste, wo ihr Tisch war.
»Ich