Eine Alte Dame Ging Hering. Rich Schwab

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Название Eine Alte Dame Ging Hering
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871889



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Zöllner. Mit Haschkötern.«

      »Klar, und Emerson müsste auch dabei sein und wieder vor lauter Panik einen Drei-Gramm-Klumpen Shit runterschlucken und vier Tage glauben, er sei Sandie Shaw, und barfuß rumlaufen und Message Understood singen –«

      »– und nachts nach sechs Flaschen Bier da drauf auf allen Vieren durchs Hoteltreppenhaus kriechen und das Zimmer von der Kellnerin suchen –«

      »– die seit zwei Stunden auf seinem Zimmer liegt und ihn verflucht, weil er nicht auftaucht …«

      »Stimmt«, kicherte er, »war schon besser als die Nacht, wo wir zwei Idioten mal wieder die Schnauze voll hatten von unserer Gastgeber-WG und morgens um fünf im Bus gelandet sind –«

      »– in einer sternenklaren Nacht, mit einem herrlichen Blick über den wunderschönen Talkessel vom selig schlafenden Bern –«

      »– bei elf Grad minus –«

      »– und wir zwei Arschgeigen drängen uns in einem Schlafsack aneinander –«

      »– und versuchen zwischen uns die letzte Flasche Bier aufzutauen –«

      »– und wissen genau, hier haben wir ein klassisches Dilemma: Entweder taut das Scheißzeug nich’ auf –«

      »– und wir haben nix mehr zu saufen –«

      »– oder wir kriegen es getrunken, –«

      »– und müssen noch mal zum Pissen raus –«

      »– und am nächsten Morgen findet irgend so ’ne Schwyzer Mutti mit ihrem Pudel in seinem selbst gestrickten Jäckchen zwei erfrorene Gestalten –«

      »– mit zwei langen, gebogenen Eiszapfen in der Hand!«

      Wir gaben uns klatschend Fünf und stießen klirrend unsere Konjäckchen aneinander, »So was hätten wir damals gebraucht!«

      »Allerdings. Prost, Alter – schon unseren Spaß gehabt, wa’?«

      »Mehr als Schotter jedenfalls – prost, mein Lieber!« Er stand auf, holte sich seine Gitarre, klimperte ein kurzes Intro, und schon waren wir zweistimmig mittendrin in When I think of all the good time I have wasted havin’ good times* … und ließen Stan Getz, der inzwischen Manitas de Plata abgelöst hatte, keine Chance. Prost, Eric, alter Haudegen!

      ***

      »Aah, les bons temps! Très bon, meinö Freundö – isch se’e, ihr amüsiert eusch gut? Bravo! Möschtet ihr vielleischt ein’ klein’ Rundgong machön avec moi

      Klar, schließlich sind wir höfliche Rheinländer, also hieven wir unseren Hintern aus Nastis Nachthemden und machen vergnügt ein’ klein’ Rundgong, um den Pool herum, über eine messing- und mahagonistarrende Brücke, durch zwei, drei Salons, die auch gut ins Kölner Hotel Excelsior gepasst hätten, werfen neidische Blicke in ein gutes Dutzend Schlafkabinen, in denen Liz Taylors Requisiteur arbeitslos an den Nägeln gekaut hätte; bewundern zwei Badezimmer aus einem Sultanspalast, eine Edelstahlküche, die bei dem Wort Kombüse Rostflecken bekäme, eine Funkerkabine, größer und moderner als die meisten Studios, die wir von innen kannten. Unterwegs pinkle ich in eine mitternachtsblaue Kloschüssel und muss einen mit Schnitzereien verzierten Knopf aus Elfenbein drücken, um zu spülen, und eine Art Tigerzahn drehen, um mir die Hände zu waschen. Auch hier säuselt Stan Getz aus einem hinter Ebenholztäfelung versteckten Lautsprecher, und Astrud Gilberto haucht ihre portugiesischen weichen schjaschjas ins Mikro, dass jede Zeile klingt wie ein unzüchtiges Angebot.

      Unser Gastgeber ist spürbar stolz auf sein Bötchen und erklärt wortreich, was wozu an welcher Stelle aus welchem Material aus welchem Land ist.

      »Wie viel Richtige im Lotto muss man denn haben für so was?«, frage ich ihn dreist. Er lächelt feinsinnig-verschmitzt und nutzt die Gelegenheit, mich am Ellbogen zu fassen.

      »Ach, wissen Sie, mon ami, es ist immer besser, die banque zu ’alten als selbst zu spielön.«

      »Und wie kommt man an die Bank? Als junger Monsieur Gérard zum Beispiel, mit einem druckfrischen Abitur in der Tasche?« Da muss er dann doch eine Augenbraue heben.

      »Mir scheint, mein Freund, Sie ’aben von Oscar Wilde ge’ört?«

      »Es gibt keine indiskreten Fragen. Nur indiskrete Antworten«, protze ich mit meiner Halbbildung. Die Augenbraue kommt wieder runter. Der zarte Griff wandert vom Ellbogen hoch auf meine Schulter. Ein kurzes, beifälliges Drücken.

      »Et voilá, exactement. Manschmal man muss sisch vielleischt ein wenisch besser kennenlernen, um die Balance zwischen Diskretion und Indiskretion – eh – zu austarieren?«

      »Und woher stammt Ihr vorzügliches Deutsch?«, macht mein Partner Schönwetter.

      »Oh, Sie schmeischeln mir, junger Freund,« aber zum Dank kriegst auch du eine kleine Nackenmassage, »man kommt ’erum mit die Jahrö – auch in Deutschland man spielt Lotto, n’est-ce pas

      »Tu doch nicht so geheimnisvoll, Gerry – die Jungs könnten doch jeden hier fragen und würden alles erfahren, ehe meine Zigarre kalt ist«, mischte sich eine tiefe Stimme aus einem der Sessel im gelben Salon ein. Ein Bass mit rollenden Rrrs und harten Hs, passend zu dem grün schimmernden Seidenkaftan seines offenkundig orientalischen Besitzers. »Er hatte schon als Achtzehnjähriger ein großes – well, ein besonders großes – Talent: Backgammon«, wandte er sich an uns. »und allein ich habe 1947 schon zwei Tanker an ihn verloren, ehe ich mich auf seine Strategie einstellen konnte, geschweige denn eine eigene finden, haha. Und das einem Araber!« Er deutete eine kurze, spöttische Verbeugung an, »Abdul Fahd Khadamal, sehr erfreut, Gentlemen.«

      »Dabei ’attest du so viele Tanker, dass du das nischt einmal bemerkt ’ättest, wenn es nischt am nächsten Tag in der Zeitung gestandön ’ätte. Und dass deine – eh – Zigarre niemals kalt wird, weiß doch auch jeder.« Das kollernde arabische Lachen ließ keinen Zweifel, dass hier nicht nur von Zigarren die Rede war.

      »Oh, Gerry, hab’ ich dir den Auftritt verdorben? Das tut mir leid, mon cher.« Er patschte sich mit einer fleischigen Hand voller Goldschmuck auf den Schenkel. »Komm her, auf meinen Schoß, ich möchte mich entschuldigen!« Sein breites Grinsen sagte alles andere als ’Entschuldigung’. Bérat ging zu einer Bar aus einem hellen, rotgemaserten Holz und drückte einen Knopf. Eine Sekunde später erschien ein Paar weißer Handschuhe und machte einen Diener.

      »Champagner!« Die Handschuhe verschwanden hinter der Bar und machten sich nützlich. »Ah!«, rief ihr Herrchen, offensichtlich entzückt und erleichtert über die Ablenkung, »meine Kölner Freundö!« Verdutzt guckten ’noh und ich uns erst an, dann um.

      Die drei Stufen hinab kam ein Pärchen, dessen Köpfe Meister Eder ein bisschen verunglückt waren – der Ältere hatte so gut wie gar kein Kinn, der Jüngere das eines Nussknackers. Weswegen ich ihn auch gleich erkannte – Kläusjen Merck, mit seinen gerade mal achtzehn Jährchen eben von der A-Jugend in die erste Mannschaft des FC Köln geholt, mit großem EXPRESS-Trara, weil er der Neffe des Präsidenten Anton Merck war; aber seinen Aufstieg hatte er nicht nur seinem Onkel, sondern vor allem seinem tatsächlichen Talent als Stürmer zu verdanken; einer, den man sowohl auf den rechten als auch auf den linken Flügel stellen konnte, was man ja so oft auch nicht hat. Seine Flanken und Ecken sorgten jetzt schon für feuchte Augen auf der Tribüne wie in der Südkurve.

      Er trug Bermudas und ein Sweatshirt wie aus Seide, im dunklen, fast braunen Rot seines Vereins, mit dem knallgelben Streifen an der Seite, aber erstaunlicherweise ohne irgendwelche Aufdrucke. Trotz seines Kantenkinns hatte er ein verweichlichtes Mündchen und unstete blaue Augen, aber sein Händedruck war kurz, trocken und sympathisch. Wogegen der andere, der mir als FC-Jugendtrainer Rudi Betziger vorgestellt wurde, gleich versuchte, mir die Knochen zu zerquetschen, damit ich nur ja nicht auf die Idee käme, ein fliehendes Kinn könnte Mangel an männlichem Durchsetzungsvermögen bedeuten. Aber versuchen Sie mal