Eine Alte Dame Ging Hering. Rich Schwab

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Название Eine Alte Dame Ging Hering
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871889



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hielten sich. Ein Profi eben. Dafür steckte sie ihm noch einen Schein extra in den bestickten Ausschnitt seines indischen Hemdchens.

      »Ja marvellous, mein Lieber! Please, bitte, spiel Summertime für unsere kleine Entourage, ja?« Und schon förderte sie ein paar weitere Scheinchen aus ihrem Overall, in den wir gut unseren Taunus hätten einwickeln können. Und nach ein paar hingetupften Gitarrenakkorden gab’s Summertime – zweistimmig und reif für die Aufnahmeprüfung der Habbelrather Domspatzen. Glücksschweinchen kriegte feuchte Augen und legte einem ihrer Begleiter, der aussah wie eine panzerlose Schildkröte, ein Pfötchen mit neunzig Karat auf den Oberschenkel. »Oh George, ist das nicht beauuutiful?« George rutschte dem Pfötchen noch ein Stück entgegen, während seine Linke den behaarten Schenkel eines Bürschchens aus Frank’n’Furter’s Rocky-Katalog massierte.

      ’noh legte den Kopf auf meine Schulter und schluchzte los wie ein asthmatischer Esel. Ein paar empörte Shshshshts! und erleichtertes Gekicher ringsum hielten sich die Waage. Ich tätschelte ihm den Kopf, dass es nur so knallte.

      »Nimm et nit eso schwer, Jung – der nächste Winter kommt bestimmt!«, tröstete ich ihn. Glücksschweinchen zischte empört was von Barbarians! und Rocky stand auf und wedelte wichtig mit den Armen, um sich seinen Schampus zu verdienen.

      »Fernand! S’il vous plait!«* Schon kam die hiesige Silberlocke angedackelt, zwei sportliche junge garçons im Schlepptau, und komplimentierte uns hinaus.

      »Assholes!«*, zischte Blondie, als ich an ihm vorbeikam.

      »Anjenehm – Büb!«, erwiderte ich freundlich, »dat is Veedelnoh. We’re children of love, too.«

      ***

      Auf die Art waren dann innerhalb von vier Wochen unsere paar hundert Märker fast alle. Bei sämtlichen Cafés hatten wir mittlerweile ausgeschissen, und unseren Job machten wir meistens spätnachmittags am äußeren Ende der Mole, neben einem vertrockneten Spanier, der am Tag fünf, sechs Möwen in Öl malte – und verkaufte – und sich nicht weiter von uns stören ließ. Er war so alt, dass er wahrscheinlich Kolumbus noch gekannt hatte – und halb taub.

      Wir machten vielleicht fünfzehn, zwanzig Mark am Tag, wenn’s hoch kam, hatten viel Spaß, ständig Kohldampf, aber immer eine Pulle Rotwein. Wenn’s ganz eng wurde, setzte ’noh sich mittwochs und samstags, den Markttagen, neben das Kinderkarussell auf der Place des Lices und spielte ein paar Instrumentals wie Bourrée oder einen Flamenco oder den Säbeltanz, während ich meinerseits meine Fähigkeit verfeinerte, in den beiden Supermärkten drumherum nur die Hälfte meiner Einkäufe zu bezahlen. So hielten wir uns halbwegs über Wasser und wurden zwei-, dreimal die Woche sogar satt. Alles in allem dann doch gar kein so schlechter Urlaub.

      Dann gerieten wir in Françoise und ihren VW-Bus, was uns nach drei Wochen Askese ein paar Nächte viel Freude bereitete, mir aber bald zu anstrengend wurde. In den Tagen darauf zog ich mich daher öfters in die Bucht hinter dem Friedhof zurück, und während ’noh und Françoise Sprachkenntnisse, Kultur und Körpersäfte austauschten, übte ich Gitarre spielen und fing an, ein paar eigene Textideen aufzuschreiben – irgendwann würde schließlich auch dieser Sommer zu Ende gehen …

       9

       Rudi

      Jeder Sommer geht einmal zu Ende …! Was bildete das Jüngelchen sich eigentlich ein, so von oben herab mit ihm zu reden?! Und das Schlimme daran war auch noch, dass es ihn im Innersten tatsächlich verletzte …

      »Und das letzte Nacht?« Der Jüngere lachte und strich sich geziert die Haare aus dem Gesicht, dann tätschelte er dem Älteren spöttisch den Arm. »Ich weiß ja nicht, wie ihr das bei euch am Rhein so handhabt, und eigentlich bist du doch hier der Mann mit der Erfahrung – aber meine Erfahrung ist, dass ich jemanden, mit dem ich geschäftlich zu tun habe – und noch dazu solch ein Geschäft – besser einschätzen kann, wenn ich mit ihm in der Kiste war.« Der Ältere schnaubte.

      »Erfahrung! Woher nimmt ein Bürschchen wie du die?«

      »Oh, hier in Südfrankreich wächst einfach alles schneller. Das Klima, weißt du?«

      Ja, dachte der Ältere, und verwöhnten Gören wie dir wächst ein viel zu großes Maul. Und ich hätte nicht übel Lust, dir eine dicke Lippe zu verpassen, du gerissener kleiner Wichser. Aber er nickte nur mürrisch und nahm eine Gabel voll von seinem Shrimp-Omelett.

      »Natürlich funktioniert das manchmal auch umgekehrt.« Über der Gabel ein fragendes Stirnrunzeln. »Na ja – kann auch sein, dass ein guter Geschäftsverlauf einen erst in Stimmung für ein Nümmerchen bringt.« Wieder lachte der Junge. Und dachte Wenn überhaupt, dann war es bei dir das erstere, du unappetitlicher scheißdeutscher Schwanzlutscher. Ich wusste nur sofort, dass ich dich mit ein bisschen Schweinkram weicher kriegen würde. Oder früher weich. Er nahm ein Glas Pastis und prostete seinem Gegenüber charmant zu. »Hauptsache, wir sind uns einig geworden, oder nicht?«

      Ja, kleines Arschloch, glaub du nur, dass wir uns einig sind – wir werden sehen, wessen Hose als letzte in den Kniekehlen hängt! Mit einem breiten Grinsen griff der Deutsche zu seinem Bier und tippte den Pastis kurz damit an. »Na dann – auf das nächste Nümmerchen, Junge. Vielleicht morgen auf dem Boot? Danke für die Eintrittskarte.« Sie tranken und blinzelten in die Sonne. »Und du bist sicher, dass du das – eh – Organisieren selbst geregelt kriegst?« Der Jüngere erwiderte das Grinsen und wischte seinem Tischnachbarn einen Streifen Bierschaum von der Oberlippe.

      »Du glaubst gar nicht, was ich alles selbst geregelt kriege, Alter.« Aber du wirst es schon noch früh genug merken, boche. Wenn ich das ganze Paketchen … »Noch etwas von diesem köstlichen Salade Niçoise

       10

       Musikunterricht

      »Da hammer den Salat!«, stöhnte ’noh, »Bin ich nich’ zu alt für so’n Quatsch, Büb? Sind wir hier am Eigelstein oder wat?« Er hasste Prügeleien. Gitarristenfinger

      »Schön wär’s – da könnten wir jetzt in den Kölsche Boor gehn und erst mal ein anständijes Bier trinken.«

      »Un’ wat machen wir jetzt mit den Arschgeigen? Ich hab’ keine Lust, meine Klampfe kaputt zu kloppen.«

      »Vielleicht könntest du ihnen deine Knoblauchfahne um die Ohren hauen?«

      »Shit – die sehn doch aus, als seien sie mit Knoblauchmilch gestillt worden!« Das stimmte allerdings. Blondie hatte seine Eskorte in der Gosse von St.Trop’ rekrutiert – drei Jungs, denen »Straßenratte« groß auf der niedrigen Stirn stand. War er wohl doch nachtragend. Children of nature and love – wat hammer jelaach.*

      Saßen wir also hier auf unserer Mole, passten auf die Ölschinken unseres Spaniers auf, der sich »auf ein Viertelstündchen« zu einem kleinen Dämmerschoppen zurückgezogen hatte, tranken ab und zu ein Schlückchen aus der Tequilaflasche, die ich am Vormittag im Hypermarché gefunden hatte, und sahen uns einem unerwarteten Zwei-gegen-Vier-Match gegenüber. Dabei war ich gerade mal froh, dass meine Hinterkopf-Beule abgeschwollen war und meine Schläfenwunde verheilte, ohne genäht werden zu müssen.

      »Ich hab’s euch gesagt: Haut ab aus dem Kaff hier!« grinste Blondie.

      »Diese Amis«, sagte ich zu ’noh, »völlig versaut von Hollywood un’ Fernsehen. ’Diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide, Fremder’, wie?« wandte ich mich an unseren Hippie-Helden. Die drei Ratten zogen sich zu einem