Sie sind nicht krank, Sie sind durstig!. F. Batmanghelidj

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Название Sie sind nicht krank, Sie sind durstig!
Автор произведения F. Batmanghelidj
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783954840533



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      Woran merkt eine Schwangere, dass ihr Wasserbedarf steigt? Ich werde Ihnen ein Geheimnis verraten, hinter das bisher niemand gekommen ist: Die morgendliche Übelkeit einer schwangeren Frau ist ein höchst bedeutsames Durstsignal. Es ist in der Tat das allererste Signal eines Wassermangels, sowohl bei der Mutter als auch beim Fetus, und es entsteht durch die Wasser regulierende Funktion des Histamins.

      Dieses wichtige Signal für den Wasserbedarf des wachsenden Fetus verbindet das sensorische System des Kindes mit den Regulationsmechanismen der Mutter. Die meisten Mütter passen ihre Wasserzufuhr bis zum dritten Monat dem gestiegenen Bedarf an, und die morgendliche Übelkeit verschwindet; Mütter, die dies nicht tun, leisten dem Wassermangel beim Fetus und bei sich selbst aktiv Vorschub. Die Folgen können katastrophal sein.

      Trinkt eine werdende Mutter weiterhin Kaffee, Tee und Alkohol, ohne zugleich genügend Wasser aufzunehmen, beeinflusst sie das physiologische Muster des in ihr heranwachsenden Kindes. Das Kind entzieht dem Ressourcenpool der Mutter die für sein Wachstum notwendigen Substanzen. Zu diesen gehören Wasser, Sauerstoff und die im mütterlichen Kreislauf verfügbaren Aminosäuren. So entscheiden die Menge des aufgenommenen Wassers und die Zusammensetzung der Aminosäuren, die während des intrauterinen Lebens zur Verfügung stehen, über die gesundheitliche „Mitgift“ des Fetus und seine natürliche Entwicklung. Diese wiederum regulieren das nachgeburtliche Wachstum und die weitere Entwicklung des Kindes.

      Wie wichtig der Lebensstil der Mutter für die physiologische Entwicklung des Ungeborenen ist, darüber ist man sich noch nicht ganz im Klaren. Die Mutter ist für eine gesunde, natürliche und auch „biochemische“ Umwelt verantwortlich, in der ihr Kind alle Entwicklungsstufen vom Einzeller bis zum voll entwickelten Säugling durchlaufen kann.

      Wie wir später sehen werden, werden die physiologischen Vorgänge und die biochemischen Stresssignale des Körpers unmittelbar in einen Anpassungs- und Bewältigungsprozess im Hinblick auf einen erwarteten Wassermangel übersetzt, und der Wassermangel selbst sorgt für zusätzlichen Stress. Auf Stress antwortet der Körper mit bestimmten physiologischen und hormonellen Reaktionen. Diesen physiologischen Signalen ist der Fetus schutzlos ausgeliefert. Dieselben Stress-Indikatoren, die Einfluss auf die mütterliche Physiologie nehmen und zur Grundlage für das Anpassungsverhalten der Mutter werden, prägen auch das Kind.

      Wir dürfen nicht vergessen, dass die Systeme der biochemischen Botenstoffe bestimmen, was die Physiologie der Mutter alles registriert. Die Einflüsse eines an der Stressbewältigung der Mutter beteiligten Transmittersystems können sich eventuell auch auf den Fetus auswirken. Sie hinterlassen womöglich biochemische Markierungen im Körper des Kindes, die denen ähneln, die für die Mutter konzipiert worden sind.

      Mit einfachen Worten: Man sollte den Einfluss und die Verantwortung der Mutter nicht unterschätzen, was die Bereitstellung einer „normalen biochemischen Umgebung“ angeht, in der sich der in der Gebärmutter heranwachsende Fetus entwickeln, wohl fühlen und auf sein künftiges Leben vorbereiten kann. Diese Umgebung ist für das ungeborene Kind eine Art Vorschule des Lebens. Was es während seiner intrauterinen „Schultage“ lernt, kann seine Verhaltensweisen und „Stimmungsmuster“ bis ins Erwachsenenalter prägen. Jedes Verhalten und jeder Gedanke der Mutter führen zur Freisetzung kombinierter chemischer Botenstoffe, die auch das Gehirn eines Fetus im Mutterleib kodieren können. Deshalb kann der Lebensstil einer Schwangeren die Chemie eines sich entwickelnden Fetus beeinflussen. Kommt es in ihrem biochemischen System zu einem Ungleichgewicht, muss ihr werdendes Kind ebenfalls damit fertig werden. Es stimmt zwar, dass die Plazenta wie eine selektive Schranke wirkt, doch manche biochemischen Substanzen können, wenn sie im Körper der Mutter vorhanden sind, diese Schranke sogar in verhältnismäßig großen Mengen passieren.

      Kurzum: Die „Chemie“ der Mutter gibt das Muster für die Entwicklung ihres Kindes vor.

      Daher ist es möglich, dass eine werdende Mutter, die übermäßig viel Alkohol trinkt, ein geistig „zerbrochenes“ und lebensuntüchtiges Kind zur Welt bringt. Ein sich entwickelndes Gehirn braucht viel Wasser. Eine der Möglichkeiten, Wasser durch die Zellwand zu schleusen, besteht darin, die Zellmembran in einen Filter zu verwandeln. Kleine, „Brauseköpfen“ ähnliche Perforationen lassen dann nur noch Wasser in die Zelle, im Serum gelöste Feststoffe gelangen nicht hinein. Dieser Mechanismus steht unter der Kontrolle des Hormons Vasopressin, einem Agens, das für das Durstmanagement im Körper verantwortlich ist.

      Man hat nachgewiesen, dass Alkohol sowohl die Bildung als auch die Funktionen von Vasopressin blockiert – im Organismus der Mutter ebenso wie in dem des ungeborenen Kindes. Doch die Gehirnstruktur der Mutter ist bereits ausgebildet, die des Fetus nicht. Ein Vasopressinmangel kann die Entwicklung des kindlichen Gehirns beeinträchtigen und darüber hinaus zu Missbildungen der kindlichen Lunge führen, bis hin zur zystischen Deformation. Da Wasser bei der Regulation aller Körperfunktionen eine so wichtige Rolle spielt, ist es wenig sinnvoll, manche Entwicklungsstörungen, wie bislang üblich, ausschließlich auf genetische Defekte zurückzuführen. Wassermangel könnte ein wesentlicher Faktor sein.

      Plötzlichen Kindstod nennt man den nicht erklärbaren und unvorhersehbaren Tod scheinbar völlig gesunder Säuglinge. Meist geschieht dies im Schlaf. Ein Kind auf diese Weise zu verlieren ist eine der schrecklichsten Tragödien, die man sich vorstellen kann. Jedes Jahr sterben rund 7000 bis 8000 Kinder im Alter von wenigen Tagen bis zu einem Jahr am plötzlichen Kindstod. Am häufigsten betroffen sind Säuglinge zwischen zwei und sechs Monaten. Die Diagnose stützt sich auf den Ausschluss anderer Ursachen und den Autopsiebefund.

      Plötzlicher Kindstod wird in der Regel weder durch das Erbrechen von Milch mit nachfolgendem Ersticken verursacht noch durch Infektionen, Erkältungen oder ansteckende Krankheiten. Seine Hauptursache kennt man bis heute nicht.

      Ich habe lange drüber nachgedacht, welche physiologischen Vorgänge dazu führen könnten, dass ein Kind im Schlaf stirbt. Ich glaube, das einzige vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels plausible Ereignis, das dafür verantwortlich sein könnte, ist eine Verengung der Bronchiolen aufgrund von Dehydration und Wärmeregulationsmechanismen des Körpers – etwa weil das Kind zu fest eingepackt und sein Zimmer stärker als nötig beheizt wurde. Ich würde das als kindliches Asthma bezeichnen. Wenn selbst bei bestehender Behandlungsmöglichkeit ein paar tausend Kinder jährlich an Asthma sterben, warum sollte man es dann nicht auch als primäre Todesursache bei Säuglingen in Erwägung ziehen, die sich im Tiefschlaf nicht bemerkbar machen können?

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      Abbildung 2: Die Filtration des Wassers durch die Zellmembranen

      Auch die Milch, mit der das Kind ernährt wird, kann beim plötzlichen Kindstod eine Rolle spielen. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Muttermilch und Kuhmilch. Kuhmilch ist konzentrierter und enthält mehr Fett und Proteine als Muttermilch. Die Zusammensetzung von Kuhmilch ist abgestimmt auf die Bedürfnisse des Kalbes, das bereits in der ersten Stunde seines Lebens stehen kann, sich zu bewegen beginnt und herumläuft. Das neugeborene Kind kann all das in den ersten Lebensmonaten nicht. Bekommen Säuglinge nur Kuhmilch, um ihren Wasserbedarf zu decken – Eltern wird oft davon abgeraten, Neugeborenen Wasser zu geben –, ist ihr Stoffwechsel mit der Verdauung der konzentrierten Milch überfordert. Dies kann schädliche Auswirkungen haben.

      Autopsien an Kindern, die bei einem Autounfall ums Leben kamen, haben gezeigt, dass die Herzkranzgefäße von Kindern, die mit Kuhmilch ernährt wurden, Teilverschlüsse aufwiesen, die von gestillten Kindern jedoch nicht. Das wurde mir auf einem medizinischen Kongress berichtet. Diese bedeutende Entdeckung ist der Öffentlichkeit bislang vorenthalten worden. Viele Eltern geben ihrem Kind konzentrierte Milch und packen es warm ein, bevor sie es schlafen legen. Im Schlaf geht im Verhältnis zum Körpergewicht des Kindes viel Wasser beim Ausatmen über die Lungen verloren. Diese Tatsache und der Umstand, dass die Milch wahrscheinlich gerade so viel Wasser enthielt, dass sie verdaut werden konnte, führen zu einer Dehydration und zwingen den Körper zu physiologischen Maßnahmen im Dienst des Durstmanagements. Zu diesen „Maßnahmen“ gehört die verstärkte Ausschüttung von Histamin, das bei Kindern auch als