Schattendasein. Michael Albus

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Название Schattendasein
Автор произведения Michael Albus
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783766643100



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zu ihren Familien aufnehmen. Manche sterben in diesen Gefängnissen auch. Sie sind für immer vergessen und vermisst.

      EF

      Also zuerst wurde Faris eingesperrt. Dann nach langem Ringen konntest du ihn rausholen. Dann sperrten sie deinen zweiten Sohn ein. Er ist bis jetzt noch im Gefängnis?

      US

      Ja. Aber nicht nur das! – Sieben Monate später, nachdem Sharif verschollen war, wurde ich selber für einen Monat festgenommen und eingesperrt. Im Morgengrauen klopfte es an die Tür. Als ich aufmachte, standen da zwei in Militäruniformen gekleidete Männer und fragten: „Wo ist dein Sohn Sharif?“ Ich antwortete: Ich weiß es nicht. „Also dann bitte sofort mit uns kommen!“

      Damals war nur meine siebenjährige Tochter Fida bei mir. Sie weinte und schrie: „Bitte nehmt mir meine Mutter nicht weg!“ Die Soldaten beruhigten das Kind und meinten: „Keine Angst, deine Mutter kommt in zwei Stunden wieder.“ Die Soldaten baten mich, mein zweites Kopftuch mitzunehmen. Beim Rausgehen benutzten sie mein zweites Kopftuch dann dazu, meine Augen zu verbinden.

      Fida war nun ganz alleine. Niemand war da. Gott sei Dank wusste sie, wo das Haus der Frau ihres Bruders ist, und ging weinend dahin.

      EF

      Wer hat sich um deine Kinder gesorgt?

      US

      Samira und Faris flüchteten damals, kurz bevor ich festgenommen worden war, in die Türkei zu ihrem Vater, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Amir war ja in einem Gefängnis verschollen. Und die beiden Kleinen, Sharif und Fida, waren allein mit mir. Die Kleine wurde von einer mir bekannten Frau behütet. Scharif drehte durch. Er geriet unter den Einfluss einer schlechten Jugendgruppe und war verloren, vollgedröhnt mit Drogen und Alkohol. Er war erst elf Jahre alt und konnte nicht mit der Tatsache umgehen, dass seine Mutter weg war. Er war total frustriert.

      Die Kinder wussten nicht, wo ich war, wie lange ich im Gefängnis bleiben werde, ob ich lebendig oder tot war, ob sie mich jemals wieder treffen würden. Ich war verschollen. Fida ist bis heute sehr geschockt von diesem Ereignis. Sie übernachtet jeden Abend bei mir im Bett – ihre Arme hat sie dann eng um mich geschlungen. Wenn ich nachts nur kurz auf die Toilette muss, ist sie voller Angst und Schrecken und fragt mich: „Wohin gehst du?“ Das ist bis heute so!

      Das Gefängnis, in das sie mich gebracht haben, war früher eine öffentliche Toilettenanlage, deren Kabinen dann zu Isolationszellen umgebaut wurden. Kannst du dir vorstellen, wie klein so eine Zelle ist? – Ohne Licht, ohne Bett, ohne Decke. Manchmal war ich ganze Tage ohne Wasser und Essen. In der Nacht konnte ich ja nicht einmal meine Beine ganz ausstrecken. Ich musste in Kinderstellung schlafen. Bis heute habe ich dadurch Schmerzen in meinen Beinen. In den ersten drei Tagen musste ich sogar noch diese winzige Zelle mit einer Mutter und ihrer zweijährigen Tochter teilen!

       Basima und Djamila, die dabei sitzen, öffnen ganz weit die Augen und sagen: „Was! Auch ein Kind war da eingesperrt?“

      US

      Ja, sogar Kinder wurden eingesperrt. – Als ich zur Toilette musste, habe ich eine halbe Stunde wild an der Tür geklopft, bis irgendjemand aufmachte. Sehr oft habe ich auf mich selber uriniert, weil ich es nicht mehr aushalten konnte.

      Nach drei Monaten wurde ich entlassen. Der Gefängniswärter ermöglichte es mir, einen Anruf zu machen. Ich rief sofort die Ehefrau meines ältesten Sohnes an.

      Als ich endlich nach Hause kam, umarmte ich als Erstes meine Kinder.

      Nach allem, was geschehen war, blieb ich dennoch in meinem Dorf. Der Gedanke, dass mein ältester Sohn noch im Gefängnis verschollen war, hat mich nicht losgelassen. Jeden Tag ging ich von einem Gefängnis zum anderen und suchte ihn. Von Damaskus bis nach Homs. In jeder Stadt habe ich gesucht. Oft während Bombardierungen und Schießereien. Doch ich bekam kein Lebenszeichen von Amir.

      Ich habe mir sogar einen Rechtsanwalt genommen, hatte aber kein Geld, um ihn zu bezahlen. Deshalb habe ich mich entschieden, meinen Ehering zu verkaufen.

      Der Anwalt antwortete mir nach ein paar Monaten: „Höre auf zu suchen! Amirs Gnade liegt bei Gott. Sei froh, dass dein Sohn nicht im Gefängnis verbrannt worden ist!“ – Viele Gefangene sind in den geheimen Gefängnissen verbrannt worden.

      EF

      Verbrannt? Wirklich verbrannt?

      US

      Ja. Weißt du, wie ein alter Ofen funktioniert? Genau so machen sie es. Sie verbrennen Gefangene genau so, machen Feuer unter ihren Füßen!

      Dieser Satz kam von den Lippen des Anwalts in meine Ohren. Nachdem ich das gehört hatte, bekam ich einen Nervenzusammenbruch!

       Um Scharif erzählte dann, wie Frauen und Männer gefoltert wurden und werden. Ich lasse es hier aus guten Gründen raus!

      EF

      Das sind richtige Monster!!! Nicht einmal wilde Tiere würden so etwas machen!!!

      US

      Gott hat Syrien längst verlassen. Das sind keine Menschen mehr. Das sind Monster.

       Jamila fügt hinzu: „Der Teufel hat dort einen Körper und ein Gesicht bekommen und herrscht dort!

      US

      Ich hatte Angst um meine jüngsten Kinder. Meinem Sohn Sharif wurde gedroht, auch ins Gefängnis geschmissen zu werden.

      Aus diesem Grund entschied ich mich nach langem Nachdenken, mein Heimatland zu verlassen.

      Ich nahm Sharif, Samira, Faris und Fida und flüchtete zuerst in die Türkei. Samira und Faris blieben bei ihrem Vater. Ich versprach ihnen, dass ich die beiden später durch die Familienzusammenführung auch nach Deutschland bringen würde.

      EF

      Also flüchtetest du mit deinen jüngsten Kindern Fida und Sharif?

      US

      Genau. Damals wusste ich aber noch nicht, dass die Zusammenführung von Familien nur für minderjährige Kinder gilt. Jetzt kann ich Samira und Faris nicht nach Deutschland bringen. Meine Familie ist nicht mehr zusammen. Ich leide sehr darunter. Meine Gedanken sind ständig bei Faris und Samira, ganz zu schweigen von Amir, der noch in Syrien im Gefängnis ist.

      Ich kann so nicht auf Dauer in Deutschland bleiben. Ich fühle mich so elend, als hätte ich meine Familie im Stich gelassen. Es hat keinen Sinn, weit weg von meinen Kindern zu leben. Ich will wieder zurück in die Türkei. Dann bin ich wieder vereint mit meiner Familie und näher bei meinem Sohn Amir!

      EF

      Nach all dem Leid und den Gefahren der Reise nach Deutschland willst du wieder zurück?

      US

      Ja. Ich bin durch die Hölle gegangen. Die Reise war sehr schwer. Wir begegneten mehrmals dem Tod!

      Mehrmals musste ich die Zähne zusammenbeißen. Doch ich sagte mir immer wieder: Gott wird uns beschützten! Daraus habe ich Kraft geschöpft.

      Nachdem wir all dies erlebt haben, ist mir eins ganz klar: Mein Leben sind meine Kinder! Wenn ich nicht mit allen meinen Kindern hier in Deutschland leben kann, hat das keinen Sinn. Ich will zurück zu meiner Familie. Von hier aus bin ich auch machtlos. Ich kann meine anderen Kinder nicht unterstützen, ihnen nicht nahestehen, kann meinen ältesten Sohn nicht in die Arme nehmen und trösten, sollte er aus dem Gefängnis herauskommen. Ich weiß, das Leben in der Türkei ist ein hartes Leben, aber ich bin bereit dazu, es auf mich zu nehmen. Inshallah! So Gott will!

      EF

      Danke, Um Sharif, dafür, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast! Inshallah! Hoffentlich bist du bald wieder mit deiner Familie vereint!

      Hassim und Abbas, zwei Jugendliche aus Syrien

       Hassim kommt fröhlich und lachend ins Büro. Er sprudelt immer voll