Stress bei Hunden. Clarissa v. Reinhardt

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Название Stress bei Hunden
Автор произведения Clarissa v. Reinhardt
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783936188646



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weitgehend verträglich sind und keine unnötigen Kämpfe ausfechten. Man kann hier also von einer durchaus sinnvollen Koppelung von Sexualhormonen und Aggressionsbereitschaft sprechen.

      Anders verhält es sich bei Hunden: Die Rüden sind, anders als bei den Wölfen, an keine spezielle Paarungszeit gebunden und reagieren das ganze Jahr über auf läufige Hündinnen. Leben in ihrer Umgebung viele Hündinnen, kommt es natürlich sehr häufig vor, dass eine von ihnen läufig ist und der Rüde entsprechend durch einen erhöhten Testosteronspiegel auch eine erhöhte Aggressionsbereitschaft gegen andere männliche Hunde zeigt.

      Auch lang anhaltender Stress oder häufig wiederkehrende Stress-Situationen können unter bestimmten Umständen zu einem erhöhten Sexualhormonspiegel im Blut führen. Das Testosteron wird in diesem Fall durch die Nebennierenrinde ausgeschüttet, deshalb lassen sich erhöhte Blutspiegel bei beiden Geschlechtern feststellen. In der Folge zeigen betroffene Hunde häufig eine niedrigere Reizschwelle für aggressives Verhalten. Das bedeutet nicht, dass jeder gestresste Hund immer und sofort aggressiv reagiert. Es kann aber bedeuten, dass der Hund in bestimmten Situationen heftiger reagiert als sonst und mit bisher problemlosen Begegnungen wie zum Beispiel mit Joggern, Radfahrern oder anderen Hunden nicht mehr umgehen kann.

      Ein durch Stress und/ oder durch die ständige Begegnung mit läufigen Hündinnen dauerhaft erhöhter Testosteronspiegel bleibt nicht ohne gesundheitliche Folgen. Eine mögliche Folgeerkrankung ist beim Rüden die Vergrößerung der Prostata. Anders als beim Menschen macht sich dies nicht durch eine Verengung der Harnröhre, also Probleme beim Wasserlassen bemerkbar. Beim Rüden drückt die vergrößerte Prostata auf den Enddarm und verursacht Probleme beim Absetzen des Kotes.

       REAKTIONEN AUF STRESS

      Wenn ein Hund bald nach Betreten des Hundeplatzes Kot absetzen muss, obwohl er gerade von einem ausgiebigen Spaziergang kommt, ist oft Aufregung und/ oder Stress die Ursache.

      Auch andere Symptome oder Verhaltensweisen, die man beim Hund beobachten kann, stehen in direktem Zusammenhang mit der Auswirkung von Stress. So hat zum Beispiel der Ausspruch „Ich mache mir vor Angst in die Hose“ durchaus einen physiologischen Hintergrund und gilt gleichermaßen für Mensch und Tier. Durch große Angst oder durch einen plötzlichen Schreck wird über die Adrenalinausschüttung und die Aktivierung des sympathischen Nervensystems dem Enddarm signalisiert, Kot abzusetzen.

      Wenn ein Hund bald nach Betreten des Hundeplatzes Kot absetzen muss, obwohl er gerade von einem ausgiebigen Spaziergang kommt, ist oft Aufregung und/ oder Stress die Ursache. Man könnte hier vom beinahe schon obligatorischen „Trainingshaufen“ sprechen. Keinesfalls ist es sinnvoll, den Hund dafür auszuschimpfen oder gar zu bestrafen, dass er mal muss! Auch die auf vielen Hundeplätzen üblichen Ermahnungen an den Hundehalter, seinen Vierbeiner keinesfalls „…auf den Platz scheißen“ zu lassen, geschweige denn die Unsitte, Geldstrafen für die Vereinskasse zu fordern, muten geradezu absurd an, wenn man die Ursache für dieses Koten kennt. Auch das Argument, andere Hunde auf dem Platz würden durch die Geruchsmarkierungen (sei es durch Kot oder Urin) abgelenkt und könnten sich dann nicht mehr richtig auf ihre Kommandos und Anweisungen konzentrieren, ist bei näherer Betrachtung unsinnig. Denn wo können wir schließlich mit unserem Hund spazieren gehen, ohne dass er durch Tausende von Geruchsmarkierungen abgelenkt würde, und trotzdem soll er – selbstverständlich! – auf Kommandos reagieren und gehorchen. Hat Ihr Hund also auf dem Hundeplatz das Bedürfnis, einen Haufen zu machen, lassen Sie ihn dies bitte in aller Ruhe tun, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Wird diese „Hinterlassenschaft“ anschließend von Ihnen entsorgt, gibt es auch keine Probleme mit der Verunreinigung des Trainingsgeländes.

       REAKTIONEN AUF STRESS

      Ein Rüde, der ständig und überall auf dem Hundeplatz markiert, ist nicht unbedingt „dominant“, sondern steht eventuell unter starkem Stress.

      Auf Ausstellungen kann man sehr häufig Hunde beobachten, die an Durchfall leiden. Auch hier ist die Ursache meistens Stress. Die Enge und der Lärm in den Ausstellungsräumen, verbunden mit den vielen fremden Menschen und Artgenossen überfordern viele Hunde. Durch den andauernden Stress wird der Wasserhaushalt derartig aus dem Gleichgewicht gebracht, dass es zu Durchfall kommt.

      Werden dem Hund häufig solche Situationen zugemutet, sind chronische Durchfälle die Folge. Nicht selten konsultiert der ratlose Hundehalter dann diverse Tierärzte, probiert die verschiedensten Diäten oder Heilmittel aus, ohne zu einem zufrieden stellenden Ergebnis zu gelangen. Kein Wunder, denn Ursache des Durchfalls ist nicht eine Darminfektion, sondern Stress.

      Auch Blase und Nieren werden von Stresshormonen beeinflusst. Das bei Stress ausgeschüttete Aldosteron bewirkt zusammen mit Adrenalin eine Anregung der Nierentätigkeit und so eine verstärkte Wasserausscheidung. Ein Rüde, der ständig und überall auf dem Hundeplatz uriniert, ist nicht unbedingt „dominant“, sondern steht eventuell unter starkem Stress.

      Auch andere für den Hund belastende Situationen machen sich durch vermehrten Harndrang bemerkbar. Der Dalmatinerrüde Dandy zum Beispiel muss nicht oft allein zu Hause bleiben. Ist dies aber doch einmal der Fall, gibt er bei der Rückkehr seiner Halterin deutlich zu verstehen, dass er raus muss, obwohl es eigentlich noch nicht an der Zeit für die nächste Gassi-Runde ist. Endlich draußen, bleibt er deutlich länger als üblich am nächsten Baum stehen, um seine Blase zu entleeren. Auch uns Menschen geht es nicht anders. Ob Führerscheinprüfung oder Gang zum Traualtar – meistens wird kurz vorher noch die Toilette aufgesucht…

      Permanenter Stress kann auch an Blase und Nieren Krankheiten hervorrufen. Vor allem, wenn die Möglichkeit fehlt, die Blase ausreichend häufig zu entleeren, kann der ständige Druck auf die Blase zu Inkontinenz führen, was bedeutet, dass der Hund den Urin nicht mehr kontrolliert halten kann und unsauber wird. Durch den anhaltenden Druck in der Blase staut sich der Urin im Nierenbecken, wodurch auch die Niere geschädigt werden kann.

      Ist ein Hund häufig krank, leidet er an Allergien oder infiziert er sich grundsätzlich mit jedem Magen-Darm-Virus, der im Umlauf ist, muss an eine Erkrankung des Immunsystems gedacht werden. Wie schon erwähnt, kann das bei Stress ausgeschüttete Cortisol das Immunsystem schwächen.

      Auch ein Hund, der ständig hechelt, hat eventuell ein Stressproblem. Durch die Adrenalinwirkung werden Kreislauf und Atmung beschleunigt, was sich beim Hund neben einem erhöhten Puls auch durch Hecheln bemerkbar macht. Hechelt ein Hund zum Beispiel permanent beim Autofahren, so muss nicht nur die Innenraumtemperatur überprüft werden, sondern auch, ob der Hund grundsätzlich Angst vor dem Mitfahren im Auto hat und deshalb stressbedingt hechelt.

      WICHTIG: Nicht nur die bisher geschilderten Beispiele von Hunden, die mit Überforderung, Angst oder Krankheit zu tun hatten, verweisen auf Stress als Ursache. Selbst Erlebnisse, die wir als positiv bewerten würden, wie zum Beispiel das Spielen mit dem Ball, können Stress auslösen. Sehr positive, überraschende Ereignisse regen nicht nur Hunde, sondern auch uns Menschen auf.

      Stellen Sie sich vor, jemand überbringt Ihnen die Nachricht, dass Sie fünf Millionen Euro im Lotto gewonnen haben. Würden Sie da ruhig sitzen bleiben und denken „…ach Gott, das ist ja nett…“? Bestimmt nicht! Sie würden jubeln, sich freuen, Ihr Pulsschlag wäre beschleunigt, Sie wären aufgeregt. Oder denken Sie an ein Kind, das heute seinen Geburtstag feiert. Viele Freunde sind eingeladen, es gibt Geschenke, Verwandte kommen zu Besuch, Spiele werden gespielt. Dieser kleine Mensch steht den ganzen Tag im Mittelpunkt des Geschehens – und ist entsprechend aufgekratzt, kann abends nicht einschlafen, muss immer