Stress bei Hunden. Clarissa v. Reinhardt

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Название Stress bei Hunden
Автор произведения Clarissa v. Reinhardt
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783936188646



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Stressoren wie zum Beispiel Isolation bei der dauerhaften Ausgrenzung des Hundes aus unserem Lebensumfeld. Auch das Zusammenleben von Hunden oder von Mensch und Hund mit mangelnder Passung stresst.

       Vornehmlich psychische Stressoren wie Konflikte, Unkontrollierbarkeit, Angst, Trauer, Trennungsangst und Erwartungsunsicherheit.

       Innere Stressoren wie Krankheiten, Behinderungen.

      Größere Veränderungen der Lebensumstände wie der Tod einer Bezugsperson, Umzug etc. können ebenso als Stressoren erfahren werden wie kleine Widrigkeiten des Alltags, wenn diese sich summieren.

      Die Reaktion auf Stress kann in drei aufeinander folgende Phasen unterteilt werden:

       Die AlarmreaktionsphaseIn dieser Phase führt das Zusammenspiel von Nervenimpulsen und Hormonausschüttungen zur optimalen Reaktionsbereitschaft.

       Die WiderstandsphaseIn dieser zweiten Phase ist der Widerstand gegenüber dem Auslöser erhöht und gegenüber anderen Reizen herabgesetzt. Dies bedeutet, dass der Bewältigungsversuch zu Lasten der Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen Stressoren geht.

       Die ErschöpfungsphaseHält der Stress zu lange an, kann der Organismus ihm trotz der ursprünglich erfolgten Anpassung nicht mehr standhalten. Die Symptome der Alarmreaktion aus Phase 1 stellen sich wieder ein, sind jetzt aber dauerhaft. Diese anhaltende Hochspannung kann im Zusammenwirken mit anderen Risikofaktoren zur Ausbildung organischer Krankheiten und im Extremfall sogar zum Tod führen.

      Nehmen wir also an, am heutigen Tag wird ein Hund im Tierheim abgegeben, weil sein Besitzer ihn nicht mehr halten kann oder will. Der Hund verliert somit nicht nur seine Bezugsperson, sondern auch sein gesamtes soziales Umfeld, die gewohnte Umgebung, seine angestammten Spazierwege, vertraute Tagesabläufe. Gleichzeitig findet er sich in einer Umgebung – dem Tierheim – wieder, die ihm fremd ist, in der er sich vollständig neu orientieren und Sicherheit aufbauen muss. In den meisten Tierheimen ist es zusätzlich ziemlich laut, der Bewegungsspielraum in den Zwingern oder Boxen ist sehr eingeschränkt, es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten und häufig riecht es auch streng, schon für unsere Nase. Man kann sich also leicht vorstellen, dass der Stresslevel dieses Hundes enorm steigt, der gesamte Organismus ist in Alarmreaktionsbereitschaft.

      Bleibt dieser Hund nun für einige Zeit im Tierheim, gewöhnt er sich scheinbar an die Situation. Das Bellen im Hundetrakt, der Geruch, die Enge scheinen ihm nicht mehr so viel auszumachen wie anfangs. Gleichzeitig kann man aber beobachten, dass er gegenüber Artgenossen nicht mehr so gelassen und souverän reagiert, wie man es von ihm gewohnt war, und bei den Gassi-Gängen pöbelt er plötzlich Jogger und Radfahrer an, was er früher nicht getan hat. Mit anderen Worten: Der Hund befindet sich in der Widerstandsphase. Seine Toleranz gegenüber den Reizen im Tierheim ist gestiegen, dafür hat er aber weit weniger Reserven, wenn es um die Begegnung mit weiteren Anforderungen geht.

      Schließlich kann es passieren, dass der Hund in die Erschöpfungsphase gerät, wenn sich über einen längeren Zeitraum keine Verbesserung seiner Lebensumstände erreichen lässt. Man liest dann traurige Meldungen wie „Der Deutsche Schäferhund Jerry ist seit Jahren im Tierheim, nun hat er alle Hoffnung verloren und gibt sich auf. Wer kann ihm helfen?“ in den Tierschutzverteilern im Internet. Diese Hilferufe für Hunde, die sich – neudeutsch ausgedrückt – im Burnout befinden, lassen erahnen, welch unglaubliche Stressbelastung sich in ihnen aufgebaut hat.

      DIE PHYSIOLOGIE DES STRESSES

       WAS PASSIERT EIGENTLICH IM KÖRPER, WENN MAN IN STRESS GERÄT?

      Sobald der Körper in Stress gerät, werden verschiedene Hormone ausgeschüttet, die man zusammengefasst als Stresshormone bezeichnen kann. Sie verändern zahlreiche Körperfunktionen. Um diese Veränderungen besser verstehen zu können, ist es notwendig, zunächst den Normalzustand zu betrachten. Um den Normalzustand, die so genannte Homöostase aufrechtzuerhalten, gibt es im Körper verschiedene Regelkreise mit negativer Rückkoppelung. Das bedeutet: Sobald ein Hormon ausgeschüttet wird und eine bestimmte Konzentration im Blut erreicht, hemmt dieses Hormon gleichzeitig jene Faktoren, die die Ausschüttung dieses Hormons fördern. Mit anderen Worten hemmt das Hormon ab einer gewissen Konzentration seine eigene Neubildung. So wird unter Normalbedingungen erreicht, dass die Konzentration im Blut auf eine konstante Größe reguliert wird.

      Für das Hormon Cortisol, das bei Stress vermehrt ausgeschüttet wird, kann man diesen Regelkreis wie folgt beschreiben: Die oberste Instanz zur Regulierung der wichtigsten Körperfunktionen, wie die Wärmeregulation, der Schlaf- Wach-Rhythmus, die Blutdruck- und Atmungsregulation, die Steuerung der Nahrungsaufnahme, des Fettstoffwechsels und des Wasserhaushalts ist der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns. Im Hypothalamus werden Botenstoffe, so genannte Hypothalamushormone gebildet und bei Bedarf ausgeschüttet. Ein solches Hormon ist das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH). Das vom Hypothalamus ausgeschüttete CRH wird direkt zur Hirnanhangdrüse, der Hypophyse, transportiert. In der Hypophyse wird ein weiterer Botenstoff, das Adreno-Corticotropin-Hormon (ACTH) in den Blutkreislauf abgegeben. Mit dem Blut gelangt das ACTH zur Nebennierenrinde und bewirkt dort unter anderem, dass Cortisol ausgeschüttet wird.

       Grafik 1: Darstellung der negativen Rückkoppelung am Beispiel des Cortisols

      Wird vermehrt Cortisol ausgeschüttet, kommt es zu dem oben erwähnten negativen Rückkoppelungsprozess, denn das ausgeschüttete Cortisol hemmt die weitere Bildung von ACTH und somit die weitere Freisetzung von Cortisol. Dies ist wichtig, damit es nicht zu einer Überproduktion von Cortisol im Körper kommt (siehe Grafik 1).

      Cortisol gehört zur Gruppe der Glucocorticoide, die eine Erhöhung der Konzentration von Glucose (daher der Name GLUCO-Corticoide), Aminosäuren, freien Fettsäuren und Harnstoff im Blut bewirken. Dadurch wird für alle Körperzellen mehr Energie bereitgestellt. Gleichzeitig beeinträchtigt Cortisol die körpereigenen Abwehrkräfte, indem es die Proteinsynthese (den Eiweißaufbau) der Lymphozyten hemmt und so weniger Abwehrzellen zur Verfügung stehen. Die bekannteste Eigenschaft des Cortisols ist die entzündungshemmende Wirkung. Sie entsteht durch eine Blockade von Entzündungsbotenstoffen, der so genannten Zytokine.

      Neben dem Cortisol bildet die Nebennierenrinde noch weitere Hormone. Das zu den Mineralcorticoiden gehörende Aldosteron hat durch die Regulierung der Mineralstoffe Kalium und Natrium eine wichtige Funktion im Wasserhaushalt des Organismus. In geringen Mengen werden auch von der Nebennierenrinde anabole Sexualhormone wie zum Beispiel Testosteron ausgeschüttet. Testosteron hat eine anabole, das heißt eine Muskel aufbauende Wirkung und beeinflusst auch die Psyche. Eine höhere Konzentration von Testosteron, vor allem durch die Hormonproduktion im Hoden der männlichen Tiere, steht zum Beispiel in Zusammenhang mit einer höheren Aggressionsbereitschaft, wofür es besonders im Tierreich zahlreiche Beispiele gibt.

      Durch Stress wird der Normalzustand des Regelkreises verändert. Die erste Reaktion des Körpers auf Stress, sei es durch emotionale Anspannung oder durch große körperliche Anstrengung, ist die Ausschüttung von Adrenalin aus dem Nebennierenmark. Dies geschieht durch Erregung des Sympathikus, einem Teil des vegetativen Nervensystems. Die Aktivierung des Sympathikus und die damit verbundene Adrenalinfreisetzung erfolgt unbewusst und innerhalb von Sekundenbruchteilen. Sicher kennt jeder Mensch