Название | Highway 61 Revisited |
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Автор произведения | Mark Polizzotti |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871551 |
Drei Jahre später und mit ein bisschen Energie fand er die Antwort.
Es ist ja nicht so, als wären wir nicht gewarnt worden. Bringing It All Back Home, das gerade mal fünf Monate vor Highway 61 veröffentlicht wurde, beginnt mit dem rauhen elektrischen Angriff von »Subterranean Homesick Blues«, dessen Klang und maschinengewehrartiger Vortrag Woody Guthrie mit Chuck Berry verschmilzt. Die A-Seite endet mit »Bob Dylan’s 115th Dream«, einer quäkenden Neufassung früherer Lieder wie dem »Talkin’ World War III Blues«, wo Dylan den Einsatz elektrischer Unterstützung noch dadurch unterstreicht, dass er den Fehlstart wiederholen lässt, den ihn und seinen Produzenten in hysterisches Gelächter ausbrechen lässt, weil die Band nicht rechtzeitig einsetzt. Die B-Seite scheint bei oberflächlicher Betrachtung ein Zugeständnis an die Folkpuristen zu sein, tatsächlich aber zieht »Mr. Tambourine Man« den Sänger textlich auf völlig anderes Terrain, hinein in einen vagen Tanz, der seine Stiefelabsätze weit weg wandern lässt von jenen Sorgen, die Pete Seeger und Co so lieb und teuer sind. »Gates of Eden« und »It’s Alright, Ma«, die in einem einzigen langen Take zusammen aufgenommen wurden, erlauben einen frühen Blick in jene Richtung, in die Dylans verbale Fluchten ihn noch führen werden. Und der letzte Track »It’s All Over Now, Baby Blue« mit seinen triumphierenden Beleidigungen und dem traurig-spöttischen Ton ist mit Ausnahme des Arrangements schon ein klarer Fingerzeig in Richtung »Like a Rolling Stone«, Dylans nächster Veröffentlichung.
Trotz all des fiebrigen Gerassels gelingt es Bringing It All Back Home immer noch, im Wesentlichen wie elektrisierter Folk zu klingen. Dylan ist dafür bekannt, dass er Aufzeichnungen lieber »live« einspielt, was heißt, dass alle Musikern gleichzeitig aufgenommen werden statt im Nachhinein getrennt aufgenommene Tonspuren übereinanderzulegen. Die Songs hören sich trotzdem so an, als wären sie im Wesentlichen Solostücke, auf die dann Instrumentalspuren geschichtet wurden. Die frühe reine Akustik-Aufnahme von »Subterranean Homesick Blues« zum Beispiel klingt überraschenderweise schon fast wie die fertige Aufnahme, wobei der Unterschied weniger in der Abwesenheit von Al Gorgonis Elektrik liegt als daran, dass Dylans Schnellfeuergesang noch nicht perfekt ist.
Highway 61 hingegen nutzt die üppige Instrumentierung der Mitstreiter dazu, eine komplexere Klangwelt und einen volleren Sound zu erschaffen. Nun sind die Musiker nicht mehr nur zur Begleitung da wie noch auf Bringing It All Back Home (oder bei anderen Folksängern wie Tim Hardin oder Richard Fariña, die in dieser Zeit mit elektrischer Unterstützung experimentierten), sondern werden zum integralen Bestandteil des Geschehens. »Ich wusste, dass ich [den Song] mit einer Band singen musste«, erzählte Dylan dem Journalisten Ralph J. Gleason über »Rolling Stone«. »Ich singe immer, wenn ich schreibe, auch Prosa, und ich hörte es auch so.«v17 Von Mike Bloomfields klagender Leadgitarre über Dylans tiefenlastige Strums bis zur widerhallenden Spritzigkeit von Bobby Greggs Schlagzeug ist der Gesamtsound des Albums eine unentwirrbare Verschmelzung unterschiedlicher Instrumente. Und was Highway 61 möglicherweise am meisten unterscheidet sind die Strand-ähnliche Weite und die wolkigen Strudel von Al Koopers Orgelspiel: auf Bringing ist die Orgel gar nicht vorhanden, auf Blonde on Blonde dünner und eindringlicher, hier aber donnert, wirbelt und schleift sie und umspült die restlichen Instrumente wie mit zähflüssigem, umhüllendem und elementarem Schlamm. Diese Musik holt sich den Rock’ n’Roll zurück, den Dylan in seiner Jugend geprobt hatte: Musik, die geschrieben wurde, um laut und vulgär gespielt zu werden, eine Jugendliebe, der er nie ganz abgeschworen hatte.
1965 schrieb ein Rezensent: »Dylan hörte sich immer an wie ein Lungenkrebsopfer, das Woody Guthrie singt. Jetzt klingt er wie ein Rolling Stone, der Immanuel Kant singt.«v18
Highway 61 strahlt ebenso wie Bringing It All Back Home und Blonde on Blonde eine gewisse Jugendlichkeit aus, die später nie mehr wirklich zum Vorschein kommt. Zuvor hatte Dylan behauptet, »jetzt jünger als das« zu sein, aber die uralte Müdigkeit blieb und löste sich so lange nicht wirklich auf, bis er seinen Weg zurück zu seinen R&B-Wurzeln fand.
Textlich erkunden und erweitern die Lieder auf Highway 61 eine Richtung, die auf den früheren Alben schon zu erkennen war, der hier aber freier Lauf gelassen wird: Die Texte bemühen sich nicht darum, die Außenwelt journalistisch abzubilden, sondern öffnen den Blick in die innerste Wirklichkeit des Verfassers – was in zunehmendem Maße der Blick auf die schwindelerregende Erfahrung eines Mannes bedeutete, der plötzlich mit einem absurden Ausmaß an Ruhm zurechtkommen muss. Und diese Erfahrungen werden nicht in die »Stammessprache« übertragen, wie Mallarmé das nannte, sondern in ein Idiom, das das Chaos im Inneren in seinem vollen Umfang widerspiegelt anstatt es wie früher (vor allem in »Gates of Eden« und »It’s Alright, Ma«) nur flüchtig aufblitzen zu lassen. »Man kann sich nicht vorstellen, wie es war, damals Bob Dylan zu sein«, erinnerte sich sein Freund David Blue:
»Am einen Tag war er noch ein respektierter junger Liedermacher – am nächsten war er dieses Ding – die Stimme einer Generation. Der Mann, der alle Antworten hat. Alle wollten was von ihm, dauernd. Sag mir, was ich denken soll. Sag mir, für was ich stehen soll. Es war gnadenlos. Du oder ich hätten diesem Druck nicht standgehalten (…) Und Dylan hat das nicht nur ausgehalten, sondern er hat trotzdem weiter großartige Sachen gemacht, zu seinen eigenen Bedingungen. Aber während sein Leben immer surrealer wurde, wurde auch sein Schreiben immer surrealer.«v19
Man stelle sich die Überwältigung und das heillose Entsetzen vor angesichts des Wandels innerhalb eines Zeitraums von gerade mal vier Jahren von einem schüchternen, unbekannten Talent, das nur durch seinen natürlichen Charme und den festen Glauben an sein gottgegebenes Talent aufrecht gehalten wird, zu einem Teenie-Idol. Dylan hätte nie erwartet, wie sehr ihn das mitnehmen würde. In einem offenen Brief an das Broadside-Magazin schrieb er dazu:
»Manchmal wird es so schwer für mich
Ich bin jetzt berühmt
Ich bin jetzt berühmt nach den Regeln der
öffentlichen Berühmtlichkeit*7
es schlich sich an mich an
und pulverisierte mich ...
ich zitier mal Hr. Froid
Ich werd ziemlich paranoid ...«
In dieser Hinsicht scheint mir Highway 61 Revisited Dylans authentischstes Album zu sein, definitiv dieser Zeit, vielleicht sogar seiner gesamten Karriere. Dylan stellte zwar immer eine persona dar, was etymologisch stringent bedeutet, dass er immer Masken getragen hat: erst die der zartwangigen Unschuld seiner Folksänger-Tage, dann die mit Kinngestrüpp während seiner Country-Periode oder die unverhohlene, weiße Gesichtsbemalung der Rolling Thunder-Revue. Dagegen scheint Highway 61 der einzige Zeitpunkt zu sein, zu dem er uns und sich selbst zeigt, wie denn dieser Bob Zimmermann tatsächlich aussieht und klingt, das einzige Mal, dass er uns auffordert zu verstehen, wie sich das in Wirklichkeit anfühlt, Bob Zimmermann zu sein: ein Rock’n’Roll-Gör mit dunkler Fantasie, tonnenschwerer Attitüde und kiloweise Unsicherheit. Indem er den elliptischsten seiner Stoffe lieferte, machte er seine klarste Aussage.
Und wie bei jeder Verallgemeinerung dieser Art gibt es auch hier eine Einschränkung. Dylan probierte während seiner gesamten Karriere Stile und lotete Aspekte seiner Persönlichkeit aus, um sie dann – oft lange bevor der Rest der Welt eine Chance hatte, mit ihm Schritt zu halten – wieder aufzugeben. »Restless Farewell«, seine Abschiedserklärung auf The Times They Are A-Changin’, ist nicht nur beispielhaft für das Ende seiner reflektierten, ernsthaften Phase der »Schuldzuweisung«, sondern auch für ein zusammengesetztes Flickwerk aus Originalstücken und den Leistungen anderer (in diesem Fall vom althergebrachten »Little Moses«, den er wahrscheinlich sowohl auf Harry Smiths Anthology als auch bei Baez gehört hat); und ganz allgemein als Hinweis darauf, dass er sich unabhängig davon, wo er sich gerade an einem bestimmten Tag befinden wird, in kurzer Zeit wieder »auf den Weg [macht] (…) und [sich] nen Dreck drum schert«.*8
In der persönlichen