Название | Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf |
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Автор произведения | Dolf Hermannstädter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870271 |
Momentan weiß ich nicht wann dieses Heft rauskommen wird. Ich weiß auch nicht ob wir eine Sommerpause machen werden und das nächste TRUST erst wieder im September bringen werden. Ich weiß aber sehr gut, dass uns noch Sachen fehlen, da der gute Thomasso wieder als Auslandskorrospondent in San Francisco sitzt und die Dinge noch nicht hier sind. Viel schlimmer – er wird auch noch einige Zeit dort bleiben. Ich weiß auch, dass ich den letzten Monat unterwegs war und deshalb jetzt so brutal ranklotzen muß. Der liebe Julian wurde auch noch an die Ostküste der USA verschlagen, war/ist also auch nicht zugegen. Die Stellung haben hier nur tapfer Mitch und Alex gehalten. Außerdem weiß ich auch, dass ich in ein paar Tagen wieder einige Wochen unterwegs sein werde. Mittlerweile frag ich mich manchmal schon selbst, wie es immer wieder klappt das Heft doch noch fertigzustellen. Aber wie ihr seht, es klappt. Damit kein falscher Eindruck entsteht und die Leute meinen, dass es kein Wunder ist, dass alles so stressig ist, wenn ich die ganze Zeit im Urlaub bin. Bin ich nicht.
Do what you want to do. Ich mach eh was ich will. Man sieht sich.
Trust #19 – September 1989
Soll ich mich jetzt drüber aufregen oder drüber lachen? Ich werd wohl drüber schreiben. Es geht um das weitverbreitete Problem, dass sich viele Leute ihre Meinung über andere bilden, ohne sie zu kennen. Ich geb da gleich mal ein Beispiel aus der Realität. Ich kenne beide Personen nicht persönlich, unterstelle ihnen aber, dass sie irgendwas an der Kappe haben. Das schließe ich daraus, was diese Personen – beide geben Fanzines heraus – schreiben und was mir andere Leute über sie erzählen. Ich betone nochmals, ich unterstelle den Personen das!! Das heißt noch lange nichts, und ich bin gerne bereit meine Meinung (obwohl es ja gar keine ist) zu ändern und eine echte Meinug zu bilden. Da ist mal der eine, Herausgeber vom Push Beyond. Ich würd ihn mal kurz so beschreiben: US-Hardcore-Fan, der von nichts eine Ahnung hat, sich wichtig macht, aber kaum ernstgenommen wird, was durch sein Verhalten auch leicht verständlich ist. Dann ist da der andere, Mitherausgeber von Scumfuck Tradition, Punker vom ‘77er Schlag, also voll der Proll, der nur von guten alten Zeiten redet, auch keine Ahnung hat und ungefähr genauso ›anders‹ ist wie die Müllers von nebenan und ebenso konservativ. Leute also, mit denen ich nichts zu tun haben will, da ihre Ansichten so beschränkt oder normal sind, dass sie genausogut Briefmarken sammeln könnten. Wie kann ich sowas sagen, ohne die beiden überhaupt zu kennen … Ich kann mir vorstellen, dass einige klärende Gespräche die Situation ändern würden. Mit Sicherheit sogar. Entweder würde ich meine Meinung ändern oder meine ›Meinung‹ würde zu Meinung bestätigt. Genau das ist das Problem der meisten Leute. Die würden sich nämlich gleich wieder auf Gehörtes oder sonstwas verlassen und ihre ›Meinung‹ als Meinung ausgeben, was wiederum andere Leute dazu veranlaßt, die ›Meinung‹ als Meinung zu übernehmen. So entstehen dann die schönsten Konflikte und Haßgefühle gegen Leute, die man überhaupt nicht kennt. Dabei wäre es so einfach: Ein Telefonat oder ein Treffen, und bestimmte Unklarheiten wären aus dem Weg geräumt. Problem ist nur, dass die Leute anscheinend nicht miteinander reden können, sei es aus Stolz, Angst, Unlust oder Zeitmangel. Schwaches Bild, muß ich da feststellen. Die tolle alternative Punk/Hardcore/was-auch-immer-Szene, die ihr ganzes Wissen auf Unterstellungen aufbaut und sich so eine ›Meinung‹ bildet, die gar keine ist. Was dann noch schlimmer ist, wenn keine Bereitschaft da ist miteinander zu reden. Auf der anderen Seite: Wie langweilig wäre vielleicht dieses ganze Spiel ohne all die unbegründeten Hassgefühle, all die umherkreisenden Gerüchte und Sticheleien. Wie dem auch sei: Redet einfach mit euren ›Feinden‹.
Genug.
Ich bin übrigens ab Ende September für länger Zeit unterwegs. Das heißt zum einen, dass ich in Augsburg nicht erreichbar bin (allerdings kümmert sich jemand um die Post). Zum anderen heißt das, dass mir all die Leute, die mir aufs Maul hauen wollen oder sonstwas, dazu Gelegeheit haben. Zum Abschluss noch eine Frage. Ist es besser ›Zu arbeiten um zu leben, oder zu leben um zu arbeiten‹ oder ist gar beides scheiße. Denkt drüber nach und gebt Bescheid. Noch was – doch nicht!
Trust #20 – November 1989
Wir haben es also tatsächlich bis zur Nr.20 geschafft. Kein Grund zu feiern – das wird sowieso gemacht! Vielmehr sollte sich jeder überlegen, was mit dem TRUST erreicht wurde. Nämlich das, was wir von Anfang an vorhatten: Regelmäßig ein Zine in halbwegs professioneller Aufmachung herauszugeben, um damit als Informationsmedium für die Szene (ob nun HC, Punk, Underground, etc. dürft ihr euch selbst aussuchen) dazusein. Außerdem konnten ›unsere‹ Bands/Ideen einem größeren Kreis als nur den der eingeweihten Insider ansprechen. ›Unsere‹ Musik boomt, wird gefeaturet, verkauft sich. Aber ist das alles? (Die Frage, ob dies nun gut oder schlecht ist, bzw. der Sache dient, soll hier nicht beantwortet sein.) Man stelle sich nur einmal vor, wie viele der Leute, die im Dezember FUGAZI sehen werden, totale Hohlblöcke sind. Sie verstehen nichts von der ganzen Idee der Band, und vor allem von deren konsequenter Lebens- und Denkweise bzw. wollen es auch gar nicht. Da schauderts mich schon jetzt. Wie dem auch sei, wie anfangs erwähnt, überlegt doch mal, was sich geändert hat oder sich ändern sollte, am Heft, an der Szene – oder ist vielleicht alles gut so wie es ist?
NEIN! Denn was ich hier eigentlich ansprechen wollte, sind die Ansprüche gewisser Bands, was die Kohle angeht. Da gibt es Bands, die nun wirklich keinen Arsch interessieren, aber irgendwie als Kult angesehen werden. Sie werden durch eine Indie-Agentur vertreten und bekommen daher DM 1500 pro Abend (mal ganz davon abgesehen, dass eh tierisch Kohle an ›Produktionskosten‹ draufgeht). Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn die Band (für einen angemessenen/normalen Eintrittspreis) auch gut genug ist, genügend Leute dazu zu bewegen aufs Konzert zu kommen. In dem Fall ist es ja nur recht, dass sie das Geld bekommen. Es geht mir aber echt auf den Sack, wenn irgendwelche Bands oder Möchtegernkünstler, die Garantiegagen verlangen, sich, nachdem der Veranstalter eh bis aufs Hemd ausgezogen ist, auch noch darüber aufregen, dass sie keine Prozente von der Tür bekommen. Klar, der Veranstalter hat immer ein gewisses Risiko, aber ebenso sollte es auch für die Bands sein. (Klar ist auch, dass wenn echt nur zwanzig Hansel kommen, die Band nicht nur DM 84 bekommen sollte!) Es sind zuviele Aspekte, die beim ganzen Band/Laden/Promoter-Spiel wichtig sind, da will ich hier auch nicht näher drauf eingehen. Es ist doch ganz einfach: Es muß fair sein, und pauschal kann man sagen, wenn die Band nicht gut genug ist Leute anzuziehen, kann sie auch keine hohen Gagen erwarten. No people, no money!
Also, bis 1990 dann, man sieht sich im Land des Lächelns.
Trust #21 – Januar 1990
Wo sind all die Leute? Aber eins nach dem anderen. Ich hab mir vor mehr als fünf Jahren ein Adressbuch angelegt, in das schön brav die Adressen von Freunden, Briefbekanntschaften und Aktivisten in der Szene usw. eingetragen wurden. Fünf Jahre sind eine lange Zeit und mein grünes Büchlein hat viel durchmachen müssen, es war einer der wenigen Gegenstände, die täglich benutzt werden. Kein Wunder also, dass es langsam aber sicher etwas unübersichtlich wurde, da sich bis Ende ‘89 beinahe tausendzweihundert Adressen angesammelt hatten. Natürlich grauste mir schon vor dem Gedanken, das Ding in mein neues Büchlein umzuschreiben, ist ja ‘ne Scheißarbeit. Nun, das Ganze hat mich wesentlich weniger Zeit gekostet als erwartet. Denn in meinem neuen Büchlein sind es nicht einmal zweihundert Adressen geworden, da ich radikal siebte und nur noch die Adressen von Leuten übernahm, die immernoch in regelmäßigem Kontakt stehen oder aber ihre Aktivität nicht aufgegeben haben oder einfach Freunde sind. Jetzt nochmal zu meiner Anfangsfrage zurück, was ist mit all den Leuten geschehen? Ich weiß in 98% der Fälle, dass ich den Kontakt nicht einschlafen ließ. Nun ist es ja nichts neues und man ist es gewöhnt, aber es an einem so krassen Beispiel hautnah mitzubekommen? Was auch immer, Hauptsache