Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv. Wiglaf Droste

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Название Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv
Автор произведения Wiglaf Droste
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871032



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sie browsen.« In die deutsche Sprache übersetzt heißt das: Wo einer im Ernst »Apps zum Finden von Apps« sucht, da waltet zuverlässig der Brausepöter. Falls Sie dieses schöne Wort nicht kennen sollten: Es beschreibt sehr freundlich den deutlich südlicher gelegenen der beiden Körperteile, die beim Menschen für das Windmachen zuständig sind.

      Cremiger Tanzwein

      Freund Martensio stellte mir einen neuen Wein vor, einen weißen Pfälzer namens »Pas de Deux«, eine Cuvée aus Weißburgunder und Chardonnay, mit 14 % Alkohol nicht gerade ein Leichtgewicht. Alkohol ist im Wein, was Fett fürs Essen ist: ein Geschmacksträger. Und so ist es Mode geworden, nicht nur Rotweine, sondern auch Weißweine alkoholisch hochzuprügeln bis an den Rand zum Sherry, ganz egal, ob das den Weinen und denen, die sie trinken, gut bekommt. Alkohol macht den Wein fett, und die Weintester und Punkteverteiler, die nur einen Probierschluck nehmen, können gleich von Geschmackssensationen und ähnlichem Tralafitti berichten.

      Einem Wein durch höhere Alkoholdosierung auch mehr geschmackliche Fülle und Intensität zu geben, ist önologisch vergleichsweise leicht. Die raren Vertreter traditioneller Weinkunst verzichten darauf und verdichten ihre Weine anders. Anderthalb Prozent weniger Alkohol klingt wenig, aber wenn ein Zwölfeinhalber genauso viel Geschmack entfaltet wie ein Vierzehner, dann stecken in ihm einfach mehr Arbeit, mehr Qualität und mehr Wissen.

      Der Kopf des Weintrinkers dankt es auch; wer soll denn zum Mittagessen ein Glas Hochprozentwein trinken und anschließend noch etwas Gescheites zustande bringen? Man muss sich nur einmal vorstellen, Champagner würde auf 14 % hochgeorgelt; seine Wirkungen wären nicht mehr leicht und beschwingend, sondern nur bedröhnend.

      Davon abgesehen war die »Pas de deux«-Cuvée kein übler Tropfen; während ich den Wein weniger schluckte als vielmehr beinahe schon kaute, las ich die Ergebnisse des Winzermarketings auf dem Etikett: »Ein lebhafter Tanz zwischen Weißburgunder und Chardonnay. Er überrascht mit cremiger Fülle, ist pikant und saftig mit einer angenehm fruchtigen Säure. Ein vollmundiger Genuss, der die Sinne verzaubert.«

      Seitdem ich 1987 zehn Wochen lang in einer Düsseldorfer Werbeagentur arbeitete, weiß ich, wie solche Tex­te fabriziert werden. 14- oder auch 44-prozentige Weißweine sind dabei äußerst hilfreich, entweder schon während der Herstellung oder anschließend, aus Schamgefühl oder gegen den Ekel. Eine »cremige Fülle«, sonst für Haarshampoo reserviert, schadet eben auch im Wein nicht.

      Empfohlen wurde der Wein »zu Antipasti, Hühnchen in Curry, asiatischen Kreationen und vielem mehr«. Noch besser hätte mir »Sushi and more...« gefallen, mit diesem schlüpfrigen, nein cremigen PunktPunktPunkt...-Verspre­chen. Oder gleich dieses: »Geile Brühe, macht zügig breit, wird am besten im gut gekühlten Plastikbecher serviert oder direkt aus der Pulle geschluckt. Ein exzellenter Begleiter zu Heiße Hexe, China-Pfanne, Pommes Schranke und Döner.« Denn im Wein ist die Wahrheit.

      Transparenz

      Die Inflationsvokabel »Nachhaltigkeit« hat eine Schwes­ter bekommen. Sie heißt »Transparenz«. Wie die »Nachhaltigkeit« zunächst nur von wenigen verlangt, dann aber zügig von allen für alles und jedes gefordert beziehungsweise sogar »eingefordert« wurde, ist ohne die »Transparenz« nichts mehr zu wollen, zu haben und zu machen.

      Politiker vor allem jüngerer Provenienz »machen sich stark« und »positionieren« sich für »mehr«, »völlige« oder sogar »rückhaltlose Transparenz«; es gilt das Gebot der totalen Transparenz. Warum eigentlich?, ist eine Frage, die, wie bei jeder anderen Mode auch, zuverlässig versagt. Es ist im Jahr 2012 nun einmal gerade die Trans­parenz dran als ein Aufbruch, Modernität und Jugend versprechendes Wort, selbst die viel beschworene »Ehrlichkeit« schwingt da mit, und wenn man die simulieren kann, dann hat man es geschafft.

      Groß ist das Interesse an der Transparenz anderer: Was macht der eigentlich den ganzen Tag? Irgendetwas, das ich nicht googeln kann? Es ist aber doch mein Menschenrecht, alles zu wissen, was mich nichts angeht! Für alles, das traditionell vom Klatschjournalismus bedient wurde, gibt es jetzt die »Transparenz«, und die klingt so schön seriös.

      Eine grüngurkene Penetranzpolitikerin hat ein schlechtes Wahlergebnis eingefahren und möchte sich anschließend bei der Klientel ausflennen? Das ist Transparenz de luxe, wenn nicht Transparenz im Endstadium. Eine, da irrt der Irrtum Gauck, keineswegs »glückssüchtige«, sondern banalitätsversessene Tratschgesellschaft steckt Millionen von Nasen in alles, das sie von sich selbst und ihrem Zustand ablenkt; das ist Transparenz! Der Wunsch nach Transparenz schnurrt schnell zusammen auf das je schamferner desto größere Verlangen, anderen beim Herunterlassen der Unterhosen zuzusehen.

      Aber in der Politik ist Transparenz doch ein »must«!, rufen ein junger Grüner und eine junge Piratenpolitikerin dazwischen; Transparenz bedeutet die Möglichkeit der Kontrolle! Wir müssen schließlich exakte Kenntnis haben darüber, was jeder verdient, damit wir unser abschließendes moralisches Urteil über ihn fällen können! Wir müssen von jedem alles lückenlos wissen: Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt er auf Mutti Erde? Trennt er seinen Müll, und wenn ja, trennt er ihn auch richtig?

      Eine der Hauptmaximen des Lebens heißt »Erkenne dich selbst«; Faulpelze begnügen sich mit dem Lebenstagesbefehl »Durchschnüffle alle anderen«. Dem Wunsch nach »Transparenz« klebt haftcremehaft der blockwartsmiefige Wunsch an, andere öffentlich für etwas geschurigelt zu sehen, das man für sich selbst privat mit größter Selbstverständlichkeit beansprucht. Der Schrei nach »Transparenz« ist Ausdruck der Begierde nach einer bitte auch »nachhaltig« materiell lohnenden Teilhabe an öffentlicher Doppelmoral, die sich so teuer gibt, wie sie billig ist. Dieses nennt man »transparent«.

      PS: Das Gegenteil von »transparent« ist übrigens »opak«, also hermetisch verschlossen. Als ich das Wort »opak« im Feuilleton der FAZ las, notierte ich im Geis­te: Opak ist das Okapi, capito? Und, wie der Kollege Steffen Brück anmerkt: Der Topkapi-Palast in Istanbul wirkt von außen auch eher opak, also auf gar keinen Fall transparent, und das spricht sehr für ihn.

      Eltall, werde Mensch!

      Zu Besuch im Kosmos Hotelgästebuch

      Im Hotel am Schlosspark in Gotha hatte man mir das Gästebuch aufs Zimmer gelegt, und in Gästebüchern blättern ist ein Vergnügen voller Überraschungen. Gästebücher sind Unikate, es gibt bei aller rhetorischen Konfektioniertheit von Dank- und Grußnoten keine zwei, die sich ganz und gar gleichen. In Gotha begann das hoteleigene Einzelstück mit einem Foto und einem Eintrag von Chris de Burgh, der artig konstatierte, es sei »a pleasure to be in this lovely hotel«. Ihm folgten Ireen Sheer und Kim-Valerie Voigt, die »Miss Germany 2008«, die sich in rührender Jungmädchenhandschrift für den »super Aufenthalt« bedankte.

      Die Schlagersängerin Andrea Berg hatte auf ihrer »Zwischen Himmel & Erde«-Tournee ebenfalls hier logiert; Himmel und Erde ist ein köstliches Gericht aus Kartoffeln, Äpfeln, Zwiebeln und Speck oder gebratener Blutwurst, aber von Andrea Berg möchte man sich das lieber nicht auf den Teller singen lassen.

      Jäh fort von der Erde und hinein ins Weltall ging die Reise: Sigmund Jähn, den man 1978 als ersten Deutschen in den Orbit geschossen hatte, um alles potentielle intelligente Leben aus dem Weltraum zu vergraulen, hatte es in Gotha prima gefallen, und auch sein Westkollege, der Prä-Astronautiker Erich von Däniken, bedankte sich in seinem Gästebucheintrag »sehr herzlich!« und fasste sein Leben als Tip-und-Top-Wissenschaftler mit einem Zitat von Wilhelm Jensen zusammen: »Wer allen etwas vorgedacht, / wird jahrelang erst ausgelacht / Begreift man die Entdeckung endlich, / so nennt sie jeder selbstverständlich!«

      Pierre Brice bedankte sich auf französisch für die »hospitalité«, die nichts mit Hospitalismus zu tun hat. Eine Dr. Franziska Rubin hatte ihr Kleinkind zwischen die Gästebuchdeckel gequetscht: »Flora (6 Monate) und ich haben wunderbar geschlafen (nicht selbstverständlich dieser Tage) und die geliehene Wimperntusche hat mir den Tag gerettet.« Es ist schon erstaunlich, was alles in den Rang einer Nachricht erhoben wird; die Autogrammkarte der Dame verriet allerdings, dass sie beim Fernsehen zu tun hat, und da wundert einen nichts.

      Markus Maria Profitlich hatte neben seine Faxenkopfkonterfeis ein passend aufdringliches »Jederzeit wieder!« geschrieben; Christine Lieberknecht,