Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv. Wiglaf Droste

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Название Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv
Автор произведения Wiglaf Droste
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871032



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Store suchen wir ab sofort einen Goods Flow Mitarbeiter (männlich / weiblich).

      Sie haben Erfahrung im Lagerbereich?

      Sie besitzen einen Führerschein der Klasse C1?

      Sie sind ein Teamplayer?

      Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung.«

      Abgerundet wird der Text mit einer Selbstauskunft: »Our people make us different.« So sprechen Menschenbesitzer: Unsere Menschen, und der Goods Flow Mitarbeiter männlich / weiblich, also eigentlich Neutrum beziehungsweise Geschlecht egal, Hauptsache billig, ahnt, was auf ihn zukommt im Lagerbereich, wo er mit den anderen Teamplayern den stetigen Fluss der Waren in Bewegung halten wird.

      Hilfsarbeiter im Lager und Aushilfsfahrer werden schlecht bezahlt, dürfen zum Ausgleich dafür aber Goods Flow Mitarbeiter heißen. Ein Teamplayer ist ein Befehls­empfänger, den man jederzeit überall hinschicken kann, aber das Wort hat so einen Klang von großer Welt und Befähigung zu noch größerer Leistung: Teamplayer, da ist die Meisterschaft in was auch immer doch fast schon gewonnen, und Deutsche mit langer Erfahrung im Lagerbereich gewinnen im Nu internationales Flair.

      Wer einen Hausmeister herabstufen will, macht ihn zum Facility Manager; der arbeitet dann für weniger Geld, ist aber rhetorisch auf Management-Level angekommen. So wird aus einem veritablen Abstieg mit Hilfe aufgeschäumter Sprache doch noch ein Aufstieg. Angestellten smart klingende Titel zu verleihen ist günstig und kostet keinen Cent; falls sich jemand über den Sprachschwindel beschweren sollte, wird man ihn darauf hinweisen, dass ein solch teamschädigendes Verhalten einem Teamplayer nicht gestattet werden kann.

      Warum als Kundenbetreuer arbeiten, wenn man doch Key-Account-Manager heißen kann? Vom Schlüsselkind zum Key Account, das ist eine Karriere, die jeden, der vom Tellerwäscher zum Millionär herabsank, erneiden lässt vor Blass beziehungsweise umgekehrt. In Werbeagenturen wimmelt es von Direktoren; wenn der Etat-Direktor mit dem Art-Direktor und dem Creativ-mit-C-Direktor »ins Meeting geht«, dann dröhnt die Hütte, und die Welt vibriert vor Wichtigkeit. Das Erstaunlichste am Selbstbetrug mit erfundenen und wertlosen Titeln ist, dass er funktioniert. Wenn einer erst Manager geworden ist, dann glaubt er sich das irgendwann selber. Es kommt schließlich nicht darauf an, was man tut, sondern darauf, wie und als was man es darstellt.

      In dieser Aufmandelwelt hat eine traditionelle, klassische Berufsbezeichnung keinen guten Klang mehr, sondern verströmt die unerwünschte Aura von Versagertum und gescheiterter Existenz. Autor und Kolumnist, das ist heutzutage doch gar nichts, das klingt popelig, da könnte man ganz andere Berufsbezeichnungen und Titel mit sich herumtragen! Sie suchen ab sofort einen Thought Flow Controler im Language Management? Ich freue mich jetzt schon auf meine Bewerbung.

      »Mit Werten Bewusstsein gestalten«

      »Das Sein bestimmt das Bewusstsein«, hat ein älterer Kollege einmal geschrieben, aber wozu sich mit dem Sein beschäftigen, wenn man doch das Design hat und die Freuden einer polierten Oberfläche? Das Bewusstsein ist, speziell in seiner beliebtesten Form, der Bewusstlosigkeit, etwas, das designt werden kann. Auf den Punkt gebracht wird das von einer Werbeparole der Volks- und Raiffeisenbanken: »Mit Werten Bewusstsein gestalten«.

      »Mit Werten Bewusstsein gestalten«, das klingt wuchtig, geradezu deutschphilosophisch tief und jedenfalls irgendwie doll. Bloß wie »gestaltet« man ein »Bewusstsein«, noch dazu mit »Werten«? Kann man ein Bewusstsein kneten, basteln, schneidern, malern oder sprayen? Und um was für »Werte« handelt es sich? Um all jene, die von der Bankenbranche kompetent zerdullert wurden? Beziehungsweise, in Werbesprech formuliert, um »Werte«, die »nachhaltig« zerstört wurden?

      Wo von »Werten« die Rede ist, mit denen man »Bewusstsein gestalten« will, da lugt die »Nachhaltigkeit« schon um die Ecke. Zugunsten des »PrivateBanking« als Werbemodel »mit Werten Bewusstsein gestalten« möchte jedenfalls die Fernsehköchin Sarah Wiener, die sich in der Bankenreklame »Köchin für nachhaltigen Genuss« nennen lässt. Was ist »nachhaltiger Genuss«? Einer, der nicht mehr aufhört? Wenn man aß, was eine »Köchin für nachhaltigen Genuss« kochte, hat man dann nur noch Appetit, aber keinen Hunger mehr? Isst man dann nie wieder Mist?

      Man weiß es nicht, aber die Wertebewusstseinsgestaltungsreklame der Volks- und Raiffeisenbanken erklärt: »Sarah Wiener lebt gute Ernährung.« Wie »lebt« man Ernährung? Und wie würde man auf jemanden reagieren, der einem mit den Worten »Ich lebe gute Ernährung« gegenübertritt? Würde man höflich und scheu lächeln, weil unsere Meschuggenen ja unter dem besonderen Schutz des großen Manitou stehen? Oder würde man ihn unmissverständlich in die Webeagentur zurückschicken, in der er und sein »Bewusstsein« offensichtlich erzeugt und »gestaltet« wurden?

      Welcher »Weg« ist gemeint, von dem die Bankenwerbung erklärt, dass sie ihn »frei macht«? Der »gute Weg, auf dem wir sind«, also der in die Pleite? Wen meinte der Volks- und Raiffeisen-Reklametexter, als er schrieb: »Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt«? Sarah Wiener? Oder ihren Kollegen Johann Lafer, der für die Konkurrenz von der »Sparkassen-Finanzgruppe« wirbt und, Essstäbchen umkrallend, behauptet: »Vermögen braucht Vertrauen«? Wird da noch »Bewusstsein gestaltet«, selbstverständlich »mit Werten«? Oder wird doch das Sein vom Bestusstsein bestimmt?

      Das sind Fragen, die beim deutschen »Nachhaltigkeitstag« beantwortet werden, dem allerdings all jene fernbleiben müssen, die zur gleichen Zeit ihren Finanz-, Bank- und Sparkassenberatern den Weg freimachen und das Bewusstsein gestalten, und zwar nachhaltig.

      Wer Apps appt, muss auch kuratieren

      Manchmal staunt man wirklich noch die sprichwörtlichen Bauklötze. »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«, liest man und denkt, man habe sich schlecht verträumt. Aber es steht tatsächlich genau so da: »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«, und der kryptische Satz mit den zwei Apps hat sogar noch einen Appendix: »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps, aber AppFlow sticht heraus.«

      Ach so, es handelt sich um Reklame, und der zielgruppenferne Leser versteht bloß die Sprache der Anschna­cker nicht? Insider-Code heißt auf deutsch Blinddarm und wird in Blindtext aufgeschrieben, in Wurmfortsätzen: »Die App hilft, andere Apps zu entdecken – in kuratierten und intelligent gestalteten Listen.«

      So steht es, wörtlich, im redaktionellen Teil der Zeit, im Jahr 2012. Warum, weiß man nicht; möglicherweise zum Beweise dessen, dass die Formulierung »Qualitätsme­dien« eine ebenso hohle Marketing-Türeintreterbehaup­tung wie ein altmodischer frommer Wunsch ist und damit eine umso krudere Mischung aus beidem?

      So scheint es. Das »Burger King«-Magazin versucht jedenfalls ebenfalls, seiner Kundschaft Appetit auf Apps zu machen: »Wissen, was App-geht. Mit unserer App liegt die ganze Welt von Burger King zu deinen Fingerspitzen.« Die Welt, zu Fingerspitzen liegend, das ist die Welt digitaler Burger-Könige. Kein Wunder, dass sie ganz anders aussieht, riecht und schmeckt.

      Der Autor des »Es gibt viele Apps zum Finden von Apps«-Diktums in der Zeit war, soviel steht fest, bei Niederschrift seines Textes immerhin schon 35 Jahre alt und hatte vorher in allerlei Qualitätsmedien volontiert oder sogar voltigiert, um öffentlich solche Sätze konstruieren zu können: »AppFlow ist eine nützliche und vor allem sehr ansprechend gestaltete App zum Entdecken von Apps. Dabei handelt es sich keineswegs um eine simple Suchmaschine. AppFlow ist vielmehr eine Sammlung kuratierter Listen von Apps zu bestimmten Themen.«

      Das ist tiptop zusammengeflipflopter Werbergargel, da kann kein Qualitätsjournalismuskunde meckern. Der moderne Mensch stammt schließlich vom Appen ab; wenn das kein Fortschritt ist! Nur die Allzuwichtigvokabel »kuratiert« ist ein bisschen drüber beziehungsweise over the top. Kuratieren, kriegt man davon nicht diese Rückenmarkserweichung? Nein? Sondern nur eine gleichermaßen contentharte wie breiweiche Birne, die das Berufsbild des Kurators beschreibt, der im Film »KURATOR III – Jetzt zeigt er allen Aliens alles« ein leider sehr vorläufiges Ende findet?

      Als mir ein Mann, dessen Arbeit mit den Worten »Ausstellungsmacher« oder »Galerist« zugegebenermaßen auch nicht schön beschrieben wäre, mit den Worten »Ich habe das hier kuratiert« seine Hand hinstreckte, hielt ich inne. Ob der Kerl sich nach dem Kuratieren auch die Hände gewaschen hatte? Man sieht es den Leuten