Wiglaf Droste geht aufs Ganze. Kein Wunder, dass die Passauer Neue Presse konstatierte: «Lakonisch, irritierend, prügelhart, hochintelligent und punktgenau trifft Droste immer ins Schwarze.» Droste ist unnachgiebig gegenüber politischen Hohlköpfen, weshalb er Frauke Petry als «Mischung aus Schreckschraube und Schreckschusspistole» beschreibt und Beatrix von Storch als «aufgeblasene Ochsenfröschin». Er entdeckt in Bamberg einen mysteriösen «Männerausverkauf»: «Es waren allerdings gar keine Männer zu sehen, jedenfalls nicht in der Auslage; aber vielleicht hinten, im Lager? Das wäre doch der perfekte Skandal: Männer werden in Lagern gehalten und aus- oder auch abverkauft!» Er beschreibt, wie er zu einer Jogginghose kam, der «Kapitulation der Zivilisation», und wie er sie sogar anzog: «Der letzte Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle hätte sich nicht einsamer und unglücklicher fühlen können.»
Es ist eben nicht so, dass ein Satiriker von Rang sich immer und grundsätzlich über alles und jeden lustig machen müsste. Wiglaf Drostes Liebeserklärungen an das Kino, an Del Piero, an Tom Petty, Van Morrisson, an Bernd Pfarr und seinen Sondermann, an Wilhelm Busch, Loriot oder James Krüss jedenfalls sind zauberhafte Preziosen, denen man des Autors tiefe Verbundenheit ansieht. Aufdringlichen Zeitgenossen allerdings – etwa dem Biker an sich – wird Entsprechendes mit auf den steinigen Weg gegeben: «Dem Biker ist noch die fieseste Dose Bockwurst vorzuziehen.» Auch Nicolas Sarkozy, diese ehrgeizgetriebene «Disziplinleistung auf Beinen (auf kurzen Beinen, muss man im Sinne der Wahrheitsfindung hinzufügen)», ja sogar die Elster als der «Skinhead der Lüfte» bekommen in diesem Band gnadenlos ihr Fett weg. Viel Vergnügen!
Wären Sie gern «Teamplayer im Goods Flow Lagerbereich»? Möchten Sie wissen, wie man «mit Werten Bewusstsein gestaltet»? Können Sie sich zwischen «to go» und «no go» nicht leicht entscheiden? Sollte man sich nach dem Kuratieren unbedingt die Hände waschen? Warum gibt es Männer, die «…und meine Wenigkeit» sagen und alles «im Paket» kaufen? Appen Sie Apps? Ist Ihnen «Transparenz» so wichtig wie «Nachhaltigkeit»? «Fühlen» Sie Zeit, oder schauen Sie auf die Uhr? Kennen Sie den Unterschied zwischen Winter- und Sommerzeit? Mögen Sie Ihren Wein gern «cremig und saftig»? Laufen Sie «mit breiter Brust» durch die Welt, oder ist Ihnen eher so «fragensschlapp» zumute wie Durs Grünbein, der deshalb auch das «Mut-Institut» aufsuchen muss? Sind Sie «Fanfollower» und mögen «Wohlfühlmomente vom Feinsten»? Ahnen Sie, warum Jogi Gauck «betropetzt» ist? Sagen Sie gern «freilich» oder «gewiss»? Fühlen Sie «Erdbeererregung», oder sind Sie eher «fit für den Winter»? Sind Sie in den Windelwechseljahren oder im Präterium? Interessieren Sie sich für «entspannte Kommunikation»? Möchten Sie Ohrenzeuge sein, wenn paartherapiezerschredderte Paare streiten? Kennen Sie «Fahrplanmedien»? Schauen Sie anderen gelegentlich unter den Trierer Rock? Mögen Sie eher Maggi fix oder lieber Kruzifix? Skizzieren Sie Rahmen, insbesondere finanziell?
Wiglaf Droste begnügt sich nicht damit, all jene dingfest zu machen, die der Sprache Gewalt antun. Er nimmt die Sprache an die Hand und geht mit ihr spielen. Die beiden sind ein Liebespaar mit einer großen Kinderschar.
Mit seinen Komplizen Franz, einem Freund der Abgesägten, Klaus, dem Fahrer von Fluchtautos, Ralle, dem Schnellraucher und Mann fürs Einseifen von Delinquenten, dem hibbeligen Zeichner Jan, Nikolaus, dem Maler und Freund kluger Sätze und der barocken Erscheinung Vincent, der mit Pfeil und Bogen ein tödlicher Schütze ist, befindet sich Wiglaf Droste auf dem Kriegspfad. Sie haben das «Kommando Leise Welt» gegründet, eine Organisation zur Rettung des menschlichen Trommelfells. Lärmbolde und Schreihälse bekommen von diesen glorreichen Sieben einen eindeutigen Wink mit der Wumme. Es ist viel zu tun. Selbstverständlich gibt es auch Ordnungshüter, die etwas dagegen haben. Eine aberwitzige Reise durch ein Land des Irrsinns beginnt.
"Schalldämpfer" erschien zunächst und in teilweise vorläufiger Form vom 18. Juli bis zum 16. November 2013 als täglicher Fortsetzungsroman im Feuilleton der Tageszeitung junge Welt; Autor und Verlag bedanken sich bei den betreuenden jW-Redakteuren Christof Meueler und Alexander Reich.
In seinem neuen Buch mit Sprachglossen geht Droste auf Entdeckungsreise zur Wortschatzinsel. Der Firma Schlecker bescheinigt er, dass ihr «ein A und ein r fehlen», über ihren Werbeslogan «For you. Vor Ort» sagt er: «Dreimal 'or' in vier Silben, das klingt nach Mordor und den Orks.» Droste ließ einen «romantischen Fächeraufguss» über sich ergehen, stattete dem Kopf des Bundespräsidenten Wulff einen Besuch ab und hat diese psychedelischen Erlebnisse genauso überlebt wie das «Multitasking im Rollkofferkrieg». Er drang in die «Schnittstellenkultur» ein und beschreibt das «Essen beim Betrachten von Frauen auf Laufbändern». Warum tut der Mann das? Einer dieser grässlichen Sprachschützer ist er nicht, das steht fest.
"Sprichst du noch oder kommunizierst du schon?" ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Liebe und Schönheit in Sprache und Leben, gegen «i-Petting» mit «Benutzeroberflächen» und für den «Floralverkehr».
Der Dichter Wiglaf Droste beobachtet, beschreibt und ergreift die Welt und ihre Bewohner. Seine Apercus und Uppercuts verteilt er nach Belieben, doch niemals beliebig. In feiner Sprache belöffelt er trostferne Christen ebenso wie trübe islamistische Aufesser von Mohamettbrötchen. Tragödien wie das Draußenrauchen, die Übergangsjacke, den Pilgerstrom oder servile Servicekräfte werden ebenso gutgelaunt und kenntnisreich abgefertigt wie kulinarische Katastrophen vom Schlage Dollase oder Lafer. In saure Gurken wie Till Schweiger oder Guido Westerwelle beißt Droste kurz und final hinein, um sich dann doch lieber der Liebe und der Huldigung zuzuwenden: F.W. Bernstein, Johnny Cash, Raymond Chandler, Bob Dylan, Danny Dziuk, Peter Hacks, Randy Newman, Willie Nelson, Joachim Ringelnatz und Janwillem van de Wetering bekommen Denkmäler gesetzt. Und über allem waltet das Rheinsberger Idyll.
"Es scheint mir wohl kaum übertrieben, Droste als den 'Tucholsky unserer Tage' zu bezeichnen – ich wüsste jedenfalls kaum einen anderen Autor, der sowohl in der satirischen Schärfe wie auch in der melancholischen Nachdenklichkeit dem 'Heinrich Heine des 20. Jahrhunderts' so nahe kommt wie er. Und das alles mit wissendem Charme und in wunderbarer sprachlicher Leichtigkeit. Ich jedenfalls habe ihn so lange für den Kurt Tucholsky Literaturpreis vorgeschlagen, bis ich nicht mehr in die Jury gebeten wurde." Peter Böthig, Kurt-Tucholsky-Museum Rheinsberg.
"Alles Neubiedermeierliche, alles Vermiefte des ach so coolen Lifestylelebens spießt Droste auf und glasiert es mit einer Extraportion Hohn und Spott." Psychologie heute
Unterwegs als Nomade im Speck berichtet Wiglaf Droste über merkwürdige Begebenheiten und kulinarische Überraschungen in Regionen der Welt, die er auf seinen Reisen durchstreift. Und Nikolaus Heidelbach setzt diese Geschichten in ebenso überraschenden wie verwegenen Bildern um, die sich nur ungläubig und andächtig bestaunen lassen – mit 32 ganzseitigen Illustrationen.
Wiglaf Droste, mit 57 Jahren überraschend gestorben, wird gerne mit Kurt Tucholsky in einem Atemzug genannt. Er war in jedem Fall ein ebenso begnadeter Polemiker wie Dichter hinreißender Liebeserklärungen, ein mit den Nuancen der Sprache vertrauter Analytiker und ein unversöhnlicher Kritiker der politischen Verhältnisse und der Dummheit. Er hat an die 30 Bücher geschrieben, hat tausende von Lesungen und Veranstaltungen bestritten, hat dabei immer alles gegeben, er hat dabei weder sich noch andere geschont, denn das war für ihn die Voraussetzung von Literatur: «Den ganzen anderen Quatsch kann man lassen.» In diesem Buch erscheinen seine Texte, die für Furore sorgten und Debatten auslösten, wie «Als Schokoladenonkel unterwegs», der ihm einen Boykott seiner Lesungen eintrug, «Mit Nazis reden?», eine bereits vor 25 Jahren gegebene letztgültige Antwort auf eine aktuell diskutierte Frage, eine feine Liebeserklärung an «Die rauchende Frau» und «Die Rolle der Frau», ein Zusammentreffen mit dem «Proletariat», eine Reise um die Welt mit 80 Phrasen, die Wahrheit über den «Commandante Reduntante» aus der Konkret und viele andere unvergessene Evergreens.
Sprachkritik ist en vogue in Deutschland. Allen Ortes diagnostizieren schlechtlaunige Philologen ein volksempfängerkompatibles «anglo-amerikanisches Sprach-Bombardement» – dabei spricht doch kaum jemand den Namen des Deutschlehrermaskottchens Sick korrekt englisch aus. Dass man auch in kernseifenem Deutsch rasserein irrsinnig sprechen kann, beweisen die Angehörigen der Sprachschutzstaffeln selbst am besten, sobald sie den Mundauftun und in ihren Medien das Glatteis der freien Rede betreten.Schon lange widmet sich Wiglaf Droste dem Zusammenhang zwischen sprachlicher und inhaltlicher Zerwirrnis. Droste wäre allerdings nicht Droste, wenn er nicht auch bei diesem Thema seine Liebe zur Sprache walten ließeund sich vor dem Wunder der Worte verneigte, das da nicht zwingend ein blaues sein muss. So kann Sprachkritik eben auch sein; persönlich, etymologisch, auf den wahren Kern zielend und immer einer schönen Sprache dienlich.Was Droste, solo oder im Verein mit Vincent Klink und Nikolaus Heidelbach produziert, nannte die Welt im November 2008 "hochprozentig, abgründig, sehr böse und sehr lustig.
In Deutschland spielt man Karten gemäß dem Uhrzeigersinn, in der Schweiz jedoch in der entgegengesetzten Richtung. Das heißt dann aber nicht «gegen den Uhrzeigersinn», sondern «der Ohrfeige nach». «Der Ohrfeige nach» gefiel mir abermals, wie auch «gegen die Ohrfeige»; ich verabscheue Feigheit, also das Feige, das die Ohrfeige gegen Schwächere austeilt oder sie, wo sie mutig und notwendig und nützlich ist, verweigert. In entsprechenden Situationen habe ich gegen die Verabreichung einer Ohrfeige absolut nichts einzuwenden, und außerdem ist Ohrfeige ein schönes Wort. Denn die Feige ist darin, die köstliche Frucht, die so erotisch aussieht und duftet, auf italienisch heißt sie fica, und fica heißt nicht nur Feige, sondern ist auch ein Adäquat für das, was auf deutsch «das böse Wort mit F» genannt wird, und während mir all das zu meinem Wohlgefallen durch die Rübe ramenterte, spielten wir eine Runde Scopa, immer schön der Ohrfeige nach.
Wiglaf Droste ist wieder und weiter unterwegs und begegnet den Zumutungen der Welt so kundig wie neugierig und auf elegante, charmante und sprachschöpferische Weise. Er weiß, wie man sich verhält, wenn eine Frau aus besserem Hause völlig betrunken unbedingt mit einem ihr ganz fremden Mann tanzen will und zum Beweise dessen auf den Auserwählten einprügelt. Droste trifft nachts am Spätkauf eine Frau, die ihre letzten zwei Euro für Bier ausgegeben hat und die Welt nicht mehr versteht: «Dabei bin ich doch Suhrkamp-Autorin.» Lustige Geschichten und sezierende Sprachglossen über Designervokabeln wie «greife», «mauve» und «taupe», über Phrasen von «Baustellen» und «Hausnummern» und Abwimmelungssätze wie «Wir kommen auf Sie zu» oder Talkshowjargon à la «dankbar und demütig» wechseln einander ab. Was passiert, wenn aus Leipzig «Hypezig» wird, das "n" aus der Sprache verschwindet und die Bahn plötzlich die «Bonusfahrtzeit» entdeckt bis zum Ende aller «gebrauchten Tage»? Wiglaf Droste weiß das, und er macht kein Geheimnis daraus.