Berliner Industriekultur. Katja Roeckner

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Название Berliner Industriekultur
Автор произведения Katja Roeckner
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783940621511



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und Neuen Eisengießerei wich seit Mitte des 19. Jahrhunderts Wohn- und Geschäftshäusern. Egells hatte vorgesorgt, bereits 1836 Grundstücke am Tegeler See gekauft und dort ein neues Werk aufgebaut. Seine Söhne übernahmen den Betrieb nach dem Tod des Vaters 1854 und expandierten über Jahrzehnte erfolgreich im Schiffbau. Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten allerdings stark zu. 1910 kauften schließlich die Borsigwerke Gelände und Anlagen.5

      Egells Maschinenbauanstalt (im Hof), von der heute nur noch ein kleiner Teil erhalten ist. Ansicht von der Chausseestraße, Ende 1860er Jahre

      Heute sind diese Zeitzeugen des Beginns der Berliner Industrialisierung aufwändig restauriert, neue Kreativunternehmen bevorzugen die Lage.

Gastrotipps: »Sarah Wiener ›Das Speisezimmern‹«Erstklassiges Restaurant der umtriebigen TV-Köchin Sarah WienerChausseestraße 8, 10115 Berlin»Weinbar Rutz«Bietet Spitzenküche und -weinkeller, mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetChausseestraße 8, 10115 Berlin

      Die Schriftstellerin Bettina von Arnim berichtete 1843 über die elenden Wohnverhältnisse in der Gartenstraße, die unmittelbar neben »Feuerland« liegt. Diese Siedlung von armen Hauswebern wurde damals »Vogtland« genannt. Von Arnim lässt einen fiktiven Erzähler zu Wort kommen, auch mit dem Ziel, vom König und den Behörden mehr Unterstützung für die Armen zu erreichen. Gleichzeitig ist der Text ein beredtes Zeugnis für die in der frühen Industrialisierung oft katastrophalen sozialen Verhältnisse:

      »Vor dem Hamburger Tore, im sogenannten Vogtland, hat sich eine förmliche Armenkolonie gebildet. Man lauert sonst jeder unschuldigen Verbindung auf. Das aber scheint gleichgültig zu sein, daß die Ärmsten in eine große Gesellschaft zusammengedrängt werden, sich immer mehr abgrenzen gegen die übrige Bevölkerung und zu einem furchtbaren Gegengewichte anwachsen. Am leichtesten übersieht man einen Teil der Armengesellschaft in den sogenannten »Familienhäusern«. Sie sind in viele kleine Stuben abgeteilt, von welchen jede einer Familie zum Erwerb, zum Schlafen und Küche dient. In vierhundert Gemächern wohnen zweitausendfünfhundert Menschen. Ich besuchte daselbst viele Familien und verschaffte mir Einsicht in ihre Lebensumstände.

      In der Kellerstube Nr. 3 traf ich einen Holzhacker mit einem kranken Bein. Als ich eintrat, nahm die Frau schnell die Erdäpfelhäute vom Tische, und eine sechzehnjährige Tochter zog sich verlegen in einen Winkel des Zimmers zurück, da mir ihr Vater zu erzählen anfing. Dieser wurde arbeitsunfähig beim Bau der neuen Bauschule. Sein Gesuch um Unterstützung blieb lange Zeit unberücksichtigt. Erst als er ökonomisch völlig ruiniert war, wurden ihm monatlich fünfzehn Silbergroschen zuteil. Er mußte sich ins Familienhaus zurückziehen, weil er die Miete für eine Wohnung in der Stadt nicht mehr bestreiten konnte. […]

      Im Zimmer Nr. 113 des gleichen Hauses wohnt der alte Sinhold mit seiner Frau. Aus dem letzten Feldzuge kehrte er mit zerrütteter Gesundheit zur Arbeit in der Fabrik zurück. Er erzog neun Kinder. Die Armut zwang ihn, die Stadt zu verlassen und zwei Webstühle im Familienhause aufzustellen. Seit fünfzehn Wochen liegt er krank im Bette. Die Webstühle stehen still, die Frau ist mit der Epilepsie behaftet, verdient sonst mit Spulen anderthalb Silbergroschen täglich; jetzt findet sie keine Arbeit. Die wenigen Gerätschaften gehören den Juden, der letzte Rest ist verkauft. Von der Armendirektion erhält Sinhold jeden Monat einen Taler, den aber der Hausverwalter sogleich in Empfang nimmt. Der Krankenverein reicht ihm die »Krankensuppe«, die ihn und seine Frau ernährt. Vom Hausherrn ist er »ausgeklagt«, d.h. er ist für drei Monate Miete schuldig. Am 1. April wird man ihn in die Charité bringen, die Frau aus dem Hause jagen und das Zimmer versiegeln mit allem was darinnen ist.

      Ich ging in den finstern Hausgängen auf und ab, horchte an den Türen, und wo ich weben hörte, trat ich ein. […] In Nr. 5 wohnt Unger, ein recht geschickter Weber. Er hat auf seinem Stuhle einsiebenachtel Elle breite gestreifte Leinwand. An einem Stücke von sechsundsechzig Ellen, mit welchem er in vierzehn Tagen fertig wird, verdient er drei Taler fünf Silbergroschen. Die Frau sagte mir, daß sie abwechselnd Kartoffeln und Hafergrütze koche; jede Mahlzeit koste zweieinhalb Silbergroschen. Wenn diese Leute nur zweimal essen im Tage, so beläuft sich die monatliche Ausgabe (zwei Taler Miete eingerechnet) mit sieben Taler fünfzehn Silbergroschen, während die Einnahme im günstigsten Falle nur sechs Taler zehn Silbergroschen beträgt. Ich unterhielt mich lange mit Unger und seiner Frau; er ist ein so verständiger und braver Mann, und sie so heiter und freundlich, daß es mir ganz wohl zumute wurde. Ich dachte nicht mehr an jenes ungünstige Zahlenverhältnis, sah das Stroh nicht unter der leichten Bettdecke und achtete nicht mehr auf die Lumpen, in welche die Kinder gehüllt waren. Ich hörte keine Klage; der Hausvater trieb emsig das Weberschiffchen hin und her und erzählte mir scherzend, daß es mit den Kindern gehe, wie dem bekannten Schuster Flick, der ein Kleines forttragen wollte und zwei zurückbrachte. Die Mutter hielt das kleinste Kind auf der Schürze und trieb das Spulrad. Dabei erzählte sie vergnügt, daß zwei Kinder die Schule besuchen und recht viel lernen. Es zeigt sich auch hier, daß die Armen ihre größte Freude an den Kindern haben und fest darauf rechnen, daß diese durch den Schulunterricht aus dem Elende gerissen werden.«

      Auszüge aus: Bettina von Arnim: Dies Buch gehört dem König (Gesammelte Werke; Bd. 6), Berlin 1921, S. 456–459 (Originalausgabe 1843)

      Auf dem Weg …

      Gehen Sie nun wieder hinaus aus dem Hof auf die Novalisstraße, gehen Sie rechts in den benachbarten Hof der Novalisstraße 11, vorbei am »Speisezimmer von Sarah Wiener«, so dass Sie auf die Chausseestraße gelangen, in die Sie rechts einbiegen. An der nächsten Kreuzung (Tieckstraße) steht eine Erinnerungstafel an »Feuerland«. Folgen Sie der Chausseestraße bis zur Nummer 13.

Gastrotipp: Der Kiosk – Caffé-CucinaFür einen guten Kaffee und italienische Snacks zur Stärkung Chausseestr. 124, 10115 Berlin

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