Der Letzte macht das Licht aus. Ulrich Land

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Название Der Letzte macht das Licht aus
Автор произведения Ulrich Land
Жанр Языкознание
Серия Mord und Nachschlag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783941895706



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mitkriege. Dass sich einer persönlich drum kümmert und an Ort und Stelle ist, wenn's drauf ankommt. Ihr könnt ja mal einen von euern Computerautomatendingern rausschicken, mal gucken, ob so einer was ausrichtet gegen die Steineschmeißer!«

      • »Jedenfalls ich schick euch Brik dieser Tage mal vorbei, dass ihr der die Laternen mitgebt. Okay? Und ich geb ihr die zerdepperten mit, dass ihr mal 'n Blick drauf werfen könnt. Und nicht extra einer rauskommen muss.«

      • »Ja ja, nichts für ungut.«

      Minuten später saß Finn im Boot und fuhr rüber zu seinen Schützlingen direkt vor der Einfahrt zum Håkfjord. Irgendwie wirkte die Strecke heute doppelt lang. Endlich brachte er sein Boot zwanzig, dreißig Meter vor einer der B63er in Stellung und fischte sich ein paar von den Steinen, die er in Marits löchrigem Eimer mitgebracht hatte. Plötzlich aber kam er ins Stocken. Mitten auf der kleinen Schäreninsel, die seine Leuchtbake beherbergte, wirbelte eine Windhose über den Fels und riss den fein zerstäubten Neuschnee, der in den vergangenen Tagen den Winter eingeläutet hatte, fünf Meter hoch ins Licht. Die winzigen Kristalle, tausend Prismen, machten aus den paar wenigen Sonnenstrahlen, die sie erwischten, ein fantastisch wirbelndes Farbenspiel. Ein riesiger, glitzernder Diabolo aus Lichtfunken. Schnell noch ein Lichtspiel, bevor's die Sonne im Dezember dann nicht mehr über den Horizont schaffen und diese Wochen kommen würden, wo die Zeit unglaublich breit wurde. Gefiel ihm, aber irgendwie war es jedes Jahr aufs Neue eine Überraschung, wenn die Sonne sich mit einem letzten Augenzwinkern für vier lange Wochen definitiv verabschiedete.

      Finn musste kurz überlegen, was er hier eigentlich zu suchen hatte. Dann spürte er die Steine in seiner Hand und legte los, griff immer wieder in den Eimer und schmiss, was das Zeug hielt. War seit jeher sein Schwachpunkt gewesen. Schon in der Schule. Schlagballwerfen: sein persönlicher Erfolgstöter. Daran hatte sich bis heute wenig geändert. Er musste das Boot ein ordentliches Stück näher heran steuern, dann erst landete er einen Treffer. Das Glas der Bake allerdings hielt der Attacke stand und schleuderte den Stein in hohem Bogen wieder zurück. Hoch elastisch, das Schutzglas, ja, wusste er, aber damit hatte er denn doch nicht gerechnet. Und auch einen zweiten und dritten Treffer quittierte seine B63er getreu der Devise: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel.

      Was blieb ihm anderes, als noch näher heranzufahren. Schließlich suchte er in seinem Vorrat an Wurfmaterial den schwersten und scharfkantigsten Stein aus, stellte sich aufrecht hin und schleuderte ihn mit solchem Nachdruck auf die Bake, dass das Boot von der heftigen Bewegung anfing, wie wild zu schaukeln. Finn sah noch wie die Glasabdeckung des Leuchtfeuers aufriss, wie die Linse darunter in tausend Scherben explodierte und wie, allem Anschein nach, auch die Laterne selbst ihre Glashülle in alle Himmelsrichtungen verspritzte, doch da verblendete sich das Mosaik der umherfliegenden Glassplitter bereits mit einem Zauberbild schwarzer und weißer Wasserfontänen, wüst auseinanderstiebender Spritzer und strudelnder Turbulenzen. Die winzigen Tropfen machten aus den paar wenigen Sonnenstrahlen, die sie erwischten, ein fantastisch wirbelndes Schwarzweißspiel. Ein riesiger, glitzernder Diabolo aus Wasserfunken.

      Jetzt erst, als er schon ein ordentliches Stück untergetaucht war, bemerkte Finn, wie saukalt das Wasser war. In extremer Kälte, hatte er mal irgendwo gelesen, hat man, kurz bevor einen der Kältetod holt, überbordend euphorische Gefühle.

      »Und der Haifisch, der hat Zähne«, schoss es ihm durch den Kopf, »aber hier, hier hat noch der schärfste Haifischzahn keine Chance. Gegen diese Kälte und diese Finsternis. Nordnacht ist Mordnacht. Und der Mordzahn beißt auf Granit und Grund und gründet tief und knirscht, lässt den Sand zwischen den Zähnen zergehn und auf der Zunge. Komische Gedanken, wirres Zeug im Kopf, von wegen: Euphorie!«

      Das einzig Heftige war dieses hämmernde Gefühl, das Herz müsse jeden Augenblick stehen bleiben. Aber dann meldete sich die Lunge, verlangte nach Luft und zwang ihn, sich nicht weiter um den Herzstillstand, sondern um die Aufwärtsbewegung zu kümmern. Kaum hatte er den Kopf über Wasser, sah er, dass es schlimmer kaum hätte kommen können. Das Boot lag kieloben und war ein gehöriges Stück abgetrieben. Die Werkzeugkiste mit allem drum und dran dürfte grade dabei sein, gemächlich zum Meeresboden hinab zu taumeln. Der halbleere Benzinkanister, Riemen und Tampen und Fender und was der Utensilien eines nordnorwegischen Leuchtturmwärters mehr waren, mochten sich ebenfalls irgendwohin auf Reisen begeben haben.

      Doch das war noch längst nicht das Schlimmste. Viel aufregender war die Frage, wie er aus dieser Nummer mit einigermaßen heiler Haut rauskommen wollte. Finn musste herzergreifend lachen, so gut man bei diesen gattungsfeindlichen Wassertemperaturen lachen konnte. Aber sein Galgenhumor mischte sich mit durchaus weniger lustigen Gedanken. Eins jedenfalls war klar, er konnte nicht einfach zur Insel von seiner Leuchtbake rüberschwimmen, sich an Land schleppen und auf Rettung warten. Immerhin war nicht grade davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten halben Stunde, bevor er bei Minusgraden in den klatschnassen Klamotten denn doch noch den Herzstillstand nachgeholt haben würde, dass also in absehbarer Zeit ein Rettungshubschrauber über dieses völlig abgelegene und, versteht sich, unbewohnte Eiland, über diesen nun wirklich als solchen ausgewiesenen Arsch der Welt fliegen und ihn, Finn, aufgabeln würde. Mal ganz davon abgesehen, dass er, nachdem er sich vor anderthalb Stunden noch bei der Küstenwache bitterlich über die üblen Streiche der Dorfjugend von heute beklagt hatte, nicht eben eine gute Figur machen würde neben dem zerdepperten Leuchtfeuer seiner Bake. Vielleicht hätte er sich bei entsprechendem rhetorischen Einsatz damit rausreden können, er sei auf der Suche nach den Übeltätern gewesen, habe sie auf frischer Tat ertappt, sie hätten daraufhin sein Boot zum Kentern gebracht, er sei nur knapp dem Tod durch Ertrinken entgangen und so weiter und so fort ... Wie auch immer, jedenfalls würde er sich mindestens verdächtig machen. Wo die ihn doch sowieso schon auf dem Kieker hatten.

      Und das zweite, was klar war: Hier im Wasser konnte er noch weniger bleiben.

      Unter diesen unwirtlichen Umständen waren keine zehn Minuten zu überleben. Wenn's ihm aber gelingen sollte, bis zum Boot zu kommen, und wenn es ihm des weiteren gelingen sollte, das Boot wieder nach oben zu drehen, den gründlich gewässerten Außenbordmotor anzuwerfen oder zumindest die altersschwachen Riemen in die Dollen zu würgen und in einem Wahnsinnsakt mit den klatschnassen Klamotten am Leib die sechs Seemeilen durch die Kälte zurück zu paddeln, wie sollte er Marit und Petter, wie sollte er vor allem Brik klarmachen, wo er gewesen und was ihm widerfahren sei. Sich schon wieder irgendeine Geschichte ausdenken, die ihm keiner – und Brik schon gar nicht – abnehmen würde?

      ___14.

      »Fi-inn, kann ich mal deine Inbusschlüssel?« Marit hatte den Kopf über die kreuz und quer verknotete Seilwinde gebeugt, die Petter aus seinem Boot ausgebaut und mit herauf gebracht hatte. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden des Dienstraums und fuhrwerkte mit mehreren Ködernadeln, Küchenmessern und dem Stocheisen im verkorksten Seilknäuel herum und setzte nun an, der Einfachheit halber die Winde soweit zu zerlegen, dass sie das indifferente Gewirr würde herausziehen können, um die Mechanik wieder flottzubekommen.

      »Keine Ahnung, wo die Werkzeugkiste ist. Im Moment.«

      »Finn! Das gibt's doch nicht. Nicht bei dir! Du hältst doch wie kein zweiter immer deine sieben Sachen zusammen. Also sag schon! Du brauchst auch nicht selber los, das Zeugs holen, ham wir schließlich Petter für. Was, Petter?!«

      Doch plötzlich krächzte der Morseempfänger, dass einem Angst und Bange wurde. Dididit dadada dididit. Vergessen waren Seilwinde, Inbusschlüssel und heilige Werkzeugordnung.

      »Ist doch SOS. Ich bin doch nicht schwerhörig.«

      »Ja, Marit, ich sitz auch nicht auf den Ohren.«

      »Heißt das ...«

      »Ich muss sofort los. Erst schnell Meldung machen, und dann ...«

      Marit war zur Tür geflitzt und verschloss sie von innen. Mit klackerndem Nachdruck drehte sie den Schlüssel zweimal im Schloss rum, zog ihn ab und ließ ihn in das Dekolleté ihres schmuddligen Schürzenkleids schlüpfen. Dann rannte sie in die Mitte des Raumes und übertönte Finns energische Aufforderung, den Schlüssel rauszurücken.

      »Wir haben's«, krähte sie, »wir haben's geschafft! Wasserpeitschen schlagen den Fels in