Название | Der Letzte macht das Licht aus |
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Автор произведения | Ulrich Land |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mord und Nachschlag |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895706 |
»Finn«, zischte sie, »okay, du hast mir wieder 'n Sinn, wieder 'n Ziel gegeben. Und das, das ist das beste, was du in den Jahren, wo du jetzt hier bist, hingekriegt hast. Dass ich wieder weiß, wodrauf ich zusteuer. Zusteuern will. Aber umso mehr will ich jetzt nicht außen vorgelassen werden. Verstehste?! Wenn ich eins hasse, dann sind das Alleingänge, Durchmärsche, ohne nach links und rechts zu sehn, bloß weil einer sich für den Größten, den Allergrößten hält.«
Klatsch. Die zusammengesunkene grauhaarige Gestalt auf dem Stuhl in der finstren Ofenecke hatte sich plötzlich aufgerichtet und sich mit beiden Händen auf die Knie geschlagen. »Halt's Maul! Mal endlich mal. Hat er doch gesagt, sollst das Maul halten. Und wenn hier einer was zu sagen hat, in drei Teufels Namen, dann er. Ist Leuchtturmwärter schließlich. Außerdem macht doch überhaupt keiner 'n Alleingang. Und uns geht's auch nicht besser als dir. Schließlich weiß doch keiner, was Sache ist.«
Petter fiel auf seinem Schemel wieder in sich zusammen, den Kopf zwischen die riesigen rissigen Hände geschoben. Die Alte blieb endlich stehen, maulte zwischen Mundstück und verbissenen Lippen hindurch, dass sie diese elende Warterei satt sei, diese elend endlose Warterei immer, paffte noch zweimal und hüllte sich in Schwaden aus Rauch und Schweigen. Kein Sterbenslaut war zu hören, nur aus dem Ofen dann und wann ein Seufzen, wenn ein Scheit in der Glut riss.
Finn hatte die Hände aus der Tasche gezogen und die Finger auf der Fensterbank gespreizt, die Augen, so dicht es ging, an die schwarze Glasscheibe gepresst.
Bloß die Kerze auf dem Tisch, die Marit immer meinte, anzünden zu müssen, »dass kein Deibel und kein Aas Einzug halten kann«, wie sie sich ausdrückte, die Kerzenflamme ließ sich von einem leisen Lufthauch zu einer winzigen Bewegung hinreißen. Plötzlich ein ohrenbetäubender Krach! Ein Holzklotz im Ofen musste krepiert und in tausend Stücke zersprungen sein, die jetzt wild prasselnd in der Glut tanzten.
»Da. Die olle Kiste. Hat sich gemuckst.«
»Unsinn! Der Ofen.«
»Oder doch?« Finn hatte sich mit einer blitzschnellen Bewegung dem Funkgerät neben der Alten zugewandt. Unter seinen linealgrade gezogenen Brauen glühte es. Gebannt starrte er den braunbespannten Lautsprecher an. »Hast recht, Alte.« Zwei große Schritte und er ging vor dem Gerät in die Knie. Während er schon mit spitzen Fingern an den Schaltern und Drehknöpfen friemelte, zog seine Linke den Hocker an Land, den er eben beim Sturm vom Fenster zum Armaturenpult achtlos beiseite getreten hatte. Ohne die kniende Haltung aufzugeben, stützte er sich mit den Hinterbacken nur grade eben auf die Kante der Sitzfläche. Und als der Hocker wieder nach hinten zu entgleiten drohte, spreizte er die Unterschenkel und keilte die Stuhlbeine ein, während er mit ungebrochenem Eifer an den Reglern des Empfängers fingerte.
Die greise Gestalt am Ofen hatte nichts mehr von einem närrischen Kauz: Die wirren grauen Haare standen steil in die ofenheiße Luft, Petters rotglühendes Gesicht mit der breiten Nase sah plötzlich verblüffend jung aus. Seine Seeadleraugen waren mit derselben Spannkraft, mit der sie ansonsten das Fjordwasser zu durchlöchern pflegten, gradeaus auf Finns Finger gerichtet. »Mensch, kannste aus dem ollen Kasten nicht mal was Hörbares mal rauslocken! Mal ein Sterbenswörtchen mal.«
»Genau.« Die Alte konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, gickelte mitten in die brennende Luft hinein. »Genau: Ein Sterbenswörtchen!«
»Schnauze«, raunte ihr Mann und schraubte wie Finn seinen Blick in den schwarzen Apparat, die darin verborgenen Wortrümpfe ausfindig zu machen. Das Gerät aber brachte einstweilen nur Krächzer und Knackser hervor. Die Finger des Leuchtturmwärters tasteten es behutsam ab, legten Schalter hin und her, bewegten den Sendersuchknopf mit unendlicher Geduld einen knappen Millimeter vor und einen zurück. Das Knarzen wurde lauter. Finns dünner Schnäuzer schien zu zittern, die Augenbrauen warfen die Stirn in Falten.
»Betty Blue is calling you. Betty Blue, Newcastle. Lighthouse Stjernholman, Vesterålen, do you hear me? Betty Blue. One of the lights on Røversvaer-Islands must be out of order. And it's a God damned fog all around here. According to our charts we just have passed a big submarine rock within rather a scanty distance! Fucking fog! Thank God, we managed it. Stjernholman Fyr – do you hear me? Betty Blue, Newcastle. There is one of the lights out of order.«
»Kacke. Kohlrabenschwarze Kacke.«
»Sie haben's! Geschafft. Mit heiler Haut davongekommen. Olle Scheiße noch mal.«
»Schnauze.«
Marit stampfte die knarrende Wendeltreppe runter zum Wohndeck und schepperte den Riesentopf auf den Herd. »Fi-inn«, brüllte sie nach oben, »hast doch nix dagegen, wenn ich mich bisschen was nützlich mach. Ach so, ist übrigens dein vorletztes Paket Reisig, aber macht ja nichts. Vielleicht, wenn de Glück hast, kriegste in Svolvik noch welches. Wenn de Glück hast und nicht der Letzte bist, der sich um Reisig kümmert, im September. Hähähä.«
»Marit«, kam es von oben, »ich hab mich hier grad verdorri noch mal um andre Sachen zu kümmern.«
»Ich mein ja nur.« Die Alte war eingeschnappt. Kurzerhand packte sie auch noch das letzte Reisigbündel und stopfte es energisch mit dem anderen in den Herd, obwohl schon eins mehr als genug war. Das würde Zunder geben! Sollte Finn doch sehen, wie er morgen das Kaffeewasser heiß kriegte.
Mit einem Ruck zog sie die zwei Stockfischpaare aus dem Wasserkübel, in dem sie sich 24 Stunden lang sattgesoffen hatten. Sie stanken höchst appetitlich. Und weich waren sie, geschmeidig; schließlich hatte Marit sie gestern eingehend mit dem Hammer bearbeitet. Jetzt brauchte bloß noch das Wasser kochen, und dann rein damit. Anderthalb Stunden. Aber Zeit hatte sie ja. Da oben würde sich jetzt einstweilen sowieso nichts mehr tun. Also konnte sie auch hier unten dem Stockfisch zusehen, wie er noch mal, ein letztes Mal schwimmen lernte. Und schon mal am Aquavit nippen. Konnte schließlich nicht schaden bei dem vernebelten Sauwetter da draußen.
___8.
Schöne Tänzerin – nicht schön eigentlich, wie gesagt, schön nicht, nicht so richtig. Diese Klotznase, die hat er dir auch zu groß, zu klumpig ins Gesicht gemalt. Könntest schon noch schöner sein. Aber, ich weiß auch nicht – ungeheuer! Irgendwie ungeheuer. Mit deinem schwarzen, pechschwarzen Blick, und den rechten Arm schnurgrad schräg nach unten und angelehnt an die Armlehne von deinem dunkelroten, völlig verbauten Sessel – hat sich dein Beckmann wieder was zusammengepinselt! Die linke Hand wie im Dings, im Ballett fingerzeigend, ja noch mal, zwingt einen sozusagen in die Knie irgendwie, – da steht man und macht nichts mehr. Rein gar nichts.
Hätt nicht gedacht, Gunnar, alter Junge, dass dich eine so aus der Fassung, hartgesotten wie du bist, noch aus der Fassung bringen könnt. Dachte, so was wär mir abhanden gekommen, so diese Aufregung.
Heh Tänzerin, wie alt ist dein Klecksmax geworden? Sechsundsechzig? Hat er grad rechtzeitig den Arsch zugekniffen. Noch nichts mit Rente. Trotzdem, vielleicht hat er sie trotzdem gekannt schon, diese Angst vor diesen Rentnertagen, vor jedem neuen neu diese Angst: Auch der Tag ist wieder ein Idiot. Ich hab sie schon vor Augen gehabt, diese Angst, völlig ungeschminkt. War doch absolut nicht sicher – mit fast 50 ist man schließlich auch nicht mehr der Jüngste, und wo jetzt der Fuß ab war – war absolut nicht sicher, dass ich noch 'ne Arbeit find. Auf See jedenfalls nicht. Dabei guck ich für mein Leben gern, guck raus ins Offene, in die Weite bis zum Horizont, aber Essig! Also gut, da kam mir das mit den Bildern hier grad zupass. Einigermaßen. Konnte ja nicht ahnen, dass mir so eine hier übern Weg laufen würd.
Mann, bei mir, schöne Tänzerin, hättste's verdammt nicht schlecht, würdst nicht dauernd angepeilt von diesen schwachsinnig schwindsüchtigen Linsern mit ihren verranzten Bratäpfeln unter der Stirn. Die müssen dir doch auf den Zwirn gehn, jeden Tag und jeden Tag! Ich weiß überhaupt nicht, ob das wirklich ein Fächer ist, den de dir vor deinen Balköner hältst. Ich meine, wenn ich mir diesen ganzen Bohei hier im Museum – oder Halle ja, Halle von der alten Fischmehlfabrik, die der Kunstforeningen extra für die Ausstellung angemietet hat, jau, weiß ich, also: Halle, – wenn ich mir den Bohei hier in der Fischmehlfabrikhalle angucke, dies ganze Gebrabbel um dich rum, könnt man meinen, dein Max hat gar nicht 'en Fächer, hat vielleicht