Don Bosco - eBook. Teresio Bosco

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Название Don Bosco - eBook
Автор произведения Teresio Bosco
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783769880144



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Becchi, in dem das Haus der Familie Bosco lag, bestand aus zehn Häusern, die über eine Anhöhe verstreut waren. Die Gegend war hügelig. Der Blick ging über Weinberge und kleine Wälder. Sie gehörten zum Dorf Morialdo, das fünf Kilometer von dem Marktflecken Castelnuovo d’Asti entfernt war.

      Im Jahr 1817 wurde das Hügelland des Monferrato, in dessen Norden Castelnuovo lag, zusammen mit dem ganzen Piemont von einer schweren Hungersnot heimgesucht. Im Frühjahr kam zunächst der Frost, dann folgte eine lange Dürreperiode. Die Ernte war verloren. Auf dem Land herrschte Hunger, großer Hunger. In den Straßengräben fand man verhungerte Bettler, die den Mund voll Gras hatten.

      Ein Dokument aus dieser Zeit beschreibt, wie Turin, die Hauptstadt des Piemont, damals eine Invasion von geradezu biblischen Ausmaßen erlebte: Züge von ausgemergelten und zerlumpten Menschen, die ihre Dörfer verlassen hatten, Gruppen von Familien, die aus den Tälern und von den Hügeln herab in die Stadt gezogen waren, wo sie sich vor den Kirchen und Palästen niederließen und die Hand nach Almosen ausstreckten.

      Gerade in dieser schlimmen Zeit musste Margherita ihre Familie alleine versorgen. Im Haus waren ihre Schwiegermutter, die gelähmt und daher an den Lehnstuhl gefesselt war, Antonio (neun Jahre), der Sohn aus der ersten Ehe ihres verstorbenen Mannes, und ihre beiden eigenen Kinder Giuseppe und Giovanni (vier und zwei Jahre). Sie, die Bäuerin und Analphabetin, bewies in diesen Monaten Charakterstärke.

      „Meine Mutter gab der Familie zu essen, solange sie etwas hatte“, erzählte Don Bosco. „Dann bat sie einen Nachbarn, Bernardo Cavallo, ihr Geld zu leihen, damit sie auf die Suche nach Lebensmitteln gehen konnte. Sie ging auf verschiedene Märkte. Aber selbst zu Wucherpreisen konnte sie nichts bekommen. Nach zwei Tagen kehrte sie am Abend zurück, sehnsüchtig von uns erwartet. Als sie das Geld zurückgab und sagte, dass sie nichts bekommen hatte, überkam sie die Angst. Wir hatten schon seitdem sie fortgegangen war nichts mehr zu essen gehabt. Dann aber fasste sich meine Mutter und sagte: ,Francesco sagte im Sterben zu mir, ich solle auf Gott vertrauen. Knien wir nieder und beten!‘

      Nach kurzer Zeit stand sie wieder auf. ,In extremen Fällen muss man zu extremen Mitteln greifen‘, meinte sie. Mithilfe von Bernardo Cavallo ging sie in den Stall, um das Kalb zu schlachten. Dann kochte sie etwas Fleisch und gab es uns zu essen. Wir waren erschöpft. In den folgenden Tagen ließ sie von weither Getreide kommen, zu einem teuren Preis.“

      In piemontesischen Bauernfamilien war das Schlachten eines Kalbs bis vor wenigen Jahrzehnten ein Akt der Verzweiflung. Denn ein Kalb, das im Stall groß werden konnte, war eine Geldanlage, die es einem erlaubte, eventuell auftretende schwierige Situationen, wie zum Beispiel eine Krankheit, zu überstehen. Es zu schlachten, bedeutete deshalb, sich der letzten Reserve zu entäußern. Tod, Hunger und Schwierigkeiten – das waren also die ersten Erinnerungen eines Kindes, das später einmal der Vater vieler Waisen werden sollte, ein Vater, der in seinen Häusern vielen Jungen Brot geben würde.

      Ein Ereignis, das die Welt veränderte

      Während der Kindheit Don Boscos fegte ein Orkan über Europa hinweg, der die Welt aus den Angeln zu heben drohte. 1789 war in Paris die Französische Revolution ausgebrochen. Mit einem Schlag lag über Europa eine Atmosphäre der Neuerungen und Erwartungen. Auch auf Italien griffen die Wellen der Veränderungen über: Nach Jahrhunderten erstarrter Herrschaft des Königs und der Adeligen brachen deren Privilegien nun zusammen. Die Schlagworte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wurden nun nicht mehr nur geflüstert, sondern laut hinausgeschrien. Die Menschenrechte und die „Herrschaft des Volkes“ wurden proklamiert, und für sie – nicht mehr für die Rechte des Königs – wurde jetzt gekämpft.

      Wie in jeder Epoche radikalen Wandels vermischte sich aber auch jetzt die feste und durchaus berechtigte Entschlossenheit mit ungerechtfertigter Gewalt. Viele Probleme, welche die Ursachen für die Revolution gewesen waren, wurden nun durch die Guillotine „beseitigt“. Die fanatischen „Vertreter des Volkes“, die Jakobiner, verwandelten die Revolution 1793 in ein schreckliches Blutbad. Allein im Juni und Juli jenes Jahres kamen in Frankreich 1.285 Menschen durch die Guillotine um. Europa war entsetzt. Was in Paris in diesen Monaten geschah, schien Ausdruck eines kollektiven Wahnsinns zu sein.

      1794 aber endete die Diktatur der Jakobiner. Damit war auch der Terror vorbei. Die Revolution befand sich wieder in den Händen der gemäßigten „Bürgerlichen“, die das Wahlrecht jedoch nur einer kleinen Minderheit von etwa 30.000 begüterten französischen Bürgern zuerkannten. Schon allein Paris aber hatte damals bereits 600.000 Einwohner. Die Macht war also nur in die Hände anderer übergegangen.

      Ein General mit 27 Jahren

      Bereits 1796 erreichte ein französisches Revolutionsheer, angeführt von einem 27-jährigen General mit Namen Napoleon Bonaparte, Italien. Die französischen Soldaten redeten von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“. Trotz des Schattens von Gewalt, der bereits auf diesen Schlagworten lag, entfachten sie damit auch in Italien bei der jungen Generation eine ungeheure Begeisterung. Auch das Königreich Sardinien-Piemont musste mit Napoleon einen Waffenstillstand schließen und Savoyen und Nizza an Frankreich abtreten. Der damalige König Carlo Emanuele IV. zog sich im Dezember 1798 in das von den Franzosen nicht besetzte Sardinien zurück. Österreich, unter dessen Herrschaft sich der östliche Teil Oberitaliens damals noch befand, wurde ebenfalls von den Franzosen besiegt und musste daher 1797 einen großen Teil seiner norditalienischen Territorien aufgeben, in denen dann eine Republik ausgerufen wurde. 1798 wurden auch im Kirchenstaat und 1799 in Neapel Republiken errichtet, die sich aber nur kurze Zeit halten konnten.

      Napoleon aber war ein unruhiger Geist. Mehr als auf den Triumph der Revolution war er auf glänzende militärische Ehren aus. Während seines Feldzugs in Ägypten fielen 1799 österreichische und auch russische Truppen mit Kosaken in Italien ein. Auf ihren kleinen Steppenpferden drangen die Kosaken in die Städte ein. Napoleon kehrte zurück, und der Krieg begann von Neuem. Überall herrschte Not und Elend, selbst in der fruchtbaren Po­ebene. 1801 konnte Napoleon Oberitalien zurückerobern, 1805 entstand aus allen norditalienischen Gebieten das Königreich Italien unter König Napoleon, bis 1808 wurden auch Venetien, die Toskana und der Kirchenstaat mit Frankreich vereinigt.

      Im strengen Winter vor Moskau kam es aber dann 1812/13 zum jähen Zusammenbruch und zum Rückzug der „Grande Armee“ Napoleons. Aber erst die große Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1813 brachte das Ende seiner Herrschaft. Erneut marschierten von den Alpen her, über den Isonzo, Österreicher, Deutsche und Kroaten in die Poebene ein. Alle verkündeten, sie seien nur gekommen, um Italien von der napoleonischen Herrschaft zu „befreien“. Nach der kurzen Rückkehr Napoleons während der sogenannten „Herrschaft der 100 Tage“ endete seine Ära dann 1815 endgültig mit der Verbannung auf die Atlantik­insel St. Helena.

      Italien und ganz Europa waren kriegsmüde, übersät von Ruinen, durchstreift von Waisen. Die Dörfer waren ausgeraubt und entvölkert, da selbst Jugendliche einberufen und auf ferne Schlachtfelder gebracht worden waren, um dort zu sterben. Die Menschen, die jahrelang nach „Freiheit“ gerufen hatten, suchten jetzt nur noch den Frieden.

      Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen

      Giovanni Bosco selbst erfuhr es später aus den Geschichtsbüchern, dass er in einer Zeit geboren worden war, die „Restauration“ genannt wurde. Sie begann im November 1814 mit der Eröffnung des Wiener Kongresses durch die Siegermächte über Napoleon und dauerte im größten Teil Italiens bis 1847, als die wichtigsten italienischen Staaten unter dem Druck der Bewegung des „Risorgimento“ (Bezeichnung für die italienischen Einigungsbestrebungen) auf den Kurs liberaler Reformpolitik einschwenkten.

      Die Restauration war eine sehr problematische Epoche. Die durch die Revolution ge­stürz­ten Könige kehrten aufgrund der Entscheidungen des Wiener Kongresses zurück und glaubten, mit einigen Federstrichen 15 Jahre Geschichte auslöschen zu können. König Vittorio Emanuele I. von Sardinien-Piemont, der im Juni 1802 dem abgedankten Carlo Emanuele IV. nachgefolgt war, zog in einem Prunkwagen in Turin ein, umjubelt vom Volk, das die Straßen säumte. Besonders die Menschen auf dem Land wollten Frieden. Die Adeligen aber versicherten,