Название | Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition) |
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Автор произведения | Ed Sanders |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870998 |
Eines Abends strich Sam durch die kleinen Straßen seiner Nachbarschaft und suchte nach einer neuen Matratze. Es war wirklich ein mieser Tag für Schnorrer. Schließlich stöberte er ein vergammeltes Exemplar auf, das wie eine Roulade mit einer Schnur zusammengebunden war und an einer Mülltonne auf der Ecke Neunte Straße und Avenue C lehnte.
Das erste, was zu tun war, um eine kostenlose Straßenmatratze auszuchecken, war rauszukriegen, warum der Eigentümer sie loswerden wollte. Sam inspizierte das Ding. Sogar für geschenkt war es ein ziemlich erbärmliches Exemplar. Erstens hatten die Vorbesitzer mit Sicherheit nicht zu den Enthaltsamsten gehört, wie mehrere kalkige Fleckenspuren in der Mitte verrieten. Als er sie aber einem gründlichen Haltbarkeits- bzw. Sprungtest unterworfen hatte, machte sie doch wenigstens einen ziemlich festen Eindruck. Seiner Nase kam sie auch nicht besonders anrüchig vor und weder obendrauf noch innen drin konnte er irgendwelche Anzeichen für Läuse, Zecken, Flöhe oder Kakerlaken entdecken. Nachdem er sich dessen vergewissert hatte, packte er sich das Ding auf den Buckel und schwankte Richtung Elfter Straße zurück in sein Apartment.
Sams Küchengeschirr bestand aus zwei großen Holzschalen, zwei chinesischen Suppenlöffeln, zwei Gläsern, einem Dosenöffner, einem Messer und ein paar Töpfen. Kurz, nachdem er eingezogen war, stellte ihm das Elektrizitätswerk Licht und Strom ab und informierte ihn darüber, dass er ohne Hinterlegung einer Kaution leider auf den Service von Con-Ed verzichten müsse. Er beschloss, es durchzustehen, kaufte sich statt dessen Kerzen und lebte ein ganzes Jahr lang glücklich und ohne Strom.
An dem Tag, als Con-Ed ihm das Licht abdrehte, hatte er sich zum Lunch einen Topf Broccoli gekocht und davon Sandwiches mit Erdnussbutter gemacht. Das übriggebliebene Gemüse stellte er in den ratternden Kühlschrank, wo es innerhalb der nächsten elf Monate langsam vor sich hin faulte. Wenn jemand aus Versehen die Kühlschranktür aufmachte, kriegte er das große Kotzen. Kein Gestank, der je erfunden wurde, konnte es mit diesen stinkigen Schwaden der Verwesung aus Tales from the Crypt aufnehmen, die einem in die Nase stiegen, wenn man die Tür auch nur einen Spaltbreit aufmachte. Schon bei der bloßen Erinnerung wird es meinen Gehirnzellen speiübel.
Nachdem sein Herd also nicht mehr funktionstüchtig war, gewöhnte Sam sich an rohes Gemüse und kalten Büchsenfraß. Aus geheimnisvollen Gründen erfand er nach ein paar Tagen eine merkwürdige Komposition namens Yum. Monatelang lebte er von einer exklusiven Diät aus Yum und Vitamin C, abgesehen von gelegentlichen Seitensprüngen ins nahe Odessa-Restaurant, wo er sich Banketten von Piroggen mit saurer Sahne hingab. Und was war Yum? Ganz einfach! Zuerst kippte er eine trockene fünf Zentimeter dicke Schicht Haferflocken in seine Holzschale. Darüber kamen zwei Löffel Hellmann’s Mayonnaise und ein paar großzügige Spritzer Sojasauce. Über diesen köstlichen Boden gab er zwei frische Eier und verrührte dann das Ganze zu einer beige-gelblichen Pampe. Das war Yum! Mal probieren?
Elf glückliche Monate lang ernährte er sich Tag für Tag von Yum, von dem Tag an, wo er den Topf mit Broccoli in seinem unbrauchbaren Kühlschrank deponiert hatte, bis Ende 1962. Es machte ihm nicht im geringsten was aus, seine Yum-Schüssel mit Besuchern zu teilen, wenn sie zufällig grade zur Essenszeit vorbeikamen. Man musste allerdings eine gewisse Scheu oder Zurückhaltung konstatieren, was den tatsächlichen Verzehr betraf, wenn der Freund mitgekriegt hatte, wie Verleger Sam seinen feuchten gelben Yum-Brei angemixt hatte.
Der Geist von Yum bestimmte auch sein übriges Leben. Einmal, kurz nach der Sache mit dem Strom, wartete er auf seine kleine blonde Freundin, die die Nacht über bei ihm bleiben wollte. Plötzlich hatte er eine Idee, marschierte zu einem Großhändler drüben in der Houston Street und erstand einen Sack mit fünfundzwanzig Pfund Haferflocken.
Abends kippten die beiden dann den ganzen Sack in Sams Badewanne und vermischten den Inhalt mit großzügigen Teilen von Maisöl und heißer Milch, die sie in einer Thermosflasche mitgebracht hatte. Dann feierten sie ihr erstes Zusammensein nach Monaten mit einer unverzüglichen Liebesorgie im heißen Haferbreibad, rieben sich gegenseitig mit ölglänzenden Haferflocken ein und klebten sich wie kleine Kinder die milchigen Körner auf diverse Körperrundungen und Öffnungen. Auf ihren Brüsten glänzte eine Schicht schimmernden Haferflockenschmands. Als sie jetzt aus der Wanne stiegen, sahen sie aus wie die reinsten Höhlenmenschen. Sie liefen hinüber ins Wohnzimmer, wälzten sich auf der Bambusmatte und küssten und leckten sich die Körner der Göttin Demeter von der Haut.
Schließlich hatte Sam sein Apartment fertig renoviert und eingerichtet. Es war Zeit, die nächste Nummer von The Shriek of Revolution in Angriff zu nehmen. Seine ausgedehnte Korrespondenz mit den peripatetischen Schreiberlingen seiner Generation hatte ihm so viel gute Poesie verschafft, dass er mittlerweile schon die vierte Ausgabe des Magazins herausbringen konnte.
Zuerst tippte er die Matrizen. Das kostete immer die meiste Zeit und erforderte umständliche Korrekturen mit einem Rasiermesser und einer klebrigen Korrekturflüssigkeit, die er auf den Tippfehler pinseln und trockenpusten musste, ehe er das Wort neu schreiben konnte. Manchmal tippte er bis nach Mitternacht im Licht einer Kerze, bis der Mann von nebenan mit einem Besen gegen die Wand polterte.
Er selbst verfasste mehrere Vorworte. In einem davon rief er alle Bewohner der Lower East Side auf, die rußigen Inhalte ihrer Nasenlöcher jeden Morgen an die Con-Ed Company zu schicken, sozusagen als Protest gegen ihre qualmenden Schornsteinvulkane. Im zweiten Vorwort beschrieb er eine fiktive Sitzung der Shriek-of-Revolution-Redaktion und nannte dabei die Namen von fünf oder sechs seiner Freunde.
So wie er das Ganze schilderte, ließ die vollständig versammelte Redaktion alle entscheidenden Überlegungen bezüglich der nächsten Ausgabe vom Shriek schnellstens unter den Tisch fallen und stürzte sich stattdessen in eine handfeste Gruppenfummelei. Eine Dichterin namens Cynthia Pruitt, von ihren Freunden in Stanley’s Bar »Cynito« gerufen, spielte dabei die Hauptrolle. Cynthia war ein süßes Mädel, das in den frühen Sechziger Jahren die Versammlungen der Friedensbewegung und die Buden in der Lower East Side unsicher machte und nebenbei eine beachtliche Dichterin war. Sam hatte schon öfter Arbeiten von ihr im Shriek veröffentlicht. Als er das Vorwort tippte, dachte er nicht im Traum daran, dass seine Freunde, einschließlich der geilen Cynthia, an seiner freizügigen und detaillierten Schilderung der radikalen Sitzung Anstoß nehmen könnten.
Schließlich waren alle Matrizen fertig getippt und korrigiert. Er bestellte ein paar Ladungen blaues Umdruckpapier und kaum war das im Haus, hockte er sich hin und fing mit den Vorbereitungen zum Druck an. Zuerst platzierte er den kleinen Umdrucker auf der Metallverkleidung der Badewanne und schmierte Farbe auf die Innenseite der Druckerwalze. Dann legte er eine Matrize auf die Walze, strich sie glatt, checkte die gleichmäßige Farbgebung, füllte die Einlegevorrichtung mit Papier und drehte dann langsam am Griff. Er druckte mit einer Art entrückter Versenkung, die man schon fast religiös nennen konnte. Alles war göttlich. Die Galaxie existierte. Sternengeschwader drifteten durch das All. Er betete seinen Martizendrucker an. Er hielt ihn stets auf Hochglanz. Manchmal saß er stundenlang auf der Bambusmatte, versenkte sich in den Anblick des Speed-O-Print drüben auf der Badewanne und meditierte.
Als alle Blätter einzeln gedruckt waren, blieb nur noch der schreckliche Job des Zusammenlegens. Normalerweise hatten seine Ausgaben nicht mehr als dreißig Seiten und er ging folgendermaßen vor: Er setzte sich mit untergeschlagenen Beinen in Bodhisattva-Position auf die Erde — klar? — und verteilte um sich herum drei konzentrische, halbkreisförmige Reihen mit Stapeln der einzelnen Seiten. Dann beugte er sich nach vorn und legte sie Blatt für Blatt aufeinander, wobei er sich von links nach rechts durch den äußersten Kreis arbeitete, dann durch den mittleren, und am Schluss durch den inneren fegte, der seinen kreuzbeinigen Körper fast ganz umkreiste. Jedes vollständige Exemplar klopfte er einmal von oben und einmal von der Seite auf die Erde, damit er sie möglichst gerade aufeinander liegen hatte und sie später schneller klammern konnte. Langsam wuchs der Stapel, bis er am Schluss alle fünfhundert Stück der Ausgabe beisammenhatte.
Die nächste und letzte langweilige Aufgabe bestand darin, jedes fertige Exemplar Klack! Klack! Klack! dreimal an der linken Kante entlang zu heften. Puh! Am Schluss adressierte