Название | Alles ist Übergang |
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Автор произведения | Michael Albus |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783766642981 |
Herr Fink
Da muss ich noch etwas einschieben: Mein Verhältnis zu meinen Mitarbeitern, meinen Untergegebenen im Beruf war immer gut. Das war auch eine Erfahrung von Glück, dass sie immer, auch wenn es Schwierigkeiten gab, hinter mir und zu mir gestanden sind.
Albus
Es war Ihnen also auch wichtig, zu den Menschen ein gutes Verhältnis zu haben, die man normalerweise als „Unter“-Gebene bezeichnet.
Herr Fink
Darum habe ich mich immer bemüht. Ja, das war mir sehr wichtig!
Frau Fink
Helmut hat zu seinem Geburtstag von einer ehemaligen Mitarbeiterin ein Gedicht von Petrus Ceelen geschenkt bekommen, das für sich spricht und zeigt, wie sein Verhältnis zu den Berufskolleginnen und -kollegen war. Es lautete so:
Ein Geschenk
Manche Menschen wissen nicht,
wie wichtig es ist, dass sie da sind.
Manche Menschen wissen nicht,
wie gut es tut, sie nur zu sehen.
Manche Menschen wissen nicht,
wie wohltuend es in ihrer Nähe ist.
Manche Menschen wissen nicht,
wie viel ärmer wir ohne sie wären.
Manche Menschen wissen nicht,
dass sie ein Geschenk des Himmels sind.
Sie wüssten es nicht, würden wir es ihnen sagen.
Herr Fink
Als ich mich bei der ehemaligen Mitarbeiterin telefonisch dafür bedankte, haben wir gemeinsam miteinander geweint. Das habe ich davor noch nie gemacht. Ich bin kein Typ, der schnell weint.
Albus
Wir kommen wieder auf den Zeitpunkt des Ausbruchs Ihrer Krankheit zurück.
Wie hat sie sich angekündigt? Wie und wann haben Sie etwas gespürt?
Herr Fink
Ich habe Schwierigkeiten beim Wasserlassen gespürt. Mein ganzes Leben lang war ich jedes Jahr zweimal beim Urologen zur Kontrolluntersuchung. Da war immer alles ganz in Ordnung. Der PSA-Wert war immer ganz normal. Nun aber hat das Krankenhaus gesagt, nachdem die Prostata ausgeschält und die Untersuchung durchgeführt worden war: Krebs! Und zwar ein Krebs, der ausgesprochen aggressiv und lebensbedrohlich war.
Albus
Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?
Herr Fink
Für mich war das eine der härtesten Urteile, die ich je in meinem Leben bekommen habe. Und da mir niemand eine Prognose geben wollte oder konnte, habe ich gesagt: Also ich gebe mir noch drei Monate! Dann würde ich in das Grab steigen, das „Fink“ heißt … (Ringt nach Worten, kann nicht mehr weitersprechen).
Albus
Herr Fink, ich frage mal Ihre Frau, wie das war? Ich denke, dass diese Information wie ein Keulenschlag auf Sie niedergefahren ist.
Frau Fink
Bei dem Gespräch mit der Ärztin war ich ja dabei. Ich habe es nicht wie ein Keulenschlag empfunden. Ich habe es einfach weggeschoben. Habe mir gesagt: Das kann nicht sein! Helmut ist dann ziemlich schnell, nach fünf oder sechs Tagen, aus dem Krankenhaus gekommen und ist weiter beim Urologen in Behandlung gewesen. Es ging ihm ein ganzes Jahr so gut, dass ich einfach nicht an die schreckliche Nachricht glauben konnte. 2014 begannen dann wieder die massiven Beschwerden mit der verstopften Harnröhre. Er musste wieder ins Krankenhaus, ist wieder ausgeschält worden. Danach ging es wieder ein Dreivierteljahr gut. Aber im Dezember 2014, als Helmut und ich die Grippe hatten, ging’s ihm auf einmal ganz schlecht, weil noch weitere massive Beschwerden hinzukamen. Schließlich musste er akut ins Krankenhaus und ist dann operiert worden. Von da ab ging es nur noch schlecht und schlechter.
Albus
Sie haben gesagt, Frau Fink, das dürfe nicht wahr sein: diese Nachricht, dieser Befund. – Wieder zu Ihnen, Herr Fink: Wie hat das auf Sie gewirkt? Da sind Ihnen doch die widersprüchlichsten Gedanken durch den Kopf gegangen. Hat sich ein Überlebenswille gemeldet? Oder haben Sie sofort resigniert? Welche Gefühle haben Sie beherrscht? Was können Sie heute dazu sagen, wenn Sie sich zu erinnern versuchen?
Herr Fink
Meine Überzeugung war: Ich habe nur noch kurz zu leben. Ich habe zu Hause angefangen, aufzuräumen, war der Meinung: Das Leben geht jetzt nicht irgendwann, sondern bald, ja schnell zu Ende. Ich habe mich wirklich über jeden Tag gefreut, den ich noch erleben durfte. Ich war innerlich ganz ruhig und habe keine Hektik entwickelt.
Frau Fink
Wir sind sogar noch in Urlaub gefahren.
Albus
Herr Fink, haben Sie sich unter der Oberfläche des Alltags in dieser Zeit mit der Härte der Tatsache und dem, was daraus folgen könnte, auseinandergesetzt, oder haben Sie die neue Wirklichkeit verdrängt?
Herr Fink
Ich habe mich nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt, weil ich relativ zufrieden war. Ich habe mir gesagt: Du bist jetzt 75 Jahre alt, bist eigentlich zufrieden.
Albus
Haben Sie sich bei aller Zufriedenheit nicht doch in Ihrem tiefsten Innern gegen dieses Urteil, das Ihnen der Arzt übermittelt hat, aufgelehnt?
Herr Fink
Doch, manchmal habe ich mich aufgelehnt. Aber anfänglich ging’s mir doch noch gut. Auch angesichts des Urteils der Ärzte habe ich keinen Anlass für eine Veränderung in meiner Lebensführung gesehen. Ich habe und hätte mir ja auch erlauben können, in Urlaub zu fahren und das oder jenes zu „drehen“. Das wollte ich aber nicht. Ich wollte mein Leben ganz normal weiterführen. Ich wollte rausgehen, in den Garten, wollte sehen, was da wächst. Und ich wollte mit meiner Frau zusammen schön frühstücken. Wir haben begonnen – was ich vorher nie gemacht hatte –, morgens einen Piccolo zu trinken. Das hat uns genügt.
Albus
Frau Fink, war das so, wie es Ihr Mann gerade beschrieben hat?
Frau Fink
Nicht ganz! Nach der Diagnose hat sich Helmut im Internet oder in Büchern kundig zu machen versucht. Alles, was er kriegen konnte, hat er erforscht: Über Leute, denen es genauso ging wie ihm nun. Und wie die das erlebt haben. Wir sind in viele Vorträge gegangen. Helmut hat auch sein Essen total umgestellt. Er hat keine Kohlehydrate mehr, sondern nur noch Gemüse gegessen, weil Kohlehydrate den Krebs ernähren würden. Auch Fisch und Fleisch hat er gegessen. Am Frühstückstisch und auch bei den anderen Mahlzeiten hat er eine ganze Palette Gewürze verwendet, die ihm helfen sollten. Manchmal habe ich nicht mehr gewusst, ob ich das, was ich gekocht hatte, richtig abgeschmeckt habe. Ihm konnte keiner mehr, was seine Krankheit betraf, etwas vormachen. Auch der Arzt nicht!
Ich habe manchmal geschimpft mit ihm, weil er die Sachen gar nicht aus seinem Kopf rausgekriegt hat. Ich habe ihm gesagt: Was interessiert dich denn, wie der oder der gelebt oder gestorben ist. Lass’ es doch auf uns zukommen! Es wird doch alles gut! – Ich habe immer geglaubt: Das haben wir im Griff!
Albus
Sie hatten es dann nicht mehr im Griff.
Frau Fink
Ja! Leider ja!
Albus
Sie haben gedacht, es wird doch wieder gut. Und jetzt die Gewissheit, das Todesurteil: Es wird nicht mehr gut. – Was ist da mit und in Ihnen beiden vor sich gegangen?
Was