Muster für morgen. Frank Westermann

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Название Muster für morgen
Автор произведения Frank Westermann
Жанр Языкознание
Серия Andere Welten
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871834



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der Bewegung mitzumachen. Von da aus kam er dann zu einem Zimmer in einem der besetzten Häuser im miesesten Industrieviertel von Neu-Ing. So lernte er zum ersten Mal Menschen kennen, deren Freundschaft untereinander nicht auf Geld, Macht und Abhängigkeiten beruhte, sondern auf gegenseitiger, freiwilliger Unterstützung. Sie waren durch Vorstellungen, Ideen, politische Ziele und alltäglicher Praxis miteinander verbunden.

      Sein restliches Geld wurde hier gut gebraucht, und statt im Konsumrausch die tägliche Langeweile zu überdecken, lernte er hier notwendige Überlebenstechniken: Schwarzarbeit, Lebensmittel stehlen und Papiere fälschen, gehörten schon bald zur Routine.

      Seine Fähigkeiten als Ingenieur, die er in seinem Beruf nie gebraucht hatte, konnte er hier praktisch anwenden: bei Instandsetzungsarbeiten, Computerausnutzung oder im Austausch gegen etwas Gemüse von einer Gruppe Ökos, die in der Nähe in verbissener Arbeit versuchten, auf dem misshandelten Boden in Gewächshäusern etwas anzubauen.

      Obwohl er ahnte, dass es in nicht allzu ferner Zeit zu harten Entscheidungskämpfen mit der Staatsgewalt, die die herrschende Ökonomie schützte, kommen würde, fühlte er sich hier wohler und zufriedener als in seinem ganzen hohlen Leben zuvor. Es gab zwar jede Menge Auseinandersetzungen, Depressionsphasen und Ängste, aber jetzt wusste er wenigstens, wofür er lebte.

      Omar Tagusch sah nach draußen: ein trüber regnerischer Tag, der Smog lag tief und vermischte sich mit den grauschwarzen Wolken. Es sah fast immer so aus und war gerade richtig für das, was sie heute vorhatten. Sie sollten einen Haufen Ersatzteile hinter dem Gelände einer Elektronikfirma in Empfang nehmen, und das ging bei diesem nebligen Wetter weitaus besser als bei strahlendem Sonnenschein.

       On my supersonic rocket ship

       Nobody has to be hip

       Nobody needs to be out of sight.

       Nobody’s gonna travel second class

       There’ll be equality

       And no suppression of minority, well alright.

       We’ll take this planet, shake it ‘round

       And turn it upside down.

      The Kinks - »Supersonic Rocket Ship«

       2.

       DIE ERDE

      Mein mulmiges Gefühl verstärkte sich, je näher wir der Erde kamen. Sonnenfeuer hatte sich mit Kopfschmerzen zurückgezogen, Kortanor und Sucherin saßen abwartend neben mir. Lucky ging unruhig hinter uns auf und ab.

      Ich hatte die Steuerung der CHANGE an Kortanor abgegeben, weil ich mich mit dem Flug innerhalb eines Sonnensystems nicht auskannte. Seine Nackenhaare hatten sich aufgerichtet, ein Zeichen für Anspannung bei dem Tromaden.

      Die Überraschungen ließen auch nicht lange auf sich warten. Ich wäre auch fast etwas erstaunt gewesen, wenn sie sich nicht eingestellt hätten.

      Es begann damit, dass Lucky auf einen kleinen Bildschirm zeigte, vor dem er gerade stand.

      »Merkwürdig«, wandte er sich an uns, »ich empfange hier eine Ortungsanzeige.«

      »Was soll das denn sein?« fragte ich zurück. »Wahrscheinlich doch ein Asteroid oder so etwas.«

      »Ach, Quatsch! Das wäre ja nichts Besonderes. Nein, es handelt sich ganz eindeutig um ein Raumfahrzeug, wenn ich auch kaum Anzeichen von Antriebsenergie empfange.«

      »Ich denke, eure Staaten verfügen nicht über Raumschiffe«, warf Kortanor ein.

      »Das habe ich auch gedacht«, gab ich zurück. »Aber neun Jahre können eine Menge ändern.«

      »Aber so schnell lassen sich doch keine interplanetaren Raumschiffe erfinden und bauen«, bezweifelte Lucky. »Ich habe den Kurs zurückverfolgt. Das Schiff kommt eindeutig vom Mars!«

      »Wahrscheinlich haben sie uns ebenfalls schon auf den Sichtschirmen«, bemerkte Sucherin.

      »Scheiße! Das wirft unsere ganzen Pläne über den Haufen.« Ich schlug mit der Faust auf das Pult. »Schließlich wollten wir heimlich landen.«

      Wir näherten uns weiter der Flugbahn des anderen Raumschiffes. Jetzt war es unmöglich, noch Versteck zu spielen. Ich dachte kurz an ein außerirdisches Schiff, aber das war doch etwas unwahrscheinlich.

      »Tut mir leid«, entschuldigte sich Kortanor, »aber damit habe ich nicht gerechnet.«

      Natürlich war es nicht seine Schuld. Er hatte falsche Informationen von uns bekommen.

      Kurz darauf trafen die ersten Funksignale ein.

      »Sollen wir uns melden?« fragte Lucky.

      »Es hat wohl keinen Zweck, noch etwas zu verheimlichen«, meinte Sucherin und sah mich an.

      »Na gut.«

      Ich erhielt auch Luckys und Kortanors Zustimmung und aktivierte das Bildfunkgerät. Auf dem Schirm zeigte sich das verwaschene Konterfei eines stoppelbärtigen älteren Typs.

      «... melden Sie sich. Geben Sie Flugziel und Besatzung an. Die Regierung ist bereits informiert. Sie haben keine Chance, hier unbemerkt durchzukommen!«

      »Schon gut!« winkte ich ärgerlich ab. »Wir haben ja nicht die Absicht, was zu verbergen. Wir kommen von ziemlich weit her und wollen nur einen Landeplatz auf der Erde.«

      »So, so«, spöttelte der Typ. »Also nur einen Landeplatz. Wie kommen Sie überhaupt so weit raus? Noch dazu mit einem sehr merkwürdigen Raumschiff? Ich glaube, das ist eher ein Fall fürs Militär!«

      »Na, dann halten Sie gefälligst Ihre Nase da raus!« brüllte Kortanor ihn an. »Ihr dusseliger Frachter wird uns bestimmt nicht den Weg versperren!«

      Der Mann kriegte beim Anblick des Tromaden plötzlich große Augen. »Na, Sie ... Sie ... Sie werden schon sehen!« stammelte er nur noch und unterbrach die Verbindung.

      »Da haben wir den Salat!« knurrte Lucky. »Was musst du dich auch gleich zeigen! Aber egal, nur eins schwör ich euch: gefangen nehmen lasse ich mich nicht nochmal!«

      »Kein Grund zur Aufregung«, versuchte Sucherin ihn zu beruhigen. Lasst uns doch erst mal abwarten, mit wem wir es zu tun bekommen. Wir müssen uns eben im passenden Moment absetzen.«

      Ich war sicher, dass sie die Situation unterschätzte, und Kortanor bestätigte meine Vermutung wenig später. Er richtete unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Ortung.

      »Seht ihr, was da los ist? Da ist eben ein ganzes Geschwader gestartet und das sind bestimmt keine Frachter.«

      »Wieso wusstest du überhaupt, dass es sich um einen Transporter handelt?« erkundigte ich mich.

      »Ist euch nichts aufgefallen?«

      »Doch.« Sucherin nickte. »Das Schiff ist nach dem Muster eines Renen-Raumers gebaut.«

      »Genau. Und der Form nach habe ich vermutet, dass wir es nur mit einem Frachter zu tun haben.«

      »Bleibt nur die Frage, wie die Erde an Raumschiffe der Renen kommt«, warf Lucky düster ein. »Oder jedenfalls an Pläne dafür«.

      Sucherin wandte sich ab. Ich ahnte, dass sie an ihre Begegnung mit den Renen dachte. Von ihnen stammte ja auch das Beiboot, das die CHANGE im Schlepp hatte. Hatte Sucherins Zusammentreffen mit den Renen etwas mit den irdischen Raumschiffen in Renen-Bauweise zu tun?

      Es stellte sich nämlich schnell heraus, dass auch die vom Mars gestarteten Schiffe diese Form hatten. Deshalb auch ein fast vollständiges Fehlen von Antriebsenergie. Renen-Schiffe bewegten sich mit Hilfe des »Weltraumwindes« vorwärts.

      »Können