Название | Bronskis Treiben |
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Автор произведения | Thomas Steinke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941432 |
»Ich kann mit seiner Förderung Senator werden.«
»Toll.«
Und schon war Ingeborg zur Tür hinaus. So hatte es sich eingependelt zwischen ihnen. Die Morgenstunde gehörte in der Woche jedem von ihnen allein. Ingeborg eilte in ihre Schule, um tapfer einen Haufen desinteressierter Pubertierender auf ein Berufsleben vorzubereiten, das für viele von ihnen nie stattfinden würde, und Bronski konnte in Ruhe frühstücken. Das liebte er immer sehr, aber an diesem Morgen besonders. Denn Bronski taten sämtliche Knochen weh. Squaw Brunhild hatte ihn richtig rangenommen, er würde sich das erst einmal im Badspiegel anschauen müssen.
Das Bad jedoch war verschlossen. Von innen. Seine Tochter Vanessa? Aber wieso war die noch zu Hause? Waren denn schon wieder Ferien? War sie krank? Da öffnete sich die Tür und gemeinsam mit Vanessa, die ihren Vater, wie seit Wochen schon, keines Blickes würdigte, trat ein junger Mann in Bronskis noch arg verschwommenes Blickfeld.
Allein die Tatsache, dass sich jemand in Bronskis Haus befand, ohne dass er dazu befragt worden war, machte ihn wahnsinnig. Und Bronski sah, da er nun ohnehin als der dämliche Arsch im Schlafanzug auf dem Flur herumstand, deshalb auch keine Veranlassung zur Freundlichkeit mehr.
»Guten Morgen, wohnen Sie auch hier?«
Der junge Mann war sichtlich überfordert, was Bronski schon wieder amüsierte. Mit Zynismus, das hatte Bronski gelernt, kam diese Generation nicht klar, da erwischte man sie immer kalt. Seine Tochter aber erwies sich als ausgeschlafen.
»Robert hat hier übernachtet. Im Gegensatz zu dir.«
Mit diesen Worten ließ sie ihn einfach stehen, nur der junge Mann, er hieß also Robert, grinste noch hilflos. Bronski verschwand im Bad, ohne sich lange über den offensichtlichen Vorwurf, der aus der Antwort seiner Tochter herauszuhören war, Gedanken zu machen. Das war er mittlerweile gewohnt. Vanessa, mit ihren romantischen Vorstellungen vom Leben, konnte der Ehe ihrer Eltern nichts abgewinnen, aber aus einem Gefühl heraus, das ihr offensichtlich guttat, hatte sie die Partei ihrer Mutter ergriffen. Bronski stellte sich manchmal einen Moment lang vor, was in dieser selbstgerechten Göre zusammenbrechen würde, wenn sie auch nur die halbe Wahrheit von dem erführe, was er trieb. Vielleicht sollte er ja seinem Töchterchen eines Tages diese freudige Überraschung bereiten? Natürlich nur, um sie zu schützen. Bevor sie ihr Mann ihr irgendwann bereiten würde, diese böse Überraschung mit der sogenannten Untreue. Ihr Mann, den Vanessa sicher, engstirnig wie sie war, von früh bis spät kontrollieren würde. Damit er sie, und zwar nur sie, liebte. Der Kerl tat Bronski jetzt schon leid. Vielleicht sollte er ihn ja warnen? Vor der eigenen Tochter.
Manchmal schmerzte es ihn, dass ihm seine große Tochter so fremd war, aber dann sagte er sich, dass es auch an ihr war, ihn zu verstehen. So, wie sie es ihrerseits ausdauernd verlangte, dass er sich ständig um ihre lächerlichen Sorgen zu kümmern hätte.
Außerdem hatte er ja noch Helena, seinen Sonnenschein, auf die er alle Hoffnungen setzte. Helena, die erst fünf war, und gerade mit ihrer Oma Marianne, Bronskis verblödeter Mutter, am Meer weilte. Helena war Bronskis Zugeständnis an Ingeborgs Traum von der richtigen Familie gewesen und hatte wirklich allein durch ihr Dasein Bronskis merkwürdige Ehe gerettet. Eigentlich liebte Bronski niemand auf Erden so vollkommen wie sein kleines Töchterchen. Die das offenbar spürte und es ihm zurückgab. Was Ingeborg gelegentlich verstimmte und Vanessa, diesen puritanischen Drachen, eifersüchtig machte.
Aber wie hatte doch sein Vater Herbert noch auf dem Sterbebett mit einem Blick auf seine Frau Marianne geflüstert?
»Familie mein Junge«, hatte er gestöhnt, »Familie kann man sich nicht aussuchen. Das ist eine Prüfung Gottes!«
Und Bronskis Vater wusste, wovon er sprach. Er war irgendwann als unschuldiger junger Mann durch eine Unachtsamkeit unter Bronskis Mutter geraten und dort dreiunddreißig Jahre lang verblieben. Erst Jahre nach Herberts Tod hatte Bronskis Mutter ihrem Sohne, in dem ihr eigenen Ton tiefster moralischer Entrüstung, mitgeteilt, dass Bronskis Vater ein notorischer Fremdgänger gewesen war. Das hatte Bronski enorm beruhigt. So hatte sein Vater also doch nicht allzu sehr unter Mutter Marianne gelitten. Dummerweise hatte Bronski das seiner Mutter damals auch genauso gesagt, was ihr Verhältnis endgültig tiefgefroren hatte.
Bronski schloss vorsichtshalber die Tür ab, ließ das Wasser in die Badewanne einlaufen und klappte die Flügel des Badspiegels so auf, dass er sich auch von hinten sehen konnte. An dieser Konstruktion hatte er aus gutem Grund lange herumgebastelt, denn so manches Mal war es dringend geboten, nach einer erfolgreichen Pirsch eine gründliche Begutachtung des eingesetzten Materials vorzunehmen.
Diesmal aber war seine Sorge unbegründet. Squaw Brunhild war ein Profi, sie hatte ihn nicht zerkratzt. Sie kannte sich mit verheirateten Männern aus.
In der heißen Wanne dann, Bronski vernahm in den Morgennachrichten gerade beruhigt die erneut steigende Zahl der aktuellen Arbeitslosen, die seine Existenz garantierten, versuchte er so etwas wie einen Plan zu entwickeln.
Squaw Brunhild würde mit Sicherheit diskret herauskriegen, wer diese Marie war. So wie die Squaw auf Bronskis Frage reagiert hatte, und so wie Bronski ihre Veranlagung einschätzte, war sie vielleicht selber scharf auf die Kindfrau. Für einen Moment, während er heißes Wasser nachlaufen ließ, stellte sich Bronski sogar vor, wie es wäre, sich dann zu dritt zu vergnügen. Was ihn sofort heftig erregte. Ein größerer Kontrast als der zwischen Squaw Brunhild und dieser Marie ließ sich nicht denken. Das versprach alles sehr spannend zu werden.
Squaw Brunhild würde die Kleine finden und sie und Bronski zu einem Atelierfest einladen. Der Rest lag in Gottes Hand, so wie jetzt Bronskis sich aufrichtender Schwanz in Bronskis Hand lag. Die mechanisch begann, ihn zu massieren.
Die Stimme seiner Tochter auf dem Flur ließ jedoch Bronskis Lust umgehend ersterben. Selbst das brachte dieses Kind schon fertig, dass er unbefriedigt aus der Wanne stieg.
»Auf dem Küchentisch liegt ein Brief für dich!«
Dann knallte die Haustür, Bronski war nun allein.
Ein Brief? Was für ein Brief?
Bronski fand ihn neben dem Toaster, er war von seiner Tochter an ihn. Bronski frühstückte schneller als üblich, verzichtete auf die Morgenzeitung, steckte den Brief ungeöffnet ein, nahm die U-Bahn wie immer und eilte in die Anstalt.
In die Anstalt, die er für sich immer nur die Große Anstalt zur Lösung des unlösbaren Problems nannte.
Hier arbeitete er seit dreizehn Jahren und die Lage hatte sich trotz kurzer Zwischenhochs unaufhaltsam verschlechtert, wobei es Bronski dabei immer besser ging. Obwohl er keinen Eifer zeigte. Aber gerade das hatte ihm Sicherheit gebracht, denn es hatte seine Karriere immer wieder rechtzeitig ausgebremst und ihn davor bewahrt, bei irgendwelchen Wechseln an der Spitze mit ausgetauscht zu werden. Bronski war ein leitender Beamter, meinungslos und unauffällig, das reichte ihm. Außerdem hatte seine Tätigkeit den für ihn unschätzbaren Vorteil, dass er häufig auf Reisen war.
Die Sitzung, in die Bronski gleich geraten war, war eine von denen, die lange gehen würden, ohne ein Resultat zu zeigen. Heute stellte sich der Neue Mann vor. Es war für Bronski der nunmehr fünfte Neue Mann an der Spitze der Anstalt. Die Zeiten waren hektischer geworden.
Bronski fragte sich auch dieses Mal wieder, woher man nur all diese dämlichen Männer nahm, deren Ehrgeiz sie so blind werden ließ, dass sie sich diesen Job antaten. Wer auch nur einigermaßen klar denken konnte, musste doch, genau wie Bronski, nüchtern realisieren, dass die Anstalt zur Lösung des Problems, welches ihre Existenz rechtfertigte, nicht geeignet war. Sie löste das Problem nicht, sie verwaltete es nur, ja teilweise schuf sie es täglich neu. Aber vielleicht war das ja ihr eigentlicher Sinn?
Im Kleinen löste die Anstalt für Bronski und all die anderen Aktenträger und Konzepteschreiber nämlich das Problem, indem sie intern Arbeit schuf, die extern keine Arbeit schuf. Bronski hatte es längst aufgegeben, mit einem der Kollegen über diese wirre Mechanik der Anstalt zu reden. Er galt als snobistischer Außenseiter, der jedoch dumpf genug war, zuverlässig