Bronskis Treiben. Thomas Steinke

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Название Bronskis Treiben
Автор произведения Thomas Steinke
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783943941432



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Von ihrer Reaktion dann hing alles Weitere ab. Bei Mädchen dieser Art, Mädchen, die Bronski fesselten wie kein anderer Typus, würde es nicht schnell gehen, oder sofort passieren. Entweder in Wochen, oder noch hier, noch heute.

      Er kannte sich da aus. Die Namenlose erinnerte ihn entfernt an Milena, eine ehemalige Kollegin, die sein Frühling vor zwei Jahren gewesen war. Diese Milena war als seine Chefin in die Anstalt versetzt worden und Bronski hatte es von der ersten Sekunde an auf sie abgesehen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Milena, dieses scheue Reh aus besserem Hause, ihn bei ihrem ersten Vieraugengespräch schmutzig angelacht und ihn mit einem »Bringen wir es doch hinter uns!« überrumpelt hatte. Der Sex mit ihr war dann beeindruckend gewesen. Milena konnte bei Bronski endlich all das ausprobieren, was sie bisher fälschlicherweise für schmutzig gehalten hatte, aber leider hatte sie sich dann doch in ihn verliebt und musste gehen.

      Ein Jammer war das gewesen, denn in den Wochen ihres Zusammenseins hatte Bronski die Hoffnung befallen, endlich sein weibliches Ebenbild gefunden zu haben. Jemand, der ihm gewachsen war. Milena hatte ihn sogar, als Ausdruck ihres wunderbaren Humors, zum Trauzeugen erwählt. Als dann aber wegen ihm die Hochzeit zu platzen drohte, spitzten sich die Dinge zu und Bronski musste viel Kraft aufwenden, um heil zu entkommen.

      Bronski atmete tief durch und wollte losgehen, da hörte er die Stimme, Berners Stimme, die Stimme eines wirklich befugten Paranoikers. Berner stand neben ihm, das war furchtbar, denn Berner hatte immer viel zu reden. Von sich, von seinem Unglück, von seinem Pech mit Frauen, das nun wirklich nicht überraschen konnte, und von Neuem aus der lokalen Politik. Berner, dieser vollkommene Idiot, war mittlerweile nämlich Baustadtrat geworden, und Bronski musste fliehen. Jetzt sofort! Er durfte sich von Berner seinen Plan nicht zerstören lassen, er war jetzt genau in der Stimmung für die alles entscheidende Begegnung mit diesem Wunderwesen hinter der Theke, doch Berner hatte ihn schon am Arm. Es zählte nämlich zu den vielen unangenehmen Angewohnheiten Berners, die Leute, mit denen er sprach, auch noch zu berühren. Besonders gern drehte der kurzsichtige Berner dann immer gedankenverloren an einem Jackettknopf seines Gegenübers, woraufhin sich dieser manchmal löste, was Berner gar nicht bemerkte. Der Mann musste zu Hause eine wahre Knopfsammlung haben. Wahrscheinlich betrieb er ein Knopfmuseum und sein ganzes Leben in der Politik diente nur dem Zweck, anderen Menschen ungestraft Knöpfe abdrehen zu können. Berner roch auch noch schlecht, er sabberte beim Sprechen und war entschieden zu mitteilsam. Bronski nannte ihn deshalb, wie gesagt, einen befugten Paranoiker, denn Berner ging völlig zu Recht davon aus, dass ihn alle Menschen mieden. Er bildete es sich nicht nur ein.

      Berner musste das ahnen, denn eine seiner gängigsten Übungen war es, seinem Opfer den Eindruck zu vermitteln, er, Berner, dieses Nichts mit Designerbrille, könnte etwas für die Karriere des Objekts seines feuchten Überfalls tun.

      »Na Bronski, immer noch im Joch? Du weißt, das muss nicht sein, ich hätte da was für dich.«

      Es war so widerlich. Berner war so zu dem geworden, was er vorgab, jetzt zu sein. Und nun wollte er es auch einmal spielen, das Spiel des großen Gönners, des Mannes, der Männer zu dem macht, was die Macht dann aus ihnen macht. Bronski hätte kotzen können, aber er hatte eine bessere Idee.

      »Berner, die Malerin ist scharf auf dich.«

      »Ehrlich?«

      »Ja, sie hat es Ingeborg erzählt. Aber die Künstlerin ist schüchtern. Los Berner, tu was!«

      Das hatte gesessen! Berner vergaß sofort sein Lieblingsspiel, Kungeln, ja er ließ sogar Bronskis Knopf los. Der Wurm straffte sich und zog ab. In Richtung Malerin. Bronski wusste natürlich, was er damit anrichtete, er trieb mit Berners Hilfe die Malerin förmlich in seine Arme. Berner war jetzt Bronskis Schäferhund, denn nichts würde irgendwann ein so vergnügliches Thema mit der Künstlerin abgeben wie der gemeinsame Spott über die hilflosen Bemühungen des armen Berner.

      Der sich jetzt der Malerin näherte, mit krummem Rücken. Schon falsch! Mit dieser Haltung hatte Berner keine Chance, denn unbewusst, ganz unbewusst, Bronski wusste das genau, suchten sich alle Frauen ihre Bettpartner immer danach aus, ob der sich aufdrängende Kerl ein Garant für ordentlichen Nachwuchs war. Egal, wie alt die Frau nun schon war, egal, ob sie eigentlich ein Kind wollte oder nicht, das war in ihnen, in diesen Frauen, das war von der Natur programmiert, dagegen konnten sie nichts machen. Und das war auch der Grund für Bronskis dauernden Erfolg. Er verhieß blendenden Nachwuchs, auch wenn er nicht bereit war, solchen zu erzeugen. Aber wer wollte schon ein Kind, das einmal so werden würde wie Berner? Niemand. Und auf Mitleid konnte der bei der Malerin nicht hoffen, das hatte sie selbst bitter nötig, um erwählt zu werden.

      Berner, in seiner unnachahmlichen Art, tatschte die voluminöse Künstlerin gerade an. Sicher würde er ihr irgendwelchen Schwachsinn erzählen und dabei einen der schönen Keramikknöpfe von ihrem Leinenkleid abdrehen. Wahrscheinlich versprach er ihr, nur um endlich auch einmal mit jemandem ins Bett zu kommen, einen Auftrag von einer dieser Baufirmen, die von ihm abhängig waren und von denen er sich, wenn er nicht vollkommen blöde war, bestechen ließ.

      Egal, Bronski verlor schnell den Spaß an dem Schauspiel. Er hatte anderes zu tun, er musste die Nymphe hinter der Bar erobern. Aber wie? Denn eines hatte Berner leider geschafft, Bronski war aus dem Takt gekommen. Der galante Schwung, in den er sich hineinphantasiert hatte, war verschwunden. Und jetzt kam auch noch seine Frau von ihrer Freundin zurück. Sicher langweilte sie sich und wollte gehen.

      »Hast du die Kleine hinter der Theke gesehen? Die sieht ja überirdisch aus!«

      Die Frage seiner Frau traf Bronski wie ein Tritt in die Eier. Was sollte das? War das ein Test? Oder pure Arglosigkeit? Er bemühte sich, schnell zu reagieren.

      »Berner hat mich überfallen.«

      »Und, noch alle Knöpfe dran?«

      Bronski gelang es, leichthin zu lachen, und er fand, dass er so ziemlich geschickt an der heimtückischen Frage seiner Frau vorbeigeschifft war. Und Gott sei Dank beharrte sie nicht auf einer Antwort. Denn wenn er auch nur einen Satz zu dieser Namenlosen hätte sagen müssen, würde seine Frau es sofort bemerkt haben, was mit ihm los war. Weil er es so beiläufig als möglich getan hätte. Und wenn er beiläufig war, sobald es um hübsche Frauen ging, log er immer. Das wusste Ingeborg vermutlich. Das wusste sie wahrscheinlich ganz genau? Aus leidvoller Erfahrung? Oder wusste sie es nicht?

      Die Ehe mit Ingeborg währte nun dreiundzwanzig Jahre. Mehr war dazu eigentlich nicht zu sagen. Es passte. Ingeborg ertrug ihn und er verging nicht vor Langeweile. Was wollte man mehr? Leider ging Ingeborg seines Wissens nach nicht fremd, so dass also für ihn ein Restrisiko blieb. Ohne das er allerdings auch nicht leben mochte.

      Ingeborg langweilte sich wirklich und wollte gehen. Bronski aber musste noch bleiben, jetzt war es sogar noch einfacher für ihn geworden, sich der Namenlosen zu nähern. Wieder musste der arme Berner herhalten. Bronski log ziemlich glaubwürdig, dass Berner ihn noch sprechen wollte, weil er ein ganz tolles Jobangebot für ihn hätte. Schließlich war Berner ein alter Kommilitone von Bronski. Seine Frau nickte nur müde und ging.

      Die Luft war damit rein und Bronski spürte neue Energien in sich aufsteigen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die für ihn noch Namenlose stumm mit einem jungen Kerl rauchte. Auf eine stillschweigend übereinstimmende Art schauten die beiden aneinander vorbei. Das beunruhigte ihn, er musste langsam handeln.

      Manchmal, wenn er diese jungen Kerle sah, die vor Langeweile nur so strotzten, befiel Bronski kalter Hass.

      Diese jungen Burschen, die ihr fettiges Haar neuerdings strähnig in die Stirn gekämmt trugen und damit noch blöder aussahen, als sie es vermutlich waren, hatten alle Zeit dieser Welt. Und ihm lief sie davon.

      Bronski fand, dass die zur Schau gestellte Schläfrigkeit dieser Buben, dieses lässige Desinteresse an allem, etwas Provozierendes hatte. Sie wussten offenbar, dass ihre Zeit kommen würde. Aber sie war noch nicht da. Somit hatten sie es verdient, dass Bronski ihnen die Frauen wegnahm, von denen sie träumten. Noch war er dazu in der Lage. Noch.

      Bronski war jetzt fünfundvierzig und er hatte im Leben nichts erreicht, außer er selbst zu sein. Aber er fand, wenn er sich so umsah, das war schon viel. Er hatte eine Arbeit, die ihn weder interessierte