Название | Kunst und Handwerk des Schauspielers |
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Автор произведения | William Esper |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783895815546 |
Aber du sprichst einen wichtigen Punkt an. Was kann ein Schauspieler, dem wir den Text wegnehmen, als Ersatz für den Dialog nehmen? Wenn Schauspieler improvisieren sollen, sind sie oft gezwungen, ihren eigenen Text zu erfinden. Damit arbeiten sie wieder mit ihrem Kopf, genau das, was sie nicht sollen.
Fürs Erste ist die Wiederholung der perfekte Ersatz für den Dialog. Alles, was ihr tun müsst, ist zu wiederholen, was euer Partner sagt. Ihr müsst nicht nachdenken und euch nichts ausdenken, also seid ihr frei, euren Impulsen zu folgen. Einfach wiederholen, wiederholen und noch etwas mehr wiederholen.
Nun möchte ich euch Folgendes fragen. Ich habe schon gesagt, dass Schauspielen handeln bedeutet. Und der Schlüssel zu gutem Schauspielen ist die Realität des Handelns, des Tuns. Das heißt, dass sich alles, was wir hier im Studio tun, auf diese grundlegende Frage konzentriert. Wenn das stimmt, was hat dieser kleine Samen einer Übung mit der Realität des Handelns zu tun?
Wiederholung hat alles mit der Realität des Handelns zu tun, denn sie zwingt euch, wirklich zuzuhören und wirklich zu antworten auf das, was ihr hört. Das ist der Samen, aus dem gutes Schauspielen entspringt. Indem sie wirklich von einem ungeschönten, unzensierten Standpunkt aus zuhören, kommen Schauspieler in wahren Kontakt mit sich selbst. Indem ein Schauspieler dann auf einen Partner von einem ungeschönten, unzensierten Standpunkt aus reagiert, nimmt er mit dieser Person wirklich Kontakt auf. Der Kontakt mit einer anderen Person ist die Quelle des Lebens – des Lebens auf der Bühne und abseits davon.«
***
Während Bill mit dem Rest der Klasse weiterarbeitet, wird deutlich, dass nicht zwei Übungen gleich sind. Die Wiederholung entlockt all das, was bei den ausführenden Akteuren einzigartig, lebendig und unvorhersehbar ist. Indem ich mir jede Übung ansehe, sammle ich detaillierte Eindrücke von den Schauspielern in dieser Klasse.
Melissa, zum Beispiel, neigt dazu zu schweigen und ihre Emotionen zurückzuhalten. Amber wiederum hat ein feines Gespür für Ironie und Absurdes.
Donna ist ganz anders, sie ist eine ernst aussehende Frau Ende zwanzig, mit sehr dunklen Augen und schwarzen Haaren. Sie trägt einen hellblauen Designerhosenanzug und eine modische schwarz gerahmte Brille. Donna begann als Schauspielerin und wechselte dann in einen hochbezahlten Job in der Finanzwelt. Nun ist sie zur Schauspielerei zurückgekehrt, ihrer wahren Liebe. Wie Kenny reagiert sie intellektuell. Ihr Verstand versucht ständig, sogar die kleinste und harmloseste Sache zu durchdenken, als ob alles, was in der Übung – oder im Leben – geschieht, ein Trigonometrie-Problem auf Universitätsniveau sei.
Wenn Donna die Wiederholungsübung macht, neigt sie dazu, lange Zeit nichts zu sagen. Bill wirft ihr eine Beobachtung zu und, anstatt sie aus dem Bauch heraus zu wiederholen, wartet Donna ab, grübelt, sucht nach einer Strategie, denkt darüber nach, wie sie ihrer Antwort den witzigsten oder klügsten Dreh verpassen kann, ehe sie endlich reagiert. Bill hat kein Verständnis dafür. Wann immer Donna während der Übung zu lange Pausen macht, schnippt er mit den Fingern und fordert: »Wiederhole!« Darauf reagiert Donna, als habe sie einen Schlag ins Gesicht bekommen.
Sie stammelt den vorgegebenen Satz vor sich hin und Bill gibt ihn ihr unbeirrt zurück. Auf diese Weise gelingt es Bill meistens, Donnas Überlegungen zu unterbrechen und sie anzuregen, aus ihrem Impuls heraus zu antworten. Donnas Schock über das Erwachen aus ihrer mentalen Betäubung führt häufig zu ungewollt komischen Zeilen. Immer, wenn die Klasse laut lacht, ist sie erfreut und errötet, als ob endlich ein lange verborgener Teil ihres Wesens zum Vorschein gekommen wäre.
»Ich möchte zwei Anmerkungen machen zu dem, was hier vor sich geht«, sagt Bill. »Erstens, worauf muss sich der Schauspieler konzentrieren? Das ist eine enorm wichtige Sache beim Schauspielen. Worauf sollt ihr als Schauspieler niemals eure Aufmerksamkeit richten?«
»Auf uns selbst«, lautet Ambers Antwort.
»Richtig. Ein Schauspieler, der sich selbst in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stellt, wird unsicher und lähmt sich selbst. Glücklicherweise kann eure Konzentration von eurem Willen kontrolliert werden. Ihr könnt eure Aufmerksamkeit dorthin lenken, wo ihr sie haben wollt. Wo sollte eure Aufmerksamkeit in dieser Übung liegen?«
Dom: »Auf dem Zuhören?«
»Richtig. Das heißt auf der Wiederholung selbst. Das bedeutet, dass ihr wachsam sein müsst, um nichts zu verpassen, nicht ein einziges Wort.« Bill wirft Vanessa einen Blick zu und die Klasse lacht. Vanessa errötet.
»Der zweite Punkt hat eher mit dem großen Baseballspieler Yogi Berra der New York Yankees zu tun. Er war ein erstklassiger Athlet, aber nicht berühmt für seinen Intellekt. An einem bestimmten Punkt in seiner Karriere geriet er in ein schreckliches Schlagversagen. Er absolvierte ein Spiel nach dem anderen, ohne einen Treffer zu erzielen. Es wurde so schlimm, dass schließlich jeder im Verein anfing, ihm Ratschläge zu geben. Einer sagte: ›Du kommst zu früh raus.‹ Ein anderer sagte: ›Du hältst den Schläger zu hoch.‹ Ein Dritter: ›Halt deine Ellbogen nah am Körper.‹ Yogi Berra versuchte verzweifelt, jedem dieser hilfreichen Hinweise zu folgen.
Schließlich ging er zum Schlagmal und holte – eins, zwei, drei – zu drei schnellen Schlägen aus. Frustriert warf er seinen Schläger hin und schrie: ›Verdammt, ihr wisst doch, ich kann nicht gleichzeitig denken und schlagen!‹
Auch Schauspieler können nicht gleichzeitig denken und fühlen. Wenn es in eurem Leben jemanden gibt, der hysterisch und sehr aufgebracht ist, ist es am besten, ihm einige Fragen zu stellen. Wie durch ein Wunder lässt seine Aufregung nach, wenn er darüber nachdenkt, wie er euch antworten soll. Also, das ist es, was ich euch sagen will: Handelt, bevor ihr denkt. Wiederholt, bevor ihr denkt. Und lebt!
Wiederholung ist nicht wie Football, wo ihr jemandem den Ball zuwerft, damit er ihn festhalten und über das ganze Feld rennen kann. Es ist eher wie Tischtennis; der Ball bewegt sich schnell und ist ständig in Bewegung. Er springt zu mir und ich zögere nicht – ich schlage ihn zu dir zurück. Dann schlägst du ihn zurück und er ist wieder bei mir. Von mir zu dir, von dir zu mir – plopp, plopp, plopp. Wenn ihr innehaltet, um nachzudenken, seid ihr draußen.
Sobald der Ball stoppt, ist die Runde vorbei, und wen interessiert es, wie hoch die Punktzahl ist? Die Schönheit dieses Spiels liegt einzig darin, den Ball in der Luft zu halten. Verzichtet darauf, Urteile über das Ergebnis abzugeben.«
***
Bill achtet darauf, dass jeder Schüler eine Gelegenheit bekommt, die Wiederholungsübung auszuprobieren, und so endet der Unterricht zwanzig Minuten später als geplant.
»Also, jetzt ist ein guter Moment, um aufzuhören. Glaubt ihr, ihr habt genug verstanden, um mit dem Üben zu beginnen?«
Die ganze Klasse nickt.
»Gut. Zur Erinnerung: Heute haben wir zwei Möglichkeiten untersucht, die die Wiederholungsübung verändern können. Die ehrliche Antwort und die Stauung. Beim nächsten Mal werden wir zwei weitere Möglichkeiten kennenlernen. Ich werde jedem von euch einen Partner geben. Während der folgenden Zeit werden wir weiter mit der Wiederholung arbeiten, und ich gehe davon aus, dass ihr mit euren Partnern außerhalb des Unterrichts geübt habt.«
An diesem Punkt spießt Bill die Schüler geradezu mit seinem Blick auf. »Ich sage euch jetzt etwas, das äußerst wichtig ist, und ich werde es nur einmal sagen. Proben außerhalb dieses Studios sind ebenso Teil eurer Ausbildung, vielleicht sogar mehr als die Zeit, die wir im Studio verbringen. Ihr werdet die Grundlagen, die ich hier lehre, nicht verinnerlichen, wenn ihr nicht ständig übt. Macht mir keine Schande, indem ihr unvorbereitet zum Unterricht kommt. Ich besitze keine Geduld für Unvorbereitete.
Nebenbei ein paar Denkanstöße. Das französische Wort für ›Probe‹ und ›Wiederholung‹ ist répétition. Ich erwähne dies, weil ich glaube, dass es etwas darüber aussagt, wie wichtig der Probenprozess für die Entwicklung guter Schauspieler ist. ›Üben‹