Frühstück am Eiffelturm. Sylvie C. Ange

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Название Frühstück am Eiffelturm
Автор произведения Sylvie C. Ange
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526653



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war. Wer war dieser Mann, der selbst den Gang einer geschmeidigen Raubkatze hatte und dessen Fingerspitzen brennende Spuren an ihrer Haut zurückließen? Vermutlich war er ein Angestellter der Bergeracs. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Wenn er ein Angestellter war, dann würde sie wenigstens in den Genuss kommen, ihn wiederzusehen. Aber sie war nicht hier, um Angestellte des Châteaus zu bewundern. Sie sollte sich lieber auf ihren Part konzentrieren.

      Die Halle war beeindruckend riesig. Ihr Apartment würde bestimmt mehrmals darin Platz finden. Der Marmorboden zeigte Mosaik-Motive Alter Meister, weiße Blumensäulen und antike Stühle waren an den richtigen Stellen platziert. Perfektion über alle Maßen. Kate ging auf und ab. André Bergerac, sofern er sie jetzt noch selbst empfing, ließ sie sicher absichtlich warten.

      Endlich kam die Frau mit der altmodischen Bedienstetenuniform, die sie an der Tür empfangen und sie höflich zum Warten aufgefordert hatte, wieder zurück.

      »Bitte kommen Sie mit, Mademoiselle.«

      Sie wurde durch mehrere Gänge, die ebenso eindrucksvoll, wie das Entree waren, geführt.

      Vor einer Holztür, deren Intarsien sicherlich jedes Künstlerherz höher schlagen ließen, blieb sie schließlich stehen.

      »Bitte treten Sie ein. Monsieur Bergerac erwartet Sie bereits«, sagte sie kurz und verschwand. War dies bemerkenswert oder auffällig, dass die Bedienstete die einfache Anrede Monsieur Bergerac verwenden durfte? Kate starrte auf die Tür. Sollte sie klopfen, oder gleich hineingehen? Jetzt stell dich nicht so an, Kate, du bist doch sonst nicht so überängstlich, rügte sie sich. Sie klopfte einmal, öffnete gleich darauf die Tür und blieb stehen.

      »Bonjour, Mademoiselle. Wir hatten bereits das Vergnügen.«

      Der Mann am Kamin kam ihr mit strahlendem Lächeln entgegen und reichte ihr die Hand. Kate schoss erneut das Blut in die Wangen. Was für eine Blamage. Das war Comte André Bergerac. »Ich … ich wusste vorhin natürlich nicht … es tut mir sehr Leid … ich meine …« Verflixt, konnte sie keine klaren Worte mehr hervorbringen? Als ob sie sich nicht schon genug blamiert hatte. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Monsieur.«

      Er zog eine Augenbraue in die Höhe. Offensichtlich erstaunte und erheiterte ihn ihre Verlegenheit, aber er überging ihren Fauxpas von vorhin und kam gleich zur Sache.

      »Sie wurden mir wärmstens ans Herz gelegt. Sie sollen eine hervorragende Restauratorin sein.« Er nahm hinter einem massiven Schreibtisch Platz, deutete ihr sich ebenfalls zu setzen und fixierte sie abwartend.

      »Ja, ich bin eine gute Restauratorin«, antwortete Kate. Meine Güte, eine noch einfältigere Antwort war ihr wohl nicht eingefallen! Sie benahm sich, als ob sie von ihm paralysiert wurde, aber das traf eigentlich ganz genau zu. Sie fühlte sich seltsam schwach in Gegenwart dieses imponierenden Mannes … schwach und ungemein von ihm angezogen.

      »Ihre Bewerbung traf noch vor der offiziellen Ausschreibung ein. Woher wussten Sie, dass wir einen Restaurator suchen?«

      Kate hielt unmerklich den Atem an. Gleich würde sie im Kerker landen, wenn ihr nicht eine gute Antwort einfiel. Wenigstens besaß sie noch schwarzen Humor. Sie hatte doch nur die Anweisungen des Anwalts befolgt, der ihr versichert hatte, dass bereits alles arrangiert sei.

      »Es war eine spontane Eingebung, und wie man sieht, kam die Bewerbung zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle.« Was bedeutete sein Schweigen? Sie hätte der Antwort irgendwie ausweichen müssen. Das fing ja schon gut an.

      »Ich schätze Spontaneität.«

      Wahrscheinlich in jeder Hinsicht, dachte Kate und war gleichermaßen von ihren Gedanken überrascht.

      »Meine Sekretärin war sehr angetan von Ihrer angenehmen Stimme, als Sie sich telefonisch erkundigten und den Termin Ihrer Ankunft ausmachten. Sie war außerordentlich begeistert von Ihrem Können, das sie mir danach unbedingt auf der Stelle darlegen wollte. Sie müssen sie sehr beeindruckt haben. Ich gestehe, dass ich sehr neugierig auf Sie war. Mit der Stimme hat sie Recht. Sie könnten jedem Moderator Konkurrenz machen. Erzählen Sie mir ein wenig von Ihren Fähigkeiten.«

      Noch mal gut gegangen. Kate erinnerte sich an die nette Altstimme der Sekretärin und sie erinnerte sich auch, wie lange sie mit sich gerungen hatte, um endlich die Telefonnummer, die ihr der Anwalt gegeben hatte, in ihr Handy einzutippen.

      Sie fühlte sich unbehaglich und versuchte ruhig Blut zu bewahren. Der intensive Blick dieses Mannes machte sie nervös, besonders weil sie ihn nicht deuten konnte. Es stimmte, sie hatte einen hervorragenden Abschluss, trotzdem stand sie zurzeit auf der Warteliste für einen festen Job. Es gab einfach noch viel zu viel andere gute Bewerber, die ebenfalls warteten. Tatsache war, dass sie so gut wie kein Geld hatte, und hier war, um fremdes Eigentum zu durchsuchen … jetzt hör schon auf mit dem Wehklagen. Ihr Selbstbewusstsein war mehr angeknackst, als sie zugeben wollte. Würde André Bergerac sie ablehnen? Dann war das Vermögen aus dem Testament verloren. Bleib ruhig. Laut dem Anwalt konnte nichts schief gehen. Sie lehnte sich in dem antiken Stuhl zurück und versuchte sich zu entspannen. »Ich habe mich auf die Restaurierung und Konservierung von Gemälden und Skulpturen spezialisiert. Zu meinem Glück bekam ich ein Stipendium und konnte später eine Assistenzstelle bei Levot in Paris und später bei Stanton in New York antreten.«

      André Bergerac stand auf und lehnte sich an die Kante des Schreibtisches. »Levot und Stanton. Bemerkenswert. Ich habe Ihre Referenzen überflogen.«

      Überflogen? Also war er oberflächlich. Hatte sie etwas anderes erwartet?

      »Laut Ihrer Ausbildung und Ihres Wissens müssten Sie eigentlich viel älter sein.«

      Kate senkte den Kopf. Sie mochte es nicht, wenn sie erzählen musste, dass sie zu den Überbegabten zählte und Semester übersprungen hatte. Man setzte dies meist mit eingebildet und hochnäsig gleich, doch sie war weder das eine noch das andere. Im Gegenteil, in manchen Situationen, so wie jetzt, kam ihre Unsicherheit zum Vorschein. Sie blickte ihm wieder in die Augen. »Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, also nicht ganz so blutjung.«

      Er lachte. Dieses dunkle, ein wenig verhaltene Lachen gefiel ihr sehr. War sie noch bei Sinnen?

      »Nicht mehr ganz so blutjung? Was denken Sie dann über jemanden, der so wie ich, achtunddreißig ist? Steinalt?« Er neigte den Kopf und eine schwarze Strähne fiel verwegen in seine gerade Stirn.

      Verdammt, ich tappe von einem Fettnäpfchen in das andere. »Ich wollte damit sagen, dass ich mich eben nicht für blutjung halte.« Verflixt, was war nur los mit ihr? Kate Hamilton, nun nimm dich zusammen, dachte sie ungehalten.

      »Sie müssen müde sein und ich möchte Sie nicht länger quälen. Ich bin voller Zuversicht, dass meine Gemälde unter Ihren Händen in neuem Glanz erstrahlen werden. Es ist längst nötig, sie zu restaurieren. Sie sehen nicht mehr so aus, wie sie sollten. Odette wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen, und ich werde Ihnen morgen die Gemäldegalerie und Ihren Arbeitsraum präsentieren. Ihr zukünftiger Arbeitsplatz ist übrigens hervorragend ausgestattet. Sie können jedoch alles ordern, was Sie für Ihre Arbeit benötigen. Haben Sie noch Fragen?«

      »Nein, vorerst nicht.«

      »Gut, dann wünsche ich Ihnen eine angenehme Nacht. Odette wird Ihnen einen kleinen Imbiss bereiten.«

      Als sie sich erhob, kam er näher und stand nun kaum eine Armlänge vor ihr. Kate blickte in diese unergründlichen, blitzenden Augen. »Bonne nuit, Monsieur. Ich werde mein Bestes geben und versuchen Ihre Erwartungen zu erfüllen.« Sie würde tatsächlich ihr Bestes geben, obwohl sie aus einem ganz anderen Grund hier war. Warum hatte sie das vor? Um ihm zu gefallen? André Bergerac erwartete, dass sie ihr Bestes gab, aber als Frau würde sie sich kaum interessant machen können. Das will ich doch auch gar nicht und lege auch gar keinen Wert darauf.

      »Das hoffe ich. Bonne nuit, Mademoiselle.«

      Das Timbre in seiner Stimme löste Schwingungen in ihrem Körper aus, und wenn sie nicht gleich ging, würde sie eine unruhige Nacht haben. Die Nächte würden ohnehin aufregend genug sein. Plötzlich wusste sie instinktiv, dass die Suche nach dem Bild auf Hindernisse stoßen würde – André