Karl IV.. Pierre Monnet

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Название Karl IV.
Автор произведения Pierre Monnet
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783806242737



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der zweireihig mit 112 farbig ausgelegten Wappen der Bistümer, des Erzbistums, der Städte, Freiherren- und Rittergeschlechter Böhmens geschmückt war.42 Erstmals präsentiert wurde diese regelrechte Wappenschau dem Gefolge, das Karl 1361 nach Nürnberg zur Taufe seines Sohnes Wenzel begleitete.

      Die Geburt des Erben und potenziellen Thronfolgers läutete die zweite Phase in Karls Konsolidierung seiner Hausmacht ein. Sie konzentrierte sich auf Nordböhmen und die angrenzenden Gebiete, wobei das langwierigste, schwierigste und kostspieligste Unterfangen der Erwerb der Mark Brandenburg war. Um sie zu besitzen, scheute Karl offenbar keine Kosten und Mühen, denn sie öffnete ihm den Weg an Elbe und Oder entlang nach Norden zur Nord- und Ostsee, zur Hanse und zum Deutschordensstaat. Zugleich bot sie sich als solides Bollwerk gegen die Ambitionen der polnischen Krone an. Eine Rolle spielte auch, dass der Markgraf von Brandenburg seit 1356 eine der sieben Stimmen im Kurfürstenkollegium innehatte. Auf die Mark hatte der Kaiser schon lange ein Auge geworfen. Bereits 1361 berief er einen Gefolgsmann zum Erzbischof von Magdeburg, zu dessen Suffraganen neben jenen von Havelberg, Naumburg-Zeitz, Merseburg und Meißen auch Brandenburg gehörte. Der Erwerb 1373 verschlang Unmengen von Gold und Silber, kostete Dutzende Reichsstädte ihre Freiheit, beraubte das schöne, zusammenhängende Neuböhmen der Hälfte seiner Fläche, bescherte dem Königreich Böhmen dafür jedoch eine nie zuvor oder danach erzielte Ausdehnung.

      Wie immer bei Karl führte der Weg dorthin über Heiraten. Ein Jahr nach dem Tod seiner dritten Gemahlin Anna von Schweidnitz ehelichte Karl 1363 Elisabeth, die Alleinerbin des Herzogtums Pommern. Sie war eine glänzende Partie, denn ihre Morgengabe verlängerte die Ausdehnung nach Norden weit über die Grenzen des so eifrig umworbenen Brandenburgs hinaus. Zudem war Elisabeth die Enkelin des polnischen Königs Kasimir III. Die Heirat erfolgte im rechten Moment, um einem Bündnis, das die Könige von Ungarn, Polen und Dänemark mit dem Herzog von Österreich gegen Böhmen geschmiedet hatten, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dass die Hochzeit in Krakau stattfand, deutet darauf hin, wie wichtig es Karl war, den Großvater seiner jungen Braut auf seine Seite zu ziehen und damit die gefährliche Allianz aufzubrechen. Als ihm Elisabeth 1368 auch noch einen zweiten Sohn schenkte, schien Karls Erbfolge gesichert. Nun konnte er die Hand nach Brandenburg ausstrecken.

      1348 hatte Karl ja in Brandenburg den „falschen Waldemar“ gegen den ältesten Sohn seines Gegenspielers Ludwig IV. unterstützt, sich aber später mit dem Bayern ausgesöhnt. Als 1361 Ludwig V. und kurz darauf 1363 auch sein Nachfolger Meinhard starb, entbrannte unter den Wittelsbachern ein Erbfolgestreit. Kaiser Ludwig hatte zwar sechs Söhne in die Welt gesetzt, doch einige von ihnen waren kinderlos geblieben, und den Sprösslingen der anderen war keine große Zukunft beschieden. Die sechs Söhne hatten sich das Erbe geteilt: Ludwig V., Ludwig VI. und Otto V. erhielten Oberbayern, Brandenburg und Tirol, Stefan II., Wilhelm I. und Albrecht I. Niederbayern und Hennegau-Holland. In der Goldenen Bulle war es Karl 1356 bereits gelungen, dem bayerischen Zweig der Wittelsbacher die Kurstimme zu entziehen und stattdessen dem Pfälzer Zweig zuzuschlagen. 1363 bot er Hilfe und Geld an, um den Streit zu schlichten, und brachte die Erben zur Unterzeichnung eines Abkommens, dem zufolge Böhmen die Mark Brandenburg erwerben konnte, sollten die drei gemeinsam eingesetzten Wittelsbacher Markgrafen kinderlos bleiben. Die Regierungsgeschäfte in Brandenburg übernahm Otto V. Wieder setzte Karl auf eine geschickte Heiratspolitik: Am 19. März 1366 gab er auf der „Prager Doppelhochzeit“ Otto seine Tochter Katharina zur Frau und vermählte zugleich den Habsburger Herzog Albrecht III. von Österreich mit seiner anderen Tochter Elisabeth. Karl schlug also gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Brandenburg rückte in greifbare Nähe, er schloss Frieden mit den Wittelsbachern und den Habsburgern, und er wendete die Gefahr einer Koalition zwischen Polen, Ungarn und Österreich-Bayern ab. Otto lebte ohnehin am Prager Hof und interessierte sich nicht für Brandenburg, das Karl IV. de facto regierte – und die Gelegenheit nutzte, um 1364 die Niederlausitz herauszulösen (zunächst als Grundpfandrecht, 1367 dann durch Kauf) und 1370 der böhmischen Krone einzuverleiben.43 Otto versuchte zwar 1371, die Bayern und einen Teil des Brandenburger Adels gegen die böhmischen Beamten aufzuwiegeln, doch konnte Karl Otto mit Militärgewalt rasch zur Räson bringen. Bei alledem war der Kaiser stets auf die Neutralität des ungarischen Königs Ludwig bedacht, der sich 1370 des polnischen Throns bemächtigt hatte. Karl versprach, ihn zu unterstützen, sollte er Mühe haben, beide Königreiche zugleich zu regieren, und verlobte seinen Sohn Sigismund mit Ludwigs ältester Tochter Maria. Der Doppelkönig aus dem Hause Anjou fürchtete, insbesondere nach dem Desaster von Adrianopel (Edirne) 1365, die Osmanen, die nach der Vernichtung des bulgarisch-serbischen Heeres und dem Tod des serbischen Königs auf dem Schlachtfeld an der Mariza in Thrakien 1371 bereits an der Grenze zu Ungarn standen. Kurz gesagt: Polen und der Balkan hielten Ungarn in Schach. Da Ottos Ehe kinderlos blieb (er warf Karl sogar vor, ihm absichtlich eine unfruchtbare Frau untergeschoben zu haben), schlug er ein, als Karl IV. 1373 anbot, ihm die Markgrafschaft mit dem Vertrag von Fürstenwalde für die atemberaubende Summe von insgesamt 500 000 Gulden abzukaufen (200 000 Gulden in bar, 100 000 in Form von Steuern und Zollrechten, 100 000 durch Abtretung der Einkünfte einiger Reichsstädte, 100 000 durch Abtretung von Gebieten in der Oberpfalz), jedoch unter der Bedingung, dass Otto das Brandenburger Stimmrecht im Kurfürstenkollegium lebenslang behielt und die Markgrafschaft erst nach seinem Tod als Lehen an Karls drei Söhne Wenzel, Sigismund und Johann fallen sollte.

      Einmal im Besitz dieser weitläufigen Mark, ging Karl IV. dort erneut nach dem Muster vor, das sich bereits beim Aufbau von Neuböhmen in der Oberpfalz bewährt hatte: Er baute Burgen, ernannte Landeshauptmänner, ließ sich eine befestigte Residenz in Tangermünde errichten, die er ebenso wie in Lauf mit zahlreichen böhmischen und Luxemburger Wappen schmückte, und ließ eine Bestandsaufnahme aller Grundherrschaften vornehmen und diese in drei Landkreise unterteilen (die Altmark rings um Tangermünde, die Mittelmark rings um Berlin und jenseits der Elbe die Neumark). Dieses „Landbuch“ von 1375, das gelegentlich mit dem englischen Domesday Book verglichen wird, gilt zu Recht als ein Höhepunkt spätmittelalterlicher Territorialstatistik.44 Anhand eines zwölf Punkte umfassenden Fragebogens registrierten die Beamten 730 000 vermahlene Maß Getreide, erfassten 72 mittelgroße Städte, 51 Kleinstädte und 730 Dörfer, zählten rund 200 000 Einwohner und führten sämtliche Kirchspiele, Klöster, Kirchen, Gasthäuser, Brauereien, Fischteiche, Bergwerke, Forste, Zehnte, Steuern, Frondienste, Münzstätten, Einkünfte aus Feudalgerichtsbarkeit, Zöllen und Wegegeldern, geleitfreie Straßen, Gerichtsgebühren, Vasallen des Markgrafen und vieles mehr auf. Karls Berater konnten anhand dieses Dokuments durchaus zu dem Schluss gelangen, dass sich der enorme finanzielle Einsatz mittelfristig auszahlen würde, ungeachtet der Tatsache, dass 14 verbündete Reichsstädte unter der Führung von Konstanz und Ulm am 4. Juli 1376 gegen ihre Verpfändung rebellierten. Doch vor allem das wesentliche Ziel war erreicht: Nach der Stimme des böhmischen Königs hatte Karl auch die von Brandenburg an sich gezogen. Hierin zeigt sich die Flexibilität der Goldenen Bulle. Sie ließ eine Vielzahl von Deutungen zu (was ja vielleicht bis heute Sinn und Zweck jeder Verfassung ist): Niemand wird leugnen, dass es darin vordergründig vor allem um die Königswahl ging, doch konnte sie, wenn man es geschickt anstellte, in der Praxis auch dynastisch von Nutzen sein. Zumindest vier der sieben Kurfürstenstimmen ließen sich über Hausmachtpoltik steuern.

      Den Kurfürsten blieb all dies nicht lange verborgen. Drei Jahre nach dem Erwerb der Mark Brandenburg und trotz einer riskanten Finanzpolitik (mit der Karl allerdings nicht allein dastand, denn von dem im Krieg befindlichen Königreich Frankreich bis zum Heiligen Stuhl stand alle Welt in der Kreide), verwirklichte Karl seinen seit 1356 verfolgten Plan, mit Strategie und Beharrlichkeit Kaiserreich, Böhmen und Luxemburg miteinander zu verbinden. Einen Vorgeschmack erhielten die Kurfürsten bereits auf dem Reichstag in Nürnberg, bei dem lediglich der Erzbischof von Trier fehlte. Der Kaiser nutzte ihre Anwesenheit, um mit großem Pomp die Taufe seines neugeborenen Sohnes Wenzel zu feiern. Mit einer Symbolik, die irgendwo zwischen Aberglaube, Votivgabe und Heilszauber angesiedelt war, ließ er den Säugling auf das Gramm genau in Feingold aufwiegen und stellte die Reichskleinodien zur Schau, die er eigens aus Prag herbeischaffen ließ, um das einende Band zwischen den beiden Städten und Kronen herauszustellen. Ein zweiter Vorfall hätte die Kurfürsten aufhorchen lassen müssen: