Karl IV.. Pierre Monnet

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Название Karl IV.
Автор произведения Pierre Monnet
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783806242737



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Nur zu gern vergab er hingegen das Reichsvikariat gegen klingende Münze und nahm Subsidien der Stadtstaaten entgegen, allein 50 000 Gulden von den reichen Florentinern für die Zusage ihrer Lehnsherrschaft über Lucca. Auch Pisa erleichterte er um 15 000 Gulden.

      Erst am 20. Oktober 1368, zwölf Monate nach Urban V., ritt Karl also in die Ewige Stadt ein und blieb dort bis Dezember. In dieser Zeit sicherte er sich die Unterstützung des Papstes in zwei Angelegenheiten, die ihm am Herzen lagen: Er wollte das drohende Bündnis zwischen den Königen von Ungarn und Polen gegen Böhmen aufbrechen und günstige Nominierungen für die Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln und Trier erwirken, um langfristig die Wahl seines Erben zum römisch-deutschen König schon zu seinen Lebzeiten durchzusetzen. Im Gegenzug versprach Karl dem Papst, ihm bei der Absicherung seiner Stellung in Rom zu helfen, und trat ab 1369 mehrere Steuern aus diversen toskanischen Gemeinden in Höhe von 100 000 Gulden an den Heiligen Stuhl ab. Anschließend verließ er Rom, verbrachte mehrere Monate in Lucca, überquerte im August 1369 die Alpen und setzte danach bis zu seinem Tod nie wieder den Fuß auf italienischen Boden. Am Dreikönigstag (6. Januar) 1370 hielt er prunkvollen Einzug in Prag. Volk und Klerus bejubelten ihn als princeps pacis, als Friedensfürsten, der dem Papsttum wieder zu Ruhe und Ordnung verholfen hatte, auch wenn die Realität sich rund 1400 Kilometer südlich von Prag ein wenig anders darstellte. Urban V. konnte sich noch bis zum Sommer 1370 in der Engelsburg halten, kehrte dann aber zurück nach Frankreich. „Seine lieben Söhne“ ließ er wissen, nachdem sie sich seiner Gegenwart erfreut hätten, müssten sie nun „sicher schweren Herzens die Abreise ihres Vaters zur Kenntnis nehmen“. Die vorübergehende Rückkehr der Päpste nach Rom hatte somit gerade einmal 33 Monate gedauert und endete mit dem Tod Urbans wenige Monate nach seiner Heimkehr nach Avignon.

      Angesichts des großen Schismas acht Jahre darauf sind die Historiker heute geteilter Meinung über die Politik, die Karl IV. bei seinem zweiten Italienzug verfolgte.51 Während manche wehmütig all die verpassten Chancen aufzählen, halten andere Karl realistisch seinen beschränkten Handlungsspielraum zugute. In jedem Fall hatte der Kaiser nicht vor, für einen hypothetischen Zugewinn südlich der Alpen die dynastischen und territorialen Pläne zu opfern, die er nördlich davon seit 1346 beharrlich schmiedete. Erst sein Sohn Sigismund sollte 40 Jahre später von 1412 bis 1414 einen offensiveren politischen Kurs auf der Halbinsel einschlagen. Karl IV. jedoch blieb vorerst nichts übrig, als den Geschehnissen in Italien und damit auch in Avignon aus der Ferne zuzusehen. Vielleicht erkannte er auch zu spät, welche Konsequenzen seine Zurückhaltung haben würde. Gregor XI., der Nachfolger Urbans V., unternahm 1370 mit mehr Erfolg einen Feldzug gegen Mailand, der 1374 in einen Friedensvertrag mündete. Der Papst sah damit die Chance für seine Rückkehr nach Rom in greifbarer Nähe, scheiterte jedoch schon 1375 am Widerstand von Florenz, das den gesamten Kirchenstaat gegen den Papst aufwiegelte und dafür von Gregor mit einem Kirchenbann belegt wurde. Im Januar 1377 gelang Gregor zwar der Einzug in die gärende Stadt, doch zwangen ihn die anhaltenden Aufstände im Mai, seine Residenz nach Anagni zu verlegen. Erst im November konnte er in die Ewige Stadt zurückkehren, doch erging es ihm nicht besser als seinem Vorgänger. Er starb wenige Monate später, am 27. März 1378, an Entkräftung.52 All diese Entwicklungen geschahen fernab von Prag, und wie schon von der wachsenden Not des Oströmischen Reiches Byzanz, nach dem das Osmanische Reich mehr und mehr die Hand ausstreckte, so hörte Karl IV. auch hiervon nur ein gedämpftes Echo. Seinen Einfluss auf das Papsttum, das sich nach Ansicht italienischer Denker in Avignon „in babylonischer Gefangenschaft“ befunden, zumindest viel zu sehr unter französischer Kuratel gestanden hatte, verlor er paradoxerweise in dem Moment, als er sich zu Jahresbeginn aus Paris und vom französischen Hof verabschiedete. Nicht zufällig waren neun der Avignonesischen Päpste und drei Viertel der Kardinäle Franzosen, und es verwundert nicht, dass sie sich in Rom, in Italien generell, nur mit Mühe zurechtfanden. Da aber Gregor XI. in Rom starb, war mit einem Mal die Wahl eines Italieners nicht unwahrscheinlich, und tatsächlich bestieg der Erzbischof von Bari, Bartolemeo Prignano, als Urban VI. die Kathedra Petri.53 Die meisten Mitglieder des Kardinalskollegiums waren jedoch von den römischen Milizen eingeschüchtert worden und standen nicht wirklich hinter der Politik Urbans VI. und seiner Parteigänger, der „Urbanisten“. Am 20. September 1378 wählten sie Robert Graf von Genf zum Gegenpapst, der als Clemens VII. erneut in Avignon residierte.54 In Karls Augen besaß Urban VI. jedoch zwei Vorzüge. Zum einen hatte der römische Papst am 26. Juli Karls Sohn Wenzel als rechtmäßigen römisch-deutschen König anerkannt, zweifellos um sich die Unterstützung des Kaisers zu sichern, weil abzusehen war, dass sich der französische Hof auf die Seite derer schlagen würde, die seine Wahl bereits damals anfochten. Zum anderen hatte Urban VI. am 18. September den Erzbischof von Prag zu einem der 29 neu ernannten Kardinäle erhoben. Allerdings besaß Karl IV., geschwächt durch die zähen Verhandlungen mit den Reichsfürsten beim Hoftag in Nürnberg und kurz darauf durch einen Sturz vom Pferd ans Bett gefesselt, nicht mehr die Kraft, das sich abzeichnende Abendländische Schisma abzuwenden. Die Ursachen lagen jedenfalls auch zwischen Prag und Rom, nicht nur zwischen Paris und Avignon. Womit wir bei Frankreich wären.

      Konsolidierung und Expansion im Königreich Böhmen, konstitutionelle Neuordnung im Heiligen Römischen Reich, pragmatische Zurückhaltung in Italien – hatte Karl IV. über alledem das Königreich Frankreich im Westen aus den Augen verloren, wo der Auftakt seines Lebens als Herrscher stattgefunden hatte und wo sich dieses seinem Ende zuneigen würde?

      Die Geschichtsschreibung sieht das Bündnis zwischen den Häusern Valois und Luxemburg besonders unter Karl IV. traditionell oft als ein Kontinuum. Mehrere neuere Untersuchungen verweisen jedoch zu Recht darauf, dass die Beziehung komplexer war.55 Wie wir gesehen haben, bestand zwischen den beiden Dynastien in der Tat zumindest bis in die frühen 1340er-Jahre eine enge Bindung, von der beide Seiten profitierten, angefangen mit Johann dem Blinden, der in Paris erzogen wurde, in zweiter Ehe ebenso wie später sein Sohn Karl eine französische Prinzessin heiratete und sich aufseiten des französischen Heers bei Crécy selbst opferte.

      Doch gerade dieser Krieg zwischen Frankeich und England trübte seit 1337 das Einvernehmen und brachte Unruhe in die gesamte europäische Diplomatie.56 Um einem Bündnis zwischen Eduard III. von England und Kaiser Ludwig IV. zuvorzukommen, stützte sich Philipp VI. von Frankreich von Anfang an auf die Luxemburger, doch vor Johanns Sohn war man am französischen Hof auf der Hut. Karls Vita zeichnet im Übrigen kein allzu schmeichelhaftes Bild des Valois: „Philipp übernahm zwar die Räte seines Vorgängers, aber er kümmerte sich in keiner Weise um deren Ratschläge und verfiel der Habsucht.“57 Der Papst, der Karl schon vorher unterstützt hatte, unterrichtete den König von Frankreich erst am 3. Juni 1346, also gut zwei Monate nach dem Besuch Karls und Johanns in Avignon, davon, dass er den jungen Böhmen für den römisch-deutschen Thron favorisierte. Nach Karls erfolgreich verlaufener Wahl zum Gegenkönig hatte Philipp zwei Möglichkeiten: ihm die Anerkennung zu verweigern, um den amtierenden Kaiser nicht gegen sich aufzubringen, oder Karl als legitimen König anzuerkennen und damit Ludwig IV. womöglich in die Arme des englischen Königs zu treiben. Nach dem Debakel des französischen Heeres bei Crécy blieb Philipp VI. jedoch keine andere Wahl mehr, als seine bestehenden Bündnisse zu festigen. Allerdings war dabei mehr Vernunft als Sympathie im Spiel, denn als Karl 1347 in Tirol in Nöten war und Philipp um Schützenhilfe bat, rührte der Franzose keinen Finger. Später verpfändete er das an die Grafschaft Luxemburg angrenzende Hennegau ausgerechnet an Ludwig den Bayern. Der Tod des Kaisers am 11. Oktober 1347 bereinigte die Fronten wieder, vor allem, als die von den Bayern 1348 kurzzeitig erwirkte Wahl Eduards III. zum Gegenkönig Karls IV. dem französischen König klarmachte, in welcher Gefahr sein Land schwebte, sollte der englische König zugleich den römisch-deutschen Thron besetzen. Karl wiederum wartete nicht erst ab, ob Philipp sein Misstrauen ihm gegenüber ablegte, sondern sagte