Todesrunen. Corina C. Klengel

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Название Todesrunen
Автор произведения Corina C. Klengel
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783947167081



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Dienststelle bekam.«

      Kamenz und Wegener schauten angestrengt geradeaus, als habe der Braunschweiger Staatsanwalt ihnen etwas peinlich Privates eröffnet. Natürlich war an der Aussage nichts Peinliches, Dr. Berking galt jedoch als extrem unnahbar, was einen Hinweis zu seinem Privatleben zu einer ausgesprochenen Seltenheit machte.

      Doch der Staatsanwalt fand schnell zu seiner üblichen Schroffheit zurück. Mit einem lapidaren: »Schicken Sie mir den Bericht rüber« machte er dem Schweigen ein Ende und verließ die Kriminalbeamten. Die trieb das Wetter denn auch bald in ihren Wagen. Wegener nickte dem Tatorttechniker zu, der letzte Fotos machte. Sie alle schenkten den gleichmäßigen Rillen in der Sandsteinwand gegenüber der Kluskapelle keine Beachtung. Schließlich ging doch kaum ein Klusbesucher davon, ohne ein Zeichen in dem weichen Stein zu hinterlassen.

      Kapitel 17

      Von seinen Waffen weiche niemand einen Schritt im weiten Feld.

      Niemand weiß unterwegs, wie bald er seines Speeres bedarf.

      – Edda, Des Hohen Lied –

      »Was soll die Frage?« Glutheißer Zorn hing wie ein drohender Meteoriteneinschlag in der Luft. Doch dieses Mal zuckte Magnus’ Lid nicht. Seine Antwort fiel selbstsicher und samtweich aus.

      »Versteh mich nicht falsch, Hermann, aber die Organisation könnte auf die Idee kommen, dass du sie für einen privaten Rachefeldzug missbrauchst.« Magnus’ Miene war undurchdringlich. »Ein Rachefeldzug, der ziemliche Kreise ziehen würde.«

      Ihre Blicke trafen aufeinander wie Frost auf Stahl.

      Hermann bedachte Magnus mit einem eisigen Lächeln.

      »Kreise, deren Wellen du, Magnus, weitere Nahrung gegeben hast. Denkst du, ich weiß nicht, dass du zum Klusfelsen zurückgekehrt bist, um den Stein in dieser kindischen Art und Weise zu bearbeiten? Wieso hast du diese Zeichen hinterlassen?«

      Die Atmosphäre zwischen ihnen wanderte weitere Frostgrade tiefer. Beide waren auf der Hut.

      »Du hast mich also beobachtet«, stellte Magnus in einem Ton fest, den man fast als vergnügt bezeichnen konnte. Er schien nicht im Mindesten beunruhigt. Wieder verging ein Moment der Stille.

      Hermann wusste sehr genau, entweder hatte er in Magnus einen gefährlichen Feind seiner Ziele geboren, den er über kurz oder lang eliminieren musste, oder er würde in ihm einen Mitstreiter bekommen, der seine Kapazitäten um ein Vielfaches zu steigern vermochte. Alles kam auf die nächsten Minuten an. Hermann ließ sich in seinem Sessel zurückfallen. In leicht amüsiertem Ton sagte er: »Ich war gespannt, was du tun würdest, Magnus.«

      Bewusst ließ er seinen Blick auf Magnus ruhen und nutzte den Vorteil, dass er lässig auf seinem teuren Schreibtischstuhl thronte, während Magnus wie ein Lakai stehen musste, weil sich kein weiteres Sitzmöbel in Hermanns Büro befand. Sein Adlatus war jedoch bestens trainiert, sodass ihm langes Stehen nichts ausmachte. Auf spannungsbedingtes Zappeln würde Hermann bei ihm vergeblich warten.

      »Die Runen werden die Polizei irgendwann auf die Spur von Gesinnungsbrüdern führen. Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte Hermann und blickte Magnus streng an.

      Ganz nach dem Vorbild seines Mentors ließ der sich ebenfalls Zeit mit der Antwort. »Du hast es ja vorgezogen, niemandem zu erklären, warum du diesen Wicht hingerichtet hast.«

      »Das muss ich auch nicht.«

      Hermann kannte seinen jungen Mitarbeiter gut genug, um zu erkennen, dass der seine Strategie gerade überdachte. Offenbar entschloss sich Magnus, seinen eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen, und fragte frech: »Und? Hast du den Orden benutzt?«

      Hermann stellte die Ellenbogen auf die Platte des schweren Eichentisches. Die aneinandergelegten Handflächen hatten etwas Rituelles, während er sein Gegenüber fixierte.

      »Sagen wir es mal so: Ich habe ein längst fälliges Urteil vollstreckt«, antwortete er, dann wurde sein Blick ansatzweise weich. »Dieses Urteil hatte sehr wohl mit der Organisation zu tun, der ich schon sehr viel länger diene, als du auf der Welt bist, Magnus. Der, den du Wicht nennst, hat vor einigen Jahren den Durchbruch der Machtfestigung in dieser Region verhindert. In den Jahren darauf hat dieser Wicht uns eine ärgerlich große Anzahl von jungen Mitstreitern abspenstig gemacht. Der Mann ist seit vielen Jahren ein Ärgernis für die Organisation.«

      Hermann studierte die Wirkung seiner Worte. Obwohl Magnus seinen Zügen stets Bewegungslosigkeit auferlegte, glaubte Hermann dessen wirbelnde Gedanken förmlich sehen zu können. Er verstand noch immer nicht.

      Unbarmherzig schoss er nach: »Du warst es, der diese Hinrichtung offen zu einer Sache der Organisation gemacht hat! Du hast die Runen hinterlassen! Das war nicht vorgesehen. Der Tod des Mannes dagegen schon.«

      Auf diese Fassung des Geschehens war Magnus keineswegs vorbereitet gewesen und seine tiefblauen Augen weiteten sich. Zufrieden erkannte Hermann, wie in Magnus gerade mehrere Stützen seines Selbstbewusstseins zu Staub zerfielen. Hermann wartete schweigend eine Weile, um dann vernehmlich zu seufzen.

      »Ich vermag nicht zu sagen, wie die Organisation auf diese Eigenmächtigkeit von dir reagieren wird, mein lieber Magnus. Schade um dich. Aber du warst ja schon immer schwierig.«

      Hermann war klar, dass Magnus diese Spur gelegt hatte, um ihm persönlich einen Schlag zu versetzen. Er wusste auch, an dem Erfolg dieses Plans hätte nicht viel gefehlt. Es war ein Stückchen Fortune gewesen, dass die Organisation gerade jetzt die Direktive herausgegeben hatte, ihre Macht offen zur Schau zu stellen. Übergriffe durften beginnen. Hermann betrachtete Magnus und überlegte. Wenn er ihn jetzt auffing, konnte er von ihm dafür so etwas wie Loyalität erwarten? Ein Mann wie Magnus folgt nicht dem Do-ut-des-Prinzip – ich gebe, damit du gibst – er folgt allein dem Recht des Stärkeren. Hatte Magnus endlich begriffen, dass er, Hermann, noch immer der Stärkere war? Hermann blickte Magnus zweifelnd an. Sein Adlatus war ein wirklich guter Kämpfer und unterrichtete mehrere Gruppen in der Region. Auch kannte er einen Großteil der Hintergrundorganisation seiner Geschäfte. Seine Ausbildung, Magnus hatte den Rang eines Offiziers erreicht, war zu weit gediehen, als dass man so jemanden einfach vernichtete. Leute wie er machten die immer stärker werdenden Ressourcen der Organisation aus. Als Hermann endlich das Wort an Magnus richtete, war eine geraume Weile vergangen.

      »Ich gebe dir eine letzte Chance, Magnus. Du wirst aus deinem Fehler ein Programm machen!«

      Kapitel 18

      Die Kelten wuschen und salbten sich fleißig, tätowierten sich und wählten die buntesten Kleiderstoffe.

      – Wilser/Grupp –

      Nur mäßig erfrischt kam Tilla von ihrer Laufrunde am Morgen zurück. Achtlos warf sie ihre Jacke über die völlig überfüllte Garderobe, wo sie natürlich herunterfiel, da hier nicht einmal mehr ein Taschentuch unterzubringen gewesen wäre. Ungeduldig stob sie durch den Flur in Richtung Badezimmer. Bereits auf dem Weg dorthin begann sie sich ihrer Kleidungsstücke zu entledigen. Ihr rechter Fuß, um dessen Knöchel sich das Tattoo eines Beltanedrachen wand, stieg aus dem Hosenbein und fixierte es danach auf dem Boden, damit das andere schneller folgen konnte. Tilla liebte es, nackte Haut zu spüren. Sie liebte es, wenn Luft darüber strich oder wenn ein warmer Sonnenstrahl darauf fiel. Das Knäuel von Laufhose, Jacke, T-Shirt, Unterwäsche und Socken auf den Boden des Flurs ließ sie unbeachtet zurück.

      Durch die Anstrengung des Laufens fühlte sie sich immerhin genügend besänftigt, um sich endlich einer weiteren Fortsetzung der Harcylugh-Geschichte zu widmen. Eine Zeit lang hatte sie gar nicht weiterlesen wollen, doch das erschien ihr nicht richtig. Aus den Poststempeln hatte Tilla ersehen können, dass ihre Mutter ihr die Geschichte in regelmäßigen Abständen geschickt hatte, quasi als Fortsetzungsroman. Die Geschichte musste für Hedera eine besondere Bedeutung gehabt haben. Tilla erkannte, ihre Mutter hatte mit dieser Methode