Meister deines Lebens. Dr. Brigitte Bösenkopf

      1. Kapitel: Am Anfang war der Spaß und dann …

      An manchen Tagen im Sommer setze ich mich in den Stadtpark in Wien oder auch auf eine Bank in der Innenstadt und betrachte die vorbeischlendernden und -eilenden Menschen. Manche Personen halten mich vielleicht für eine Touristin, die sich ermüdet von den Sehenswürdigkeiten entspannt für ein paar Momente von ihrem Spaziergang ausruht. Doch meine Sinne sind hellwach, denn mich beschäftigen die vorbeigehenden Personen aus wissenschaftlichem und menschlichem Interesse.

      Ich suche nach Signalen, die Menschen ausstrahlen, wenn sie nicht nur zu ihrem nächsten Termin eilen, sondern sich bereits auf dem Weg in die verhängnisvolle Burnout-Spirale befinden. Und ich habe diese Signale gefunden, denn gestresste Personen zeigen Verhaltensweisen in ihrer Körpersprache, die bei vielen Menschen sehr ähnlich ablaufen.

      Geschlecht, Alter, Beruf, Sozialstatus spielen keine Rolle, denn die Menschen verbindet eine Gemeinsamkeit: Auf ihrem Weg haben sie den Spaß und die Lebensfreude hinter sich gelassen und agieren wie ferngesteuerte Roboter.

      Gestresste Menschen haben einen angespannten Gang, ihr Blick ist müde, sie wirken gedanklich nach innen gekehrt und ihre Wahrnehmung ist eingeschränkt, weil sie keine Zeit haben, auf ihrem Weg innezuhalten und die Momente zu genießen.

      Und immer, wenn ich junge Leute sehe, die lachen und Spaß am Leben ausstrahlen, denke ich mir, dass auch die vorbeihetzenden Personen einst diese Lebensfreude und Leichtigkeit gekannt haben.

      Doch was ist dazwischen passiert? Sind es unverschuldete Schicksalsschläge, falsche Lebensentscheidungen, oder selbst verursachte Stressoren, die Menschen körperlich oder seelisch krank machen?

      Setzen wir uns mit hohen Erwartungen unter Druck oder lassen wir uns durch Vorgaben und Leistungsanforderungen unserer Arbeitgeber hetzen?

      Sind wir verzweifelt, weil wir nicht den Mut haben, unsere Sehnsüchte und Träume zu leben, oder warten wir darauf, dass andere uns den Weg zeigen und sind enttäuscht, wenn es der falsche ist?

      Ratgeber über Burnout gibt es viele, denn die Zahl der betroffenen Menschen steigt rapide. Doch durch die Fülle der Informationen ist auch die Verunsicherung groß.

      Bis wann schaffe ich es, allein und ohne fremde Hilfe wieder Spaß am Leben zu finden?

      Welche Kompetenzen muss ich mir aneignen, um mit Stress gut umgehen zu lernen?

      Bin ich überlebensfähig für Krisen und Veränderungen?

      Mein gesamtes Berufsleben lang habe ich mich mit zwei Fragen beschäftigt:

      1 Wie gelingt es Menschen, trotz Stress im Privatleben und am Arbeitsplatz gesund und fit zu bleiben?

      2 Wie schaffen es Menschen auch unter schwierigsten Bedingungen ihre Motivation und Lebensfreude nicht zu verlieren.

      Meine Erkenntnisse durch 35 Jahre Berufserfahrung als Psychologin und Wirtschaftstrainerin habe ich in diesem Buch zusammengefasst, um Ihnen zu zeigen, welche Chancen und Möglichkeiten Sie auch in scheinbar ausweglosen Situationen haben.

      Corona und die weltweite Pandemie haben uns gezeigt, dass vieles nicht vorhersehbar ist und wir lernen müssen, mit außergewöhnlichen Krisen auch in Zukunft umzugehen.

      Ich habe in diesem Jahr viele Online-Gespräche als Psychologin geführt, die mir gezeigt haben, wie unterschiedliche Persönlichkeiten mit Corona umgegangen sind. Gesundheitliche Sorgen, Existenzängste, familiäre Probleme hatten und haben viele, die unter den Auswirkungen beruflich und privat bis heute leiden. Und doch haben es einige Menschen besser geschafft als andere, die Krisenzeit zu verarbeiten.

      Ich habe mit vielen Führungskräften Gespräche geführt, die verunsichert waren, wie sie ihre Mitarbeiter im Homeoffice betreuen sollten und wie ein gut funktionierendes Team erhalten werden kann.

      Aber auch viele Menschen mit unterschiedlichen Berufen haben sich mir anvertraut, weil sie Schwierigkeiten hatten, familiäre Anforderungen und betriebliche Vorgaben zu Hause allein zu bewältigen.

      Erfahren Sie in diesem Buch, welche Rolle die Resilienz eines Menschen spielt und warum es wichtig ist, in Zukunft ein dynamisches Mindset zu entwickeln. Meine Erfahrungen und Studien möchte ich mit Ihnen teilen, damit Sie eines nicht verlieren:

      Ihre Freude am Leben und an Ihrer Zukunft!

      1. 1. Die gestresste Gesellschaft

      Machen Sie in Ihrem beruflichen und privaten Umfeld folgendes Experiment:

      Fragen Sie Menschen, die Ihnen nahestehen, mit Ihnen arbeiten, Ihre Freunde sind oder lose Bekannte, wie es ihnen gerade geht. Statistisch gesehen werden 7 von 10 Leuten angeben im Stress zu sein und Ihnen vermitteln, dass sie zu viele Verpflichtungen haben und zu wenig Zeit ihr Leben zu genießen.

      Und wenn ich dann als Psychologin Menschen frage, wo die Ursache dafür liegt, dass der Stress ihr Leben dominiert, dann höre ich viele Ausreden.

      Häufig sind es negative Rahmenbedingungen im Arbeitsalltag, die Personen nerven, stressen oder kränken. Führungskräfte oder Partner, die nicht unterstützen, sondern noch die letzte Energie entziehen.

      Konflikte, die heruntergeschluckt und nicht ausgesprochen werden, gefüllte Terminkalender, die die Luft zum Atmen und den Spaß am Leben rauben. Viele Gründe für die Tatsache, warum Stress die persönliche Lebensqualität zerstört, werden genannt, doch selten äußern Personen den Verdacht, dass sie selbst etwas falsch machen, weil sie keine Techniken und Strategien im Umgang mit Stress besitzen.

      Vielleicht fühlen Sie sich jetzt angesprochen und denken, dass auch Sie ähnliche Reaktionen bei sich kennen.

      Statistisch gesehen sind Sie in guter Gesellschaft, denn gestresste Personen sind schon lange nicht mehr eine Minderheitengruppe. Im Gegenteil: Jede dritte Person in Deutschland und Österreich gibt an, Probleme durch zu viel Stress zu haben.

      Und tragischerweise erlebe ich oft, dass Menschen, die gut mit Belastungen umgehen können, sich gar nicht mehr trauen, in einer „gestressten Gesellschaft“ davon zu erzählen wie lustvoll ihr Leben abläuft. Die anderen könnten sonst glauben, sie wären faul, nicht ehrgeizig, Glückskinder des Lebens oder oberflächliche Genussmenschen ohne Tiefgang, die Sorgen und Probleme ausblenden.

      Doch diese Gruppe der realistischen Optimisten ist durch einen Geheimcode in ihren Gehirnen verbunden, der sie davor schützt, Stress nicht als tägliche Belastung, sondern als Herausforderung anzunehmen, die es positiv zu bewältigen gilt.

      Ich habe im Laufe meines Lebens viele Menschen dieses Typs kennengelernt und ich bin stolz auf diese Begegnungen. Die meisten von ihnen waren keine Glückskinder, sondern hatten durch ihre Lebensgeschichte Krankheiten, Schicksalsschläge oder starke Belastungen erlebt. Ihre schwierigen Situationen konnten Sie aber mit Selbstvertrauen, Optimismus und einer Dankbarkeit an ihr Leben meistern, das sie stark und selbstbewusst machte.

      Über diese Menschen werde ich in meinem Buch erzählen.

      Deutschland unter „Strom“

      Mehr als 60 % der Menschen, die in Deutschland 2016 für die Stressstudie der Technischen Krankenkasse befragt wurden, gaben an, manchmal bis häufig gestresst zu sein, egal ob beruflich oder privat.

      63 % der Frauen und 58 % der Männer hatten das Gefühl unter Strom zu stehen, selbst in Zeiten der Entspannung und in Ruhephasen. (1)

      Auch meine Klienten beschreiben mir häufig dieses nervöse innere Erregungsmuster und haben das Gefühl, an die Steckdose angeschlossen zu sein. Vielleicht kennen auch Sie diesen Zustand, unter Strom zu stehen.

      Was immer Sie gerade tun, Sie spüren hohe Anspannung im Körper, besitzen eine niedrige Reizschwelle und fühlen sich rasch genervt und erschöpft. Diese Personengruppe kann auch in der Nacht nicht abschalten mit dem Ergebnis, dass die meisten unter Schlafstörungen leiden.

      Doch