Schneesturm - Norwegen-Krimi. Widar Aspeli

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Название Schneesturm - Norwegen-Krimi
Автор произведения Widar Aspeli
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445053



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ist unsere Schlagzeugerin.«

      *

      Mehr Fahrt! Die Beine arbeiten mit dem Untergrund. Der Abhang sorgt für Tempo. Trude fährt genau auf die Öffnung zu. Das Snowboard rutscht wie Seide über den Neuschnee. Ihre Konzentration ist spitze. Sie trifft den Absprungspunkt perfekt, gewinnt rasant an Höhe und zieht einen Hundertachtziger Backside Air eins achtzig durch.

      Es ist einfach toll, auf der Piste zu sein. Die Anspannung lässt nach. Dass die Band nicht hundertprozentig funktioniert, bedeutet nicht alles. Außerdem hatte ihr etwas davor gegraut, wieder in der Hütte zu schlafen, denn seit dem Unglück war sie nicht mehr dort gewesen. Umso froher war sie, als die Jungs gleich das Zimmer mit den Etagenbetten in Beschlag nahmen.

      Trude landet fakie, macht eine Drehung und fährt weiter runter zur Pipe. Sie will fahren, dass es nur so funkt! Die Pipe liegt wie eine riesige, weiß gescheuerte Dachrinne unter ihr. Ihre Beine pumpen noch mehr Geschwindigkeit rein. Sie schneidet schräg nach oben an und macht die erste Figur: einen Tweak Indie frontside. Sie schwebt hoch über der Wand. Grabbt mit der rechten Hand und streckt die linke aus. Yeah! Das ist technisch perfekt!

      Die Schwerkraft zieht sie wieder nach unten und das Brett landet in einem Bogen. Sie beschleunigt erneut und legt einen schnellen Trick auf jeder Seite hin. Einen backside und einen frontside. Hat gute Fahrt drauf und macht einen Air bei jedem Buckel. Sie konzentriert sich auf den letzten, denn der muss richtig sitzen. Im Körper spürt sie bereits die Bewegungen. Ihre Muskeln sind vollkommen angespannt. Trude pumpt ein letztes Mal und krümmt sich zusammen, während sie in voller Fahrt frontside fährt und einen schönen Anschnitt den Bogen hinauf kriegt. Sie wartet auf den richtigen Moment. Jetzt!

      Sie beginnt mit der Rotation und macht einen astreinen Fünfhundertvierziger. Trude landet weich in der Kurve und fühlt sich völlig berauscht, während sie aus der Pipe fährt. Sie kreuzt hinunter zum Lift und macht spielerisch ein paar einfache Flatgroundtricks, um sich abzureagieren. Spürt dabei, wie die Realität und die Band langsam wieder näher an sie herankommen, je weiter der Uhrzeiger rückt. Vielleicht war es doch ein Fehler, intensive Übungstage zu planen? Sie schaut auf ihre Uhr und stellt fest, dass sie noch eine Runde schaffen kann, bevor sie sich treffen wollen.

      *

      Audun studiert den Flyer mit der Handynummer. Soll er es nochmal versuchen? Den Schneider fragen, wo er bleibt? Schließlich muss er halten, was er den anderen in der Band versprochen hat.

      Er winkt Elin zu, die unterwegs ist um ihr geliehenes Brett zurückzubrlngen. Er mag sie, aber irgendwie ist sie unzugänglich. Lässt ihn nicht an sich heran. Er weiß ja, dass sie mit Joachim Jensen zusammen ist und dass sich alles nach dem Verkehrsunfall letztes Jahr ziemlich zugespitzt hat. Eigentlich ist Audun Express scheißegal, doch er hat das Gefühl, dass er es Jørn einfach schuldig ist, ihn jetzt nicht im Stich zu lassen. Außerdem kann eine Tour nach Trondheim ja vieles bieten. Nicht zuletzt hinsichtlich der Damenwelt.

      Aber jetzt ist jetzt. Er schafft es noch, kurz zu telefonieren, bevor Elin zurück ist. Sie wollen sich mit Jørn und Trude unten beim Svingen-Pub treffen. Audun springt von der Mauer, geht aber etwas in Deckung, um vom Lärm wegzukommen. Solche Bestellungen gibt man nicht gerade in aller Öffentlichkeit auf. Er tippt die acht Ziffern ein und wartet. Die Zentrale arbeitet, verbindet. Es klingelt am anderen Ende. Niemand geht ran. Er wird mit dem Anrufbeantworter verbunden.

      »Hallo. Hier ist Audun. Ich war um Viertel nach vier in Hütte 16. Wie verabredet. Wo warst du? Ich brauche maßgeschneiderte Ware für heute Abend. Ruf mich zurück.«

      Erst nachdem er die Verbindung unterbrochen hat, kommt ihm der Gedanke, dass es vielleicht nicht besonders klug war, seinen Namen zu sagen. Aber geschehen ist geschehen. Scheiß drauf!

      *

      Der Schneider schwingt den Schneescooter schräg aus der Spur. Überall um ihn herum erstreckt sich weiße Hochebene. Kein Mensch zu sehen. Perfekt. Ein bisschen Wind und Neuschnee werden die Scooterspur schnell verdecken. Er peilt die Kluft im Osten an und gibt Gas. Der Scooter schiebt sich mit dem angehängten Schlitten auf dem alten Schnee hoch. Er muss jetzt härter arbeiten.

      Auf dem Gipfel des Hügels bleibt der Schneider stehen und schaut zurück. Immer noch niemand zu sehen.

      Im Westen zeigen sich die bläulichen Bergspitzen, eine hinter der anderen. Mit weißen Mützen drauf. Die Sonne steht niedrig über dem Horizont. Sie wärmt noch, aber zur Nacht hin wird es sicher kälter werden. Er dreht sich um und schaut in die andere Richtung. Im Südosten kann er eine dunkle, schwere Wolkenbank am Horizont erkennen. Sie ist zu weit entfernt um bedrohlich zu sein. Zumindest für heute. Aber es wäre das Beste, wenn die Wettervorhersage für die nächsten Tage eintreffen würde. Ein Schneesturm würde alle Spuren beseitigen, bis der Schnee schmilzt.

      Der Schneider schiebt den Sichtschutz wieder hinunter und steuert auf die schmale Kluft zu. Er fährt vorsichtig. Weiß von der Lawinengefahr hier. Der Scooter schlängelt sich hindurch und auf der anderen Seite wieder hinaus. Der Schneider hält an. Atmet schwer. Schwitzt. Dreht sich um und guckt zum Schlitten. Es gibt keinen Weg mehr zurück. Er muss das zu Ende bringen. Also tritt er in den Schnee und sinkt sofort bis zum Schritt ein. Er beugt sich nach hinten und löst die Skier vom Schlitten, nimmt den einen, presst die Spitze gegen den Schlitten und zerbricht den Ski. Die Glasfiberteile splittern. Er wirft die Skispitze weg. Dann löst er die Plane. Sie liegt noch genauso still da. Er schluckt. Schiebt Gefühle beiseite. Jetzt darf er nicht zögern. Er ist safe. Die Nachricht auf dem Bildschirm dürfte klar genug sein. Sie hat nur eine kleine Skitour gemacht. Und wer sich im Gebirge nicht auskennt, kann das Wetter nicht richtig einschätzen und kann sich verlaufen. Und keiner kann viel tun, wenn das Wintergebirge sein Maul aufreißt – am wenigsten so eine Städterin!

      Er zieht sie herunter und schleppt den Körper ein paar Meter vom Schlitten weg. Unter eine Schneewehe. Der Skianzug sieht aus wie ein Blutfleck auf dem weißen Schnee. Er schaut den Abhang hinunter. Das Dominoprinzip. Das müsste klappen. Wenn er nur selbst davonkommt.

      »Tschau«, sagt er und rollt sie weiter. Dann fallen ihm die Skier ein. Er befestigt den heilen an einem Fuß und den zerbrochenen am anderen. Die Skispitze liegt eigentlich zu weit weg. Aber das ist jetzt auch egal. Er stapft zurück zum Scooter, stellt den Motor an und legt den Rückwärtsgang ein. Das Differentialgetriebe arbeitet zuverlässig. Er hält an und ändert noch einmal die Fahrtrichtung. Sieht sich genau die Schneewehe an. Jetzt kommt es darauf an. Wenn es nicht klappt, steht er dumm da.

      Der Schneider gibt voll Gas und zieht eine scharfe Kurve dicht unter der Schneewehe, während sein Körper sich gegen den Abhang legt, um das Gleichgewicht zu halten. Dann wendet er in einer engen Kurve und steuert schräg den Hang hinunter. Zuerst hört er das Donnern. Tief, fern, murmelnd. Dann kommt das Knacksen und nur eine Sekunde danach spürt er, wie der Scooter seitlich auf der Schneeunterlage reitet. Bald hat er es geschafft. Er gibt voll Gas, zieht den Scooter noch etwas weiter nach unten und brettert auf ihm so schnell er kann davon. Unten auf der Ebene angekommen, hält er an und schaut zurück. Eine hübsche kleine Lawine. Der Blutfleck ist verschwunden. Er gibt Gas, fährt zwischen die Hügel und hinunter zur Loipenspur, die am Olevatn vorbeiführt.

      *

      Jørn guckt gespannt zu Hacke, während Trude den Hügel oberhalb der Funbox herunterkreuzt, hin- und herschwingt und dann bei ihnen abbremst.

      »Saustarke Serie«, sagt er und nickt zum Gruß.

      Sie zuckt mit den Schultern, als würde ihr das gar nichts bedeuten, und schaut Jørn an.

      »Wir müssen los.«

      Jørn schaut auf die Uhr. Nickt. Wendet sich Hacke zu. »Wir wollen die anderen beim Svingen-Pub treffen. Vielleicht sehen wir uns nochmal?«

      Hacke springt auf die Füße, jetzt ganz eifrig. »Vielleicht? Aber auf jeden Fall! Es wäre klasse, euch mal spielen zu hören.«

      Jørn schnalzt mit der Zunge. Er will das nicht. Er will nicht, dass Hacke was mit Express zu tun hat. Jedenfalls nicht jetzt.

      »Ich weiß nicht... wir sehen uns doch in Trondheim.«

      »Nun