Schneesturm - Norwegen-Krimi. Widar Aspeli

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Название Schneesturm - Norwegen-Krimi
Автор произведения Widar Aspeli
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445053



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Name, der Grabhöhlenfels, lässt ihn kurz grinsen. Er beschließt, der präparierten Spur noch eine Weile zu folgen, dann auszuscheren und abzuladen. Gerade als er die Karte zusammenfaltet, fängt sein Handy an zu piepen. Er kann jetzt nicht rangehen, fährt los, nach Nordosten hin.

      *

      »Nur gut, dass die Kinder das nicht getrunken haben«, sagt Anne-Marit Johansen, während sie den Inhalt der Halbliter-Flasche untersucht. Sie steht in einer Schneeburg zwischen zwei der älteren Hütten unterhalb vom Panorama, im Volksmund »zur Palasslia«, zur Palastwiese, getauft.

      »Was ist das?«, fragt Landpolizist Knutsen neugierig. »Ich weiß nicht. Das muss erst analysiert werden. Das muss nach Oslo.«

      Knutsen nickt. Die Antwort hat er erwartet.

      »Kein Problem, wir schicken eine Probe mit Express. Dann ist sie in vier Stunden in Oslo.«

      »Gute Idee. Ich rufe Bjørn Tore von der Chemischen an. Er ist mir noch einen Gefallen schuldig«, nickt Johansen und schaut zu Martin Klausen hinüber, der mit seinen Kindern ein Stück entfernt wartet. Die Kinder hatten die Flasche in der Schneeburg gefunden. Klausen arbeitet bei einer Brauerei und ist sich hundertprozentig sicher, dass der Inhalt nicht aus einem normalen Zapfhahn stammt.

      »Ich bin nur froh, dass ich entdeckt habe, was die Kinder da gefunden haben, bevor sie was trinken konnten«, erklärt er.

      »Wahrscheinlich ist die Colaflasche von einem der Mieter hingeworfen worden. Wir müssen auf der Hut sein. Wenn es das ist, was ich denke, dann gibt es mehr davon. Viel mehr. Und dann werden wir unsere Nasen da reinstecken«, erklärt Johansen.

      Sie bedanken sich bei Klausen für die Hilfe, nehmen die Flasche mit und gehen zurück zu ihrem Schneescooter. Polizist Knutsen musste nicht lange überlegen, als ihm eine Sonderschicht zusammen mit Anne-Marit Johansen angeboten wurde. Der provisorische Polizeiposten ist eingerichtet worden, damit sich nicht über Ostern die Kräfte aus dem übrigen Distrikt nur um Beitostølen kümmern müssen. Es war klar, dass extra Leute gebraucht werden, wenn Beitostølen von Touristen überschwemmt wird. Zumal dieses Jahr, wo so viel mit neuen Angeboten und einem bunten Jugendprogramm geworben wird, das seinen Höhepunkt in der Raveparty in der Beitohalle am Samstagabend haben soll.

      »Da werden wir wohl unsere Augen und Ohren offen halten müssen«, hatte Johansen gesagt, als sie die verschiedenen Veranstaltungen durchsprachen. »Auch wenn die Berichte in der Presse über diese neue Droge bis ins Hysterische übertrieben werden, haben wir allen Grund wachsam zu sein.«

      Knutsen war neugierig auf die Nachfolgerin von Lars-Erik Gundersen gewesen und hatte beschlossen erst einmal abzuwarten, bis er sich ein Bild machen konnte, wer die neue Kollegin eigentlich war. Aber schon nach einer Stunde in einem Raum mit Anne-Marit Johansen war das Eis geschmolzen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Sie hatte bei der Drogenfahndung in Oslo Dienst gemacht und konnte Knutsen über die neuen Drogen informieren, die mehr oder weniger getarnt in den Jugendmilieus kursieren.

      »Willst du fahren?«, fragt er jetzt und zeigt auf den Lynx, seinen Luchs.

      Anne-Marit Johansen schüttelt den Kopf.

      »Nur wenn ich muss. Das ist nichts für mich. Außerdem müssen wir uns wohl beeilen, wenn die Flasche noch mit dem Bus mit soll«, sagt sie.

      Knutsen nickt, startet den Motor, verlagert das Gewicht auf den einen Ski, stellt einen Fuß auf den Boden und wendet so den Scooter um hundertachtzig Grad. Er stellt zufrieden fest, dass er seine Kollegin beeindruckt hat.

      »Es ist schlichtweg unmöglich, mit diesem lahmen Gefährt schnell zu sein«, erklärt er.

      »Tu dein Bestes«, lacht Anne-Marit und setzt sich hinter ihn auf den Sattel.

      *

      Jørn schaut zu Hacke hoch, der sein Brett auf dem Hügel hin und her schwingt. Selbstsicher wie immer. Genau so ein Großmaul wie damals, als er Chef von Hacke und die Spechte war, der Band, in der Jørn spielte, bevor er im letzten Sommer nach Valdres zog. Hacke bestimmte absolut alles in der Band, es gab keinerlei Spielraum neben ihm, auch nicht für die Ideen der anderen Spechte.

      »Na, und wie läuft es mit dem Zitherspiel?«

      »Okay«, murmelt Jørn und muss feststellen, dass Hacke die gleichen Vorurteile gegenüber dem Musikleben im Norden hat, wie er sie noch vor einem Jahr selbst hatte. Aber er musste schnell seine Meinung ändern. Die Bands hier oben, Express eingeschlossen, brauchten sich ganz und gar nicht hinter den Jugendbands zu verstecken, die er aus Oslo kannte. Eher im Gegenteil. »Spielst du noch?«

      Sieh an, denkt Jørn, Hacke ist also neugierig.

      »Ja. Wir haben ’ne Band.«

      »Echt? Nun ja ... schade, dass du nicht mehr in Oslo wohnst. Dann hättest du mit uns spielen können. Wir gehen bald auf Tournee.«

      »Auf Tournee? Wohin denn?«

      Jørn spürt den Neid im Bauch zwicken.

      »Nach Trondheim«, erklärt Hacke zufrieden grinsend.

      »Und wann?«

      »Im Mai.«

      »Ey, das ist ja Klasse. Dann treffen wir uns bestimmt dort.«

      Hacke fällt der Unterkiefer herunter und verblüfft starrt er Jørn an.

      »Wieso?«

      »Ich nehme an, du meinst den Landeswettbewerb?« Hacke nickt. Aber jetzt nur noch schwach.

      »Express wird da auch spielen.«

       »Express?«

      »Ja. Meine Band.«

      Er hört es schon, als er es ausspricht. Meine Band! Der Magen zieht sich ihm zusammen, als er sich daran erinnert, wie Hacke über die Spechte herrschte und wie sauer er selbst war, weil die Band keinen Raum bot, eigene Ideen auszuprobieren. Laufen sie jetzt mit Express Gefahr, den gleichen Fehler zu machen? Drückt er einfach seine Sachen durch? Vielleicht ist das der Grund, dass die Probe gestern Abend so den Bach runter ging? Kommen sie deshalb nicht weiter? Er hört gar nicht mehr Hacke zu. Sieht nur, wie sich dessen Lippen bewegen. Da boxt Hacke ihm gegen die Schulter.

      »Sag mal, du kannst ja wohl immerhin antworten, oder?«

      »Hä? Was hast du gesagt?«

      »Was spielt ihr denn?«

      Jørn spürt wieder, wie sich alles in ihm zusammenzieht. Er hat zwar einige Ideen, fand sie früher auch ganz toll, aber plötzlich ist er sich nicht mehr so sicher.

      »Ich weiß nicht, wir haben uns noch nicht entschieden.«

      »Wir? Ist das denn nicht deine Band?«

      »Wir sind zu viert.«

      »Und welche Instrumente?«

      »Gitarre, Keyboard, Schlagzeug und Bass. Wir wohnen über Ostern in der Hütte der Schlagzeugerin. Um zu üben.«

      »Geil«, meint Hacke. »Das klingt nicht schlecht. Was meinst du, ist es okay, wenn ich mal bei euch vorbeischaue? Wir wohnen auf Beito. Und da ist es stinklangweilig. Die Alten kleben nur an dem offiziellen Programm und ich habe einfach keinen Bock, meine Abende mit sinkenden Sternchen vom norwegischen Schlagerhimmel zu verbringen. Vielleicht könnten wir ’ne kleine Session zusammen machen?«

      Jørn denkt über Hackes Vorschlag nach. Hacke und die Spechte wird auch in Trondheim spielen. Er hat das Gefühl, dass diese Nachricht irgendwie einen Schatten auf seine Freude über ihre eigene Teilnahme wirft. Hacke wohnt auf Beito ... will ’ne kleine Session machen ... »Whow, sieh dir das mal an«, ruft Hacke in diesem Moment und zeigt zur Anhöhe oberhalb der Funbox. »Megacruising!«

      Jørn nickt und lächelt zufrieden. Den Anorak kennt er. Der Snowboarder holt richtig Schwung. Er kreuzt im Puderschnee zwischen den Krüppelbirken. Macht ein paar geile Flatgroundtricks und springt über kleine Buckel. Dann hält er auf die Öffnung der Pipe zu.

      »Guck