Der Normannenfürst. Rune Pär Olofsson

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Название Der Normannenfürst
Автор произведения Rune Pär Olofsson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711441909



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galt, war es ja nicht sicher, dass sich Franken wie Arlette und sie selbst daran hielten. Was hinderte es, dass Arlette stahl, so viel sie zu tragen vermochte, und entfloh?

      Arlette musste ihr Gedanken gelesen haben.

      „Kein Dieb kommt hier weit. Alle, die es versucht hatten, kehrten zurück - um gehängt zu werden ..."

      Das klang wie eine Warnung!

      Deutlich waren die inneren Viertel vornehmer als die äußeren, am nächst stattlichsten war das von dem ihr von Bayeux bekannten Marschall Botho, und dann wohnten die übrigen normannischen Anführer darin - oft mit Familien. Keiner von ihnen verschloss die Tür hinter sich ...

      Jedoch erlebte Popa das Heerlager wie ein Gefängnis. Wälle überall, wohin man schaute. Und ohne Schutz durfte sie nirgendwohin gehen.

      „Ich glaubte, du hättest eine Burg in Rouen?“, versuchte sie es, als Rollo sie eines Tages umherführte.

      „Die werde ich wohl bald haben“, antwortete er zögernd. „Aber lieber baue ich mir einen prächtigen Hof in einem fruchtbaren Tal, wenn ich einmal Zeit und Ruhe finde.“

      „Ja, tu das!", ermunterte sie ihn eifrig. Was auch immer, es musste wohl besser sein als dieses Gefängnis hier. „Kann Rouen nicht reichen, bis ...?"

      Er machte eine weite Handbewegung über das Lager.

      „Wir brauchen sowohl Rouen als auch Pont de l´Arche, bis wir sicheren Frieden haben", antwortete er. „Gerade jetzt muss ich zwanzigtausend Mann unterbringen - glaubst du Rouen reicht da, wenn so viele Männer ein Dach über dem Kopf und Essen im Bauch haben wollen? Und wo soll ich Platz für all die Pferde finden? Und die Schmiede und die Brauereien und die Weinkeller und die Schwertschleifer und die Schlachter und die Getreidekisten ...?"

      Nein, er hatte bestimmt Recht. Das Lager war bereits Stadt und Bauernhof in Einem, jedoch im Kolossalformat! Das war imponierend, das war Schreck einjagend - aber es war deshalb nicht im geringsten angenehmer.

II

      1

      Popa musste sich über vieles wundern. Manches konnte sie nicht in Worte kleiden, weil sie Rollos Sprache nicht beherrschte und keinen anderen Fragen von ihr übersetzen lassen wollte; dazu waren die zu heikel. Anderes sollte sie erst erfahren, als mehrere Jahre vergangen waren. Aber bereits vom ersten Augenblick dachte sie darüber nach: Wer vor ihr in dem kleinen Haus gewohnt hatte? Und wohin hatte diese Frau ihren Weg genommen?

      Es wollte ihr nicht in den Kopf gehen, dass ein so alter Kerl wie Rollo allein gelebt hatte, bis er sie getroffen hatte; nicht mal eine Grafentochter von Bayeux war so eingebildet. Vorsichtig fragte sie Arlette aus, aber diese Närrin antwortete in vollem Ernst, das Haus hätte auf die „Richtige“ gewartet, das soll heißen auf Popa. Sie wurde böse.

      „Steh nicht und mache mich dümmer als ich bin“, fauchte sie. „Heraus mit der Sprache, wer war seine Gespielin vor mir?“

      Aber nun verstand sogar Arlette kaum Fränkisch. Sie zuckte nur mit den Schultern und antwortete:

      „Weiß nicht. Bin nicht so lange hier gewesen.“

      Was sie gewiss war - Popa fand bald heraus, Arlette war unter den Ersten, die die Normannen zu Dienerinnen gemacht hatten, als sie sich bei Rouen niederließen. Vielleicht hatte Arlette selbst ihren Herrn bedient?

      Sie wurde nicht viel klüger, als sie Denis fragte. Ja, er antwortete nicht mal, er grunzte nur und schüttelte - seiner Gewohnheit treu - mit dem Kopf. Aber Popa wurde eigensinnig. Viele von Rollos nächsten Männern waren verheiratet, aber nicht nach kirchlichem Brauch. Ja, sein nächster Vertrauter, Botho Marschall, war ungetauft wie Rollo, aber mit einer Frankin „verheiratet", die Christin war - aber so eine Ehe zwischen Christen und Heiden wurde ja von der Kirche nicht anerkannt. Wie konnten sie da behaupten, verheiratet zu sein? Nun meinte Denis, sie waren verheiratet „More danico", auf dänische Weise, und das war nicht schlechter, wenn man es nüchtern sah. Popa musste sich ja erinnern, bereits Adam und Eva hatten in Ehe gelebt und Kinder aufzogen, die das Erbe nach ihnen antraten, und so weiter durch alle Geschlechter durch die Jahrhunderte. Und keiner hatte sie deshalb als Buhlen und Hurenkerle oder als unverheiratet bezichtigt. Obwohl manche gewiss Buhlen hatten, wie Salomo ... Genug davon, nach dem, was Denis wusste, hatte sich die Kirche erst viele Jahrhunderte nach Christi Geburt in die Ehe eingemischt. Und der eine oder andere Kirchenvater oder Abt brummelte darüber, dass Mönche und Priester ohne Frauen leben mussten, aber auch das war eine Erfindung der neueren Zeit. Sankt Paulus sagt jedenfalls, dass ...

      Da meinte Popa, Denis hätte sich von der Sache entfernt. Was sie wissen wollte war, ob Rollo auch „More danico“ verheiratet war? Zu Hause in Dänemark? Vielleicht in England? Vielleicht an beiden Orten? Wenn eine von diesen „Ehefrauen“ auf den Gedanken kam, hierher in das Frankenreich nachzukommen, wie so viele andere Frauen vom anderen Ufer des Meeres, was geschah dann mit Popa? Musste sie dann aus dem kleinen Haus ausziehen?

      Denis schmatzte und murrte und schälte seine ewige Zwiebel. Soviel er wusste, hatte Rollo sich vorher niemals für jemand entschieden. Frauen hatte er wohl besessen wie andere Männer, und vielleicht hatte er mit ihnen Kinder - wenngleich Denis auch darüber nichts wusste. Das Einzige, was er sicher sagen konnte, war, Rollo hatte niemals von irgendeinem Erben gesprochen, ja, er hatte sogar niemals jemand sagen hören, dass Rollo irgendwo ein Kind hatte, das er anerkannte. Wenn Popa meinte, das würde merkwürdig klingen, musste sie bedenken, dass Rollo während seiner ganzen Mannesjahre ein Zugvogel gewesen war. Eigentlich erst jetzt hier an der Seine und bei Rouen hatte er begonnen, „zu Hause" zu einem Ort zu sagen.

      Als Popa das hörte, sah sie deutlich so zufrieden aus, dass Denis sich genötigt sah, sie aufklären zu müssen.

      „Das Schöne mit der Ehe auf dänische Weise ist, sie kann aufgelöst werden“, sagte er und grinste unverschämt. „Wie du weißt, zählt die Kirche die Ehe zu den Sakramenten und sieht sie als unauflöslich an. Nur der Tod oder der Papst kann die Bande lösen. Manchmal nicht einmal der Papst - falls er nicht ordentlich bezahlt wird ... Aber Marschall Botho kann welchen Tag auch immer sich hier draußen auf den Markt stellen und erklären, dass er von jetzt an seine Ehefrau verstößt! Gewiss kann sie nach nordischem Recht Gleiches tun, aber das ist jedoch in der Praxis ein wenig verzwickter. Da sollte sie ja Eigentum haben, wenn sie sich von ihm befreit.“

      Popa ließ den Nähkranz sinken, an dem sie saß.

      „Aber was für ein Unterschied ist dann zwischen Geliebte und Gattin in der dänischen Weise?“

      „Ja, der Unterschied ist groß. Mann und Frau sind bei der Hochzeit ein Abkommen eingegangen: dieses und jenes besitzt der und der und so weiter. Wenn der Mann seine Frau verstößt, muss er zusehen, sie auf ehrbare Weise zu versorgen. Und da pflegt es unter den Nordleuten keine Schwierigkeiten zu geben, darüber kann ich aus England zeugen. Es kommt vor, dass wir Christen schlechter sind. Es geschieht ja ab und zu, ein christlicher Fürst befindet es für gut, seine Frau aus dem einen oder anderen Grund zu verstoßen - gewöhnlich ist der Grund jünger und schöner, und da kann die erste Frau in äußerste Armut geraten. Und sie bekommt keine Unterstützung von der Kirche, wenn sie nicht - wie gesagt - vermögend ist und sich ein Papier vom Papst kaufen kann, das ihr das Recht gibt, sich wieder zu verheiraten.“

      Ja, wahrlich, es gab vieles zu bewundern! Und vieles konnte sie nur von Rollo selbst erfahren. Aber weil er kein Fränkisch konnte und es auch gar nicht lernen wollte, beschloss sie, so schnell wie möglich Dänisch zu lernen. Sie erhielt von Rollo das Versprechen, Denis als Lehrer zu bekommen, wenn Rollo nicht selbst seinen Beistand brauchte. Schreiben und lesen konnte sie selbst, schlimmer war es, etwas zu finden, was auf Dänisch geschrieben war. Rollo hatte niemals von irgendeinem Buch auf Dänisch reden hören - und auch kein anderer in Rouen. War man gezwungen zu schreiben, so schrieb man auf Latein?

      „Es gibt Bücher auf Fränkisch“, antwortete Popa friedlich.

      „Die gibt es sicher auf Dänisch auch", meinte Rollo. „Und das mit „Dänisch" musst du nicht buchstäblich nehmen. Svea und Nordmänner sprechen die gleiche Sprache wie ich, obwohl sie sich in der Aussprache ein