Der Normannenfürst. Rune Pär Olofsson

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Название Der Normannenfürst
Автор произведения Rune Pär Olofsson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711441909



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Angst ergriff sie erneut. Zitternd suchte sie Schutz beim Anführer der Normannen, aber der hatte sich von ihr abgewandt. Er sprach mit dem, der sie in der Burg gefunden und sie hier herunter getragen hatte. Ein schneller Blick in ihre Richtung, dann wandte er sich zu den Schiffen und rief etwas. Popa konnte sehen, wie das Gesicht des Normannen nun ernst war.

      Und siehe, ein groß gewachsener Kerl mit geschorenem Kopf kletterte aus einem Boot und kam zu ihnen heran. Das musste ein Mönch sein! Endlich jemand, mit dem sie sprechen konnte - obwohl, was sollte sie sagen?

      Der Mönch lauschte verdrießlich eine Weile auf den Normannen, dann wandte er sich zu Popa.

      „Das hier ist der erste Anführer der Normannen“, sagte er auf Fränkisch. „Rolf heißt er, wird aber von den Unseren Rollo genannt. Er sagt, noch nie eine schönere Frau getroffen zu haben. Dass du in der Burg des Grafen gefunden wurdest, macht ihn neugierig darauf, wer du bist? Mit dem Recht des Siegers kann er dich zu seiner Buhle nehmen oder dich verkaufen. Vielleicht taugst du auch zur Geisel und kannst gegen Gold getauscht werden: Ich kenne seine Meinung nicht recht. Aber nun will Rollo, dass du ihm über deine Herkunft Bescheid gibst. Und ich würde dir raten, die Wahrheit zu sagen. Weil er bald merkt, ob du gelogen hast - und dann wird dir dein Schicksal nicht gnädig sein.“

      Popa holte tief Luft und schwieg eine Weile, bevor sie antwortete. Dann sah sie direkt auf Rollo und sagte:

      „Ich bin Popa, Tochter des Grafen Odo Berenger, Herr über Bayeux bis zum heutigen Tag. Und ich bin es nicht gewöhnt zu lügen - jedenfalls nicht, wenn sich hier so viele Zeugen befinden.“

      Sie zeigte auf die Leibwächter, die Frauen auf der Wiese wurden vielleicht nicht als Zeugen angesehen?

      Der Mönch übersetzte und Rollos Gesicht wurde noch ernster. Er kratzte ein Wundmal, welches vom Bart zum linken Ohr verlief, und betrachtete sie erneut. Eine Weile schwieg er, dann sprach er wieder mit dem Mönch, aber dieses Mal sah Rollo die ganze Zeit auf sie.

      Erneut übersetzte der Mönch Rollos Rede.

      „Rollo sagt, zuerst daran gedacht zu haben, dich zur Buhle zu nehmen, ob du wolltest oder nicht. Aber nun, seit er erfahren hat, wer du bist, glaubt er, es wäre ohne deine Zustimmung nicht ratsam. Nach Graf Berengers Zustimmung zu fragen, findet er jetzt keinen Grund. Für die schimpfliche Behandlung, die er dich gerade hat ausstehen lassen, bittet er dich um Vergebung. Er ist jedoch nicht bereit, dich außer Sichtweite zu lassen, weshalb er dich vorerst mit nach Rouen nimmt. Dort darfst du in Ruhe beim Klostervolk von St. Ouen über sein Angebot nachdenken - ja, dort befinden sich nicht nur Brüder, sondern auch einige fromme Frauen mit eigenem Haus, sodass du dich nicht beunruhigen brauchst.“

      Wahrhaftig, der Normannenanführer mochte sie. Da war es vielleicht nicht so, dass sie die Gefangene war, sondern er ... Der Mut stieg, und sie erdreistete sich zu fragen:

      „Was geschieht, wenn Rollo meine - meine „Zustimmung“ nicht erhält?“

      „Darüber wird er nachdenken, wenn der Tag gekommen ist. Während dieser Zeit verspricht er, dich bei den frommen Frauen in St. Ouen in Frieden zu lassen."

      Sie blinzelte zu Rollo und ließ den kleinen Teufel, der in sie gefahren war, wieder heraus; vielleicht würde seine Geduld zu hart geprüft, aber sie konnte es nicht bleiben lassen:

      „Reichen nicht die friesischen Nonnen als Jungfrauen?“

      Der Mönch verstand nicht, übersetzte dennoch und sah Rollos Angesicht in ein breites Grinsen aufgehen.

      „Sie ist eine Frau nach meinem Sinne, das höre ich! Sage ihr, sie darf in ihr Gefolge nehmen, wen sie will, und von ihrer beweglichen Habe, welche nun etwas zerstreut ist, so viel nach Rouen mit sich führen, so viel es ihr behagt.“

      Popa sah sich um, auf die gebundenen Leibwächter und auf die eingehegten Frauen und Kinder. Dann schöpfte sie erneut Atem und nahm Anlauf:

      „Ich benötige keine Bedenkzeit. Ich folge lieber dir, Rollo, jetzt sofort, und fühle keine Notwendigkeit, meine Tugend von irgendwelchen ungewaschenen Nonnen verteidigen zu lassen.“

      Das Letzte wollte der Mönch nun nicht wortgetreu übersetzen, aber es reichte dazu, dass Rollo die Augenbrauen anheben und wieder froh aussehen sollte. Sie hob die Hand:

      „Nur eine Bedingung: die anderen Gefangenen sollen ihre Freiheit wiederbekommen.“

      Rollo verfinsterte sich, als er ihre Bedingung zu hören bekam, und auch die übrigen Anführer murmelten und hatten Einwände. Ein Halbdutzend Kerle versammelte sich um Rollo, um Rat zu schlagen. Zuletzt waren sie sich einig. Popa erhielt, was sie wollte, wenn auch nicht ganz.

      „Alle vom fränkischen Stamm mögen gehen, wohin sie wollen, wenn sie nur über die Berge nach Süden verschwinden“, bestimmte Rollo. „Hier sollen hinterher nur verlässliche Nordbewohner zu finden sein.“

      Damit die Franken nicht allzu große Bürden zu tragen hatten, befreiten die Normannen sie von allem überflüssigen Gut. Als sie darüber grummelten, völlig verarmt von Grund und Hof ziehen zu müssen, wurde Rollo böse und brüllte:

      „Ihr sollt verdammt dankbar sein, dass ihr das Leben behalten dürft. Und wer nur im geringsten murrt, kann noch das Schwert kosten. Wir haben noch nicht das Willkommen vergessen, welches uns voriges Jahr empfing. Es sei nur Popa zu danken, dass wir euch nicht in eurem eigenen Dreck ertrinken lassen. Aber um euch auf den Weg zu helfen und euch dazu zu bringen, dankbare Gebete den Weg nach oben zu senden, lassen wir einigen von euch einen Vorgeschmack von dem Schicksal zukommen, das ich für die garstigsten von euren Frauen ausgedacht hatte.“

      Er wählte einen Mann und eine Frau aus und diese wurden trotz heftiger Tränen und großen Widerstandes zurück in die Stadt geführt. Popa konnte am Anfang nicht feststellen, was die Unglücklichen erwartete, aber so allmählich begann sie es zu ahnen. Und als sie zurückkamen, waren sie über den ganzen Körper beschmiert und sprangen kopfüber in die Flut.

      Es war so, dass die Burg von Bayeux in drei Etagen gebaut war. Im Innersten des Hauskörpers befand sich ein Rohr, welches zum Keller führte. Zu diesem Rohr führte eine Anzahl von Abtritten, und was in diesen verrichtet wurde, fiel herunter in die unterirdische Latrine. Mit jeder Frühlingsflut wurde ein Bach unter die Burg geleitet, um die Hinterlassenschaft des Jahres wegzuspülen. In diesem Jahr war jedoch keine Frühlingsflut gekommen und die Latrine war deshalb wohlgefüllt.

      In dieser waren die Zwei getauft worden - als Dank für das Willkommen vom vergangenen Jahr. Nachdem sie die zwei Gefangenen hatten herauskommen sehen, muckste keiner mehr. Fort rannten sie. Als sie sich umsahen, fanden sie ihre Heimstatt in Flammen.

      5

      So trafen sie aufeinander, Rollo und Popa.

      Am Anfang entsetzte sie sich viele Male: Was war in sie gefahren, dass sie sich beinahe ungenötigt mit den Normannen eingelassen hatte? Was würden ihr Vater und ihr Bruder und andere Verwandte denken, wenn die erfuhren, was sie getan hatte? Sicher meinten die, sie hätte lieber den Tod wählen sollen, als sich einem Heiden und Feind ihres eigenen Volkes und Landes als Buhle zu geben. Außerdem war der mehr als doppelt so alt wie sie.

      Die einfache Wahrheit war, sie wollte ihn haben - und er sie. Eine Antwort, welche wohl vor ihren Verwandten nicht gelten würde ... Doch wessen Fehler war es, dass sie in Bayeux zurückgelassen wurde?

      Auf dem Weg von Bayeux nach Rouen - „Adieu Bayeux!“ - hatte sie den Mönch so viel, wie sie wagte, ausgefragt. Denis hieß er, wie der Schutzpatron des Frankenreiches, und kam von Jumièges. Der Mönch war von seltsamer Art, und sie glaubte erst, seine Schweigsamkeit käme aus einem moralischen Grund: In seinen Augen musste sie eine Sünderin sein, zumindest eine werdende. Recht bald fand sie, Denis war von Natur aus bitter, wenn auch auf seinen Erlebnissen beruhend. Dass er Dänisch konnte, hing damit zusammen, dass er Sklave eines dänischen Häuptlings war, der dann ein mächtiger Herr beim dänischen König im östlichen England wurde. An und für sich hatte er es nicht so schlecht am dänisch-englischen Hof. Sein Herr hatte ihn an König Gudrum verschenkt, der sich nach seiner christlichen Taufe Adelstan nennen ließ, und dieser ungelehrte