Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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dem siegenden Trautwangen seine gesunde Rechte entgegen, welche dieser mit Rührung drückte, und kaum sie, wie eines väterlich sorgenden ältern Bruders Hand, zu küssen sich enthalten konnte. Man ließ sich nun zum Mahle nieder, und jedermann hatte seine Freude an Folkos huldreichem Anblick, wie die schlanke Heldengestalt unter blausamtnen, mit reichen goldnen Fransen gezierten Decken, in so prachtvoller Anmut dalag, seinen gleichfalls noch wunden edlen Falken auf dem Hauptkissen, der sich oftmals schmeichelnd herunterneigte, aus seines Herren goldnem Becher nippend. – »Man behandelt mich hier, wie ein krankes Kind«, sagte Folko deshalb zu der Gesellschaft mit lächelnder Entschuldigungsverneigung. »Man läßt mir mein Spielwerk bei Tische.« – Es gab einige Sangesmeister, die ihn heimlich flüsternd mit dem schönen Adonis, dem wunden Liebling der Heidengöttin Cypris, verglichen, und man fand, daß sie recht hatten.

      Indem sie nun allesamt recht vergnüglich an der von würzigen Speisen blühenden, von hellen Weinen duftenden Tafel beisammen saßen, ließ sich vor der Burg der schmetternde Ton eines ungeheuern Hornes vernehmen, und gleich darauf trat ein riesengroßer Mensch in voller, schwerklirrender Waffenrüstung, eine gewaltig hohe Hallebarte in der Faust, durch die Türe herein, sahe sich in der ihn anstaunenden Gesellschaft einige Augenblicke forschend um, und ging dann mit höflicher Neigung des Hauptes auf den Ritter Folko von Montfaucon zu. – »Mein edler Herr«, sagte er, »ich bin vom Seekönig Arinbiörn, Euerm Vetter und Freund, hier hereingesandt. Er hält vor Euerm Haus, und hat sich so weit ins Land hereingemacht, einzig und allein, Euch zu besuchen. Da will er nun hören, ob Ihr wohl Lust und Gelegenheit hättet, Ihn bei Euch zu bewirten, samt einigen edlen Jungfrauen und Recken in seinem Gefolg. Die eine von den Jungfrauen ist aber etwas wunderlich.« – »Hätte ich hier noch zu befehlen«, entgegnete Folko, die funkelnden Augen ein wenig gegen den Boden gesenkt, »so würde mich die Wunde, an der ich darnieder liege, nicht abhalten, Euerm edlen Herrn, wo nicht entgegenzugehen, doch mindestens entgegenzuschwanken. So aber« – Gabriele unterbrach ihn mit freundlichem Zürnen, sprechend: »O tapfrer Freiherr, wenn Ihr Euch nicht ganz hier betragt, als des Hauses Wirt, so jagt Ihr mich und meinen Kämpfer hinaus.« – »Da ist es ein anders«, sagte Folko, gegen den Fremden gewandt. »Euer Herr und sein Gefolge sollen höflichst willkommen sein, und entgegenziehn will ich ihm auch.« – Er regte sich auf seinem Lager, aber in Blancheflours ängstlich bittende Augen sehend, sprach der riesige Bote: »Mein Herr, das muß ich in Seekönig Arinbiörns Namen verbitten. Wenn eben ein rüstiger Mann auch an so was nicht stirbt, so hat doch das schöne Jungfräulein dort neben Euch Ängste deshalb. Und die soll biderber Held ja süßem Weibe sparen, wo er nur irgend kann. Drum bitt' Euch, so lieb Euch meines Herren Wünsche sind; dasmal bleibt ruhig auf der Streu. Der Seekönig ist im Augenblick zu Euch herein.« – Damit schüttelte er ihm die rechte Hand mit derber Freundlichkeit, und schritt grüßend wieder aus dem Saal.

      »Der Seekönig Arinbiörn«, sagte Folko zu der ihn mit den Augen befragenden Gesellschaft, »ist ein tapfrer Normann, mein Anverwandter von den alten Zeiten her, wo unser Stamm sich teilte, und der Zweig, welchem ich zugehöre, aus jenen eisigen Bergen sich in Frankreichs milde Gauen herüberschlang. Wir haben immer seit daher gute Vetterschaft miteinander gehalten; in manchen ernsten Taten auch Waffenbrüderschaft, die mir zu großem Heile gereichte, da Arinbiörn Seekönig ist. Sie geben diese Benennung dort in den hohen Küstenlanden solchen Helden, die auf dem festen Boden nur wenig, oft gar nichts Eignes besitzen, aber auf ihren Barken, in tapfrer, ihnen ganz ergebner Mannen Genossenschaft, die Erde umschiffen, von jenseit des Norderkaps her, ja vom fernen Island herunter, bis an die glänzende Konstaninopolis hinab, sogar bis an die Küsten der blühenden Asia, oder der goldschmelzenden heißen Afrika, wo fast keine Schiffer Bescheid wissen, außer ihnen, und wo sie, vermöge ihrer tönenden Waffen, nach Belieben schalten mit Königesmacht.«

      Folko hätte noch mehr erzählt, und die Gesellschaft gern noch mehr vernommen, aber die mächtigen Tritte der wundersamen Gäste hallten bereits auf den Steigen, und alles wandte sich nach der Tür.

      Auf flogen die Pforten, und sich wegen seiner Größe in der Wölbung beugend, des vorigen riesigen Boten Fürst auch an hohem Wuchse, trat ein goldgeharnischter Mann herein, zwei goldgetriebene Geierflügel von dem leuchtenden Helme voransteckend. Otto fuhr unwillkürlich zusammen vor den metallnen Fittichen; er mußte an seinen Kampf mit dem Totengerippe in der Kapelle denken. Es kamen noch mancherlei wundersame Gestalten hinter dem Seekönig her, aber einzig auf diesen gerichtet, sahen die Augen der Gesellschaft von den übrigen wenig oder nichts. Arinbiörn schritt, die Frauen alle, so wie er vorbeiging, ehrfurchtsvoll grüßend, grade auf den Freiherrn von Montfaucon zu, faßte ihn freundlich bei der Hand, und sagte: »Ei Folko, was soll denn das? Findet man dich Glückskind doch auch einmal so recht tüchtig wund? Das muß ein rühmlicher Kämpe gewesen sein, der dich so hart getroffen hat, aber er ist wohl schon tot; denn was mir mein Bote erzählen wollte, du hättest ein siegloses Gefecht gehalten, und den oft verfochtnen Ring verloren – da ist ja in der ganzen Welt keine Möglichkeit dazu.« – »Doch, doch!« sagte Folko etwas verwirrt und mit glühenden Wangen. »Ich habe meinen Meister gefunden, und das wunderschöne Fräulein dorten ist gegenwärtig des Ringes und des Schlosses Herrin und dein und meine gütige Wirtin, Arinbiörn.« Der Seekönig neigte sich sittig vor Gabrielen, dann aber bat er, man möge ihm doch den unerhörten Fechter zeigen, der des gewaltigen Folkos Schwert nicht nur ertragen habe, sondern es auch bezwungen noch obendrein; sein Auge ruhte auf Don Hernandez. Als man ihm aber den jugendlich rosigen Otto vorstellte, sah er ihn höchst verwundert an, so daß der Jüngling eine Beleidigung darin zu fühlen anfing, und reden wollte; da neigte der tapfre Arinbiörn sehr ehrerbietig das Haupt vor ihm, sprechend: »Wenn das, wie ich denn nicht daran zweifle, mit rechten Dingen zugegangen ist, – mein Gott und Herr, Ihr junger Degen, was kann und muß nicht alles noch aus Euch werden, in solcher frühen Jugend so groß!« – Und wieder neigte er sich mit ernster Ehrfurcht, und Gabriele, in freudigem Stolz über ihren Kämpfer erglühend, legte die Schwanenhand in Ottos Rechte, senkte das lockige Haupt vor ihm, und sagte: »Ich bin des edlen Ritter Trautwangen verlobte Braut!« – Und die Instrumente jubelten, und die Gäste riefen glückwünschend drein, und die Becher klangen, und Otto, den Mund an Gabrielens Lippen drückend, sah den Himmel in ihren mildleuchtenden Augen.

      »Glück zu, mein lieber Otto«; sagte eine leise Flötenstimme hinter ihm. »Ach Gott, ich bin so von Herzen froh, daß du in dieser irdischen Seligkeit lebst!« – Und umschauend, erkannte er Mühmchen Berthas holdes Gesicht, aber ganz freundlich, ganz heiter, wenn auch etwas mondenbleich, alles das, wie noch aus Frau Minnetrostens Gemächern her. Weiter zurück drohte gleich einer Gewitterwolke des zürnenden Heerdegens benarbtes Antlitz. – »So war ja doch wohl alles nur ein Traum!« sagte Otto, und wehte sich mit der Hand vor der Stirne hin und her, als wolle er den Schlaf von seinen Wimpern scheuchen; Heerdegen drängte sich vor und schien sprechen zu wollen. Aber Bertha trat zwischen Otto und Gabriele, schlang deren Hände zusammen und ergoß sich in einen Strom so anmutiger und freudenreicher Glückwünsche, daß man glauben mochte, es sei ein leuchtender und tönender Engel vom Himmel heruntergeschwebt, dies herrliche Bündnis zu segnen. Auch von Heerdegens Brauen schwanden die Wolken vor Berthas lieblichen Worten, und Arinbiörn sagte: »Die zweie dort waren einstmalen meine Gefangne; ich hab sie mir an der ostfriesischen Küste im ehrlichen Holmgang erstritten, und hätte sie gern mit zu dem heimischen Herd geführt, als Siegeszeichen, und als meine eignen lieben Geschwister oben ein, denn nicht wahr, Heerdegen und Bertha, so haben wir bisher miteinander gelebt? Aber seid beide nur immerhin meiner Vormundschaft entlassen, zur Feier dieses hohen Festes, und weil ihr dem jungen Heldenbesieger dorten wohl lieb sein müßt!« – Und ein neuer Jubel erhob sich in dem schallenden Saale; Gabriele küßte Bertha, sie nun vom Donaustrande her wiedererkennend, und streichelte ihr die blaßrosigen Wangen, Otto und Heerdegen drückten einander in freudiger Versöhnung die Hände.

      Man saß schon wieder vertraulich kosend an der Tafel, Bertha bei Gabriele, Heerdegen bei Folko, Arinbiörn neben Otto, da bemerkte dieser, daß hinter des Seeköniges Stuhl ein hohes, goldlockiges Frauenbild stand, mit einem langen Schwert umgürtet, wunderschön, aber streng und regungslos, und indem Otto aufsprang, ihr mit zierlichen Entschuldigungen seinen Platz anbietend, wandte sie sich unwillig von ihm und schritt aus dem Saal. – »Ach, ist es weiter nichts als das?« sprach Arinbiörn, da er auf sein Befragen die Ursache von Ottos und vieler andern Gäste Staunen vernahm. »Ihr holde Fraun und edle Herrn, meine Eltern