Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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sprechend: »Ihr nehmt die Sache zu streng, mein edler alemannischer Ritter. Aus Euerem Gesichtspunkte mögt Ihr recht haben, aber verurteilt und verdammt mir nicht meine glühenden Landsleute von Eurer Seite der Alpen herüber, wir sind anders als ihr, darum muß es auch anders zugehn bei uns, als bei Euch.« – »Gibt's denn Gesichtspunkte, oder wie Ihr's nennen wollt, in solchen Dingen?« fragte Otto, »ich weiß doch gewiß, man will auf jener Seite der Alpen ebenso ungern zur Hölle fahren, als auf unsrer; und zur Hölle führt der Weg, den Eure Geschichte lehrt, darauf könnt Ihr Euch verlassen.

      Es lag bei diesen Worten ein Ernst, ein Fernsinn alles Bösen, und zugleich eine stille Kindlichkeit auf Ottos Zügen, wie man es wohl auf Engelköpfen altdeutscher oder altitalischer Meister antrifft; ein leiser Schauer, eine Ahnung der maßlosen Ewigkeit zog durch die Versammlung, der stolze Vinciguerra brachte kein Auge mehr vom Boden. Hernandez hingegen war unbemerkt aufgestanden, und hatte sich hinter Ottos Stuhl gestellt. Er klopfte ihm freundlich auf die Schulter, und sich umwendend, traf der junge Ritter auf einen freudig liebevollen Lichtstrom aus des Castiliers Augen.

      Nach einem langen Schweigen erhob sich der Freiherr von Montfaucon von seinem Sitze, und sprach zu dem jungen Deutschen: »Herr Ritter, Ihr habt uns allesamt beschämt, aber Ihr habt uns auch allesamt auf den rechten Weg geholfen, denn Ihr klangt es heraus, wie eine reine Kirchenglocke, was Christ und Ritterschaft gebeut. Nehmt meinen inbrünstigen Dank; ich erkenne Euch für das edelste Juwel in dieser Burg.« Und damit neigte er sich ernst vor ihm, und alle die Ritter und Meister standen auf und taten das gleiche.

      Ottos Wangen leuchteten hell in sittiger Verlegenheit. – »Liebe Herren«, sagte er, »ich denke, ihr neigt euch vor dem lieben Gott und nicht vor mir, und so ist es denn sehr gut. Wär' es anders, ich unbedeutender Ritterjüngling dürft' es ja nimmermehr verstatten.«

      »Wir bitten um Euern Namen, edler Herr«, sagte der Freiherr, »und um die Geschichte Eueres Lebens.«

      »Daß mein Leben erst noch eine Geschichte bekommen wird, und welche es bekommt«, erwiderte Otto, »liegt mit auf Euerm Schwertgriff, mein edler Wirt. Gedenkt Ihr noch des Knappen am Donaustrande, zur Stund', als Ihr den starken Grafen Archimbald von Walbeck fälltet? Ich habe nun die goldnen Sporen, und die drei flachen Klingenschläge auch.«

      »Wohl, Ritter, und Ihr kommt nach Gabrielens Ring?« fragte Montfaucon. – Mit höflich bejahender Verbeugung senkte Otto sein Haupt. – »Zu Euern Diensten«, sagte Folko freundlich, und fuhr dann, zu der Gesellschaft gewendet, fort: »Ihr Herren, der junge deutsche Ritter hat euch keine Geschichte erzählt, aber er wird euch eine sehn lassen, wenn ihr ihm und mir die Ehre erzeigen wollt, uns Morgen auf eine meiner Burgen in der Normandie, wohin ich die wunderschöne Gabriele von Portamour einladen will, zu begleiten, und dorten unsre Kampfeszeugen zu sein.« – Er sagte darauf, wie er mit Otto früher bei der Veste Trautwangen zusammengetroffen sei, und was jetzt zwischen ihnen bevorstehe, zugleich auch, daß die Burg, wo man nun vor Gabrielens Augen fechten wolle, der Hauptsitz jener Herrschaften sei, auf welche der bestrittene Ring ein ausschließliches Recht erteile, so daß die schöne Herrin nicht zögern werde, sich dorten einzufinden. Alle Anwesenden hatten schon die Einladung angenommen, da ging Otto mit bescheidner Anmut im Kreise umher, dankend, daß eine so hohe Versammlung zuschauen wolle, wie seine fast tatenlose Jugend durch einen Kampf mit dem großen Folko von Montfaucon geehrt werde. Jedes Herz schlug dem freundlichen Jüngling entgegen, und Alessandro Vinciguerra küßte ihn herzlich, ausrufend. »Wahrhaftig, wenn das Schicksal meinen Übermut mit einem strengen Hofmeister und Prediger dämpfen wollte, konnte es mir doch in der weiten Welt keinen lieblichern und treuherzigern zusenden, als diesen hier!«

      Mit den frühesten Strahlen des andern Morgens brach die ganze zahlreich edle Gesellschaft nach der Normandie auf. Es war schön anzusehen, wie sie bald durch blühende Fluren, bald durch schattende Laubgänge oder Holzungen, bald über hellgrasige Wiesen miteinander dahin ritten, Kriegsleute und gelehrte Männer und geputzte Diener in glänzender Mischung, zwischendurch auf Saumrossen viel reiches Gepäcke und leuchtende Decken mit Gold- oder Silberfransen drüber. Zu den herrlichsten Gestalten gehörte Graf Alessandro Vinciguerra, der die vielfach bunten Farben seines Stammschildes von einem seidengewürkten Wappenrock prächtig durch die Luft hinstrahlen ließ; köstliche Perlenschnüre schlangen sich durch das farbige Spiel, und bildeten in mannigfachen Schwingungen bald artige, bald kriegrisch-kühne Sinnsprüche. Was aus den reichen Gewanden und Decken an Schienen und Platten hervorblickte, war vom reinsten, goldeingelegten Stahl, Federn von zahllosen Farben gaben sich auf des Grafen Barette den Winden zum Spiel, oder wallten ihm majestätisch den schlanken Rücken hinunter. Seltsam stach dagegen der edle Spanier Hernandez ab. Er hatte es sich nach Reisemanier bequem gemacht, und zog auf einem wunderschönen, sehr zierlich geschmückten Maultiere einher, keine andre Waffen zur Hand, als ein zierlich geformtes Schwert und eine kleine, glänzende Tartsche, beide an den samtbezogenen Sattel seines Tieres gehängt. Unfern von ihm aber führte ein Knappe den schnaubenden andalusischen Streithengst an goldnen Kettenzügeln, ein andrer auf einem Saumroß so herrlich leuchtendes Rittergewaffen, und so schön geordnetes, als man sich es nur irgend denken mag, den geschloßnem Helm mit seinen gewaltig wogenden Reiherfedern hoch oben darauf gebunden.

      Der tapfre Freiherr und Otto ritten meist immer nebeneinander in mannigfache Gespräche vertieft, und sich gegenseitig mit jedem Augenblicke lieber gewinnend. So waren auch Folkos Silbergrauer und Trautwangens Lichtbrauner verträglich miteinander, so wenig dieser sonsten Friede mit fremden Rossen hielt. Von dem, was die edlen Feinde zusammen besprachen, sei es vergönnt, folgendes aufzuschreiben.

      »Ich meinte kaum, Euch mehr in Frankreich zu finden«, sagte Otto einmal. »Am heiligen Grabe, dachte ich, müßten wir zusammentreffen, oder doch mindestens auf dem Wege dahin. Denn schlagen nicht alle großen Herzen Europas dem seligen Magnetsteine zu, welcher in der Grabesnacht, umwogt von heidnischen Gottlosigkeiten, seinen stillen, aber gewaltigen Zug zur Befreiung aussendet durch alle Welt? Und Euer Herz, mein hoher Widersacher, schlägt gewißlich mit den allerbesten in der Christenheit gleichen Takt. Wie ist denn Eure Schulter nicht rot bekreuzt?«

      »Weil nicht nur der Heiland an seinem Grabe Fechter braucht«, entgegnete Montfaucon, »sondern auch mein König in seinem blühenden Reiche Barone. Eben weil mein edler Herr selbsten mit hinauszieht in die Morgenlande, begehrt er und gebeut, daß meinesgleichen zurückbleiben sollen, ihm den Erdengarten Frankreich zu hüten, während er den Gottesgarten Palästina erobert. Die Mohren in Spanien sind ja nicht so gar fern von hier, auch durch keinen Meeresarm von uns getrennt, und wenn sich tapfre kastilische Degen dawider anstemmen, müssen wir entweder unser edles Bollwerk verstärken helfen, oder uns selbsten vorkommen, wie müßige Feiglinge. Ich denke nächstens dorthin zu ziehen, mit dem tapfern Hernandez in Gesellschaft, und es kann sein auch mit Euch, dafern ich im Kampfe erliegen und ihn dennoch überleben sollte, denn als Sieger werdet ja auch Ihr ein französischer Vasall.« – Otto sah ihn fragend an, und der Freiherr fuhr fort: »Ich dachte, Ihr wüßtet schon, daß die schöne Gabriele von Portamour dem, welcher ihr den wundersamen Ring erstreitet, ihr wunderholdes Selbst als Eigentum verheißen hat. O wie Euch nun die Augen funkeln, Ihr hoffender Kämpfer!« – In der Tat leuchtete Ottos Seele von nie geahnter Freude, und doch mußte er wieder mehr als je an seinem Siege zweifeln, zweifeln, ob er leben werde bis zum Tage des Gefechtes, weil jenes Glück in allzu überraschender Herrlichkeit ihm entgegenstrahlte. Folko schien eine rechte Freude an der Begeisterung des Jünglings zu haben, und sah ihn wieder zugleich mit einer tiefen Wehmut an, vielleicht weil er bedenken mochte, daß den jungen Ritter diese Heldenglut eben jetzt seiner furchtbaren, schon manchem Gegner tödlichen Lanzenspitze entgegentreibe. Da suchten beide in unterschiedlichen Gesprächen zu vergessen, daß sie einander bald auf Tod und Leben zu treffen hatten, und als Otto den Freiherrn befragte, was er denn eigentlich von dem wunderbaren Ringeskleinod wisse, gab ihm dieser in folgenden Worten Kunde:

      »Der Ring ist ein Erbteil meines Stiefvaters, eines sehr gewaltigen Kriegshelden, welcher Messire Huguenin geheißen war, und am Hofe unsers Königs in einem hohen Ansehn stand. Obgleich er als ein Fremder in das Land gekommen war, einige sagten vom Osten, andere vom hohen Norden her, hatte er sich doch viele große Lehen im Reiche zur Belohnung seiner tapfern Kriegstaten erworben, und zwar mit so uneingeschränktem Besitz, daß er sie hinterlassen durfte, wem er wollte, sei es Fräulein oder Ritter. Bei allen Festen des Hofes glänzend, war