Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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es ist nicht meine Schuld. Ein gegebnes Wort treibt mich immer weiter gegen Abend fort, so sehr auch mein Herz der erquickenden Sonne des Orients entgegenschlägt.« – »Schade!« sagte der Sänger. »Es hätte hübsch sein müssen, in eurer Gesellschaft zu reisen. Aber so wie die Sache steht, habt ihr vollkommen recht. Gegebnes Wort ist heilig Pfand, und es wär' ein schlechter Gottesdienst, das Heiligste im Stich zu lassen, um dem Heiligen zu dienen. Wollt Ihr aber nicht für jetzt noch etwas singen?« – »Ich weiß nicht«, sagte Otto, »aber Ihr habt mir mit dem Gedanken an das Morgenland das Herz so schwer gemacht. Ich könnte jetzt nichts Ordentliches singen, oder doch wenigstens was Erfreuliches nicht. Viel lieber hörte ich von Euch ein Lied.« – »Ja«, sagte der Fremde, »ich weiß auch eben von nichts anderm zu singen, als vom Morgenland. Wenn Ihr mich aber hören wollt, so hört.« – Darauf schlug er die Saiten, und sang mit wundersüßer Stimme folgende Worte:

      »Was bebt durch diese grünen Räume?

       Was rauscht durch diese blaue Luft?

       Was sagt ihr zueinander, Bäume?

       Welch ferne Kunde bringst du, Duft?

      Es klingt wie Jammer aus der Ferne,

       Es hallt wie tiefer Seufzerlaut,

       Es ist ein Weh, doch hört man's gerne,

       Und hegt's, wie eine kranke Braut.

      Ach Gott, wer hätt' es nicht verstanden,

       In dem ein christlich Herze schlägt!

       Seht ihr den Frevel in den Landen,

       Wo man den Herrn ins Grab gelegt?

      Die einen haben ihn erschlagen,

       Die andern schwelgen um sein Grab;

       Für jenes haben wir nur Klagen,

       Für dieses Kling' und Lanzenstab.

      Wenn Schmerzenlaut von dorther tönet,

       Horch, wie von hier Trompete klingt,

       Schau, wie mit rotem Kreuz verschönet,

       Der Ritter sich in Bügel schwingt!

      Sieh Wellen sich an Wellen schließen,

       Und allesamt von blankem Stahl,

       Den Speerwald sieh zusammenschießen,

       Und jeder Zweig ist Gottes Wahl.

      Wir wären lange schon gekommen,

       Wir meinten's längst im Sinne gut,

       Doch fehlt' es am Panier den Frommen,

       Und blöd und einzeln schwieg der Mut.

      Jetzt tönt ein freud'ger Sang von allen,

       Steigt zuversichtlich himmelwärts;

       Panier, Panier, wir sehn dich wallen,

       Bist König Richard Löwenherz!«

      Ottos Wangen brannten, er wäre um alles gern mit dem wunderbaren Sänger dem königlichen Kreuzpaniere nachgezogen in das Morgenland, und er wollte eben seinen Mund auftun, den Fremden zu befragen, ob er nicht etwa vernommen habe, daß der Freiherr Folko von Montfaucon mitziehe an das heilige Grab; dann wäre jede einzelne Fehde zur Ruh' bis nach der Fahrt, und ihr Weg und ihr Kämpfen gemeinschaftlich das Glorwürdigste und Seligste auf der ganzen Welt. Aber noch ehe er fragen konnte, trabten einige Kriegsleute durch den Wald heran, sprachen ehrerbietig mit dem Sänger, zäumten nach seinem Gebote das weiße Rößlein wieder auf, und alsbald ritt er mit ihnen, Otto und Tebaldo freundlich grüßend, durch das frische Gezweig davon. – »Wer war der Herr?« fragte Otto einen Kriegsknecht, der sich etwas verzögert hatte. – »Ei«, entgegnete dieser, »es ist der berühmte Meister Blondel, der beste Minstrel in allen englischen Landen, und König Richard Löwenherzens Busenfreund, deshalben er auch dem heiligen Lande zureiset mit unserm großen Heere. Der hat uns ihn als Begleitung zugeordnet, wenn der Meister unterweges hin und her zieht, in freundlicher Neubegier, wie es der edlen Sänger heitre Weise ist. Gehabt euch wohl, ihr Herren!«

      Und damit sprengte er dem lustigen Zuge nach, den man noch fernherüber durch den Wald scherzen und singen hörte.

      »Kommt es dir nicht vor«, sagte Otto nach einem langen Schweigen zu Tebaldo, »als ob uns fast immer die besten Freuden und Kräfte des Lebens nur hohnneckend ins Gesicht sähen, ohne uns jemals den Weg zum rechten Genusse zeigen zu wollen? Oder, weil du so gar verdrießlich zu meinen Worten aussiehst, laß mich lieber die Sprachweise verändern, und statt: uns sagen: mir. Es ist doch ein ordentlich boshaftes Spiel, daß ich nun heute erblicken muß, und ganz nahe bei, was mir das Allerschönste und Höchste dünkt auf der ganzen Welt, und daß mich dennoch ein fremdes Treiben an der Kette meines heiligen Wortes so unaufhaltsam abwärts reißt.«

      »Ich hätte im Grunde mehr zu klagen, als Ihr«, entgegnete auf eine ziemlich mürrische Weise Tebaldo. »Denn seht nur an, mein edler Herr, wenn Ihr törichte Versprechungen getan habt, habe ich sie meines Wissens nicht mitgetan, und wäre jetzo doch sehr gern nach Jerusalem hinausgezogen.«

      »Verlasse mich nur immer, Tebaldo,« sagte Otto weichmütig, »ich habe viel verlassen, und muß deshalben schon gut daran gewöhnt sein.«

      Da sah ihn Tebaldo sehr freundlich an, und sprach gerührt: »Nein, Gott bewahre mich vor dergleichen. Aber laßt die Lamenten sein, und seht wieder hinauf ins Himmelblau. Wie da Wolke und Zweig und Vogelflug durcheinander spielt! Ich dächte, es müßte Heilkraft für alles Weh der Erden aus dem freudigen Gewimmel herunter regnen.«

      Otto schaute empor, und sprach: »Du hast recht; auch mir vertreibt nichts besser das Grämeln, und alles Nichtsnutzige, als der Hinaufblick in die rege, sonnenblaue Halle über uns.«

      Und wie nun die Jünglinge schon eine geraume Zeit auf den Rasen hingestreckt lagen, die Augen nach dem klaren Himmelsmantel gerichtet, siehe, da zog ein wunderbar schöner Edelfalk, wie ein Schnellsegler im Wolkenmeer, freudig über sie fort, in solcher Höhe, daß die schon tiefer stehende Sonne ihm Schwingen und Leib von unten mit ihrem leuchtendsten Glührot bestrahlte. Freudig fuhr Otto auf, und rief und lockte nach Jägerweise das ritterliche Tier. Aber der Falk schwebte nicht zu ihm herab. Wohl sahe man, daß er sein Rufen vernahm, und eines edlen Waidmanns Stimme erkannte, denn er zog seine luftigen Bahnen wohlgefällig um den Jüngling her, doch auf ein Locken, fernher aus dem Forste, schlug er seine Schwingen rüstig zusammen, und schoß mit Pfeilesschnelle nach jener Gegend hin. Man sah, er hatte den rechten Meister gehört. – »Ich bin froh, daß er fort ist«, sagte Tebaldo, »mir ist nichts mehr in der Seele zuwider, als so ein räubrischer Kerl mit krummgebognem, hakenartigem Schnabel, mit gräßlich funkelndem Auge, mit den spitzbübischen Krallenfingern an seinen Beinen. Wie könnt Ihr nur irgend Lust an ihm finden?« – »Wie du es sagst«, entgegnete Otto, »könnte man sich jegliches Tier zum Abscheu machen. Ich aber hege alle Tierchen gern; und vollends so ein Falke! So klug und treu!« – »Klug ist der Teufel auch«, sagte Tebaldo, »und wenn Ihr das Treue nennt, sich mit seinen spitzen Krallen überall fest anzuhäkeln, so kann er das eben so gut.« – »Du bist wohl noch nie auf eine Falkenjagd mitgeritten?« fragte Otto. – »Es gehört zu den Vorurteilen des Ritterstandes«, entgegnete Tebaldo, »dergleichen für eine Ergötzlichkeit auszugeben.« – »Nein, sage das nicht«, rief Otto aus, »ein Leben ist's, wie auf Himmel und Erden zugleich: über uns der geflügelte Jäger, unter uns ein windschnell jagendes Roß, durch die grünen Matten dahinwirbelnd, gedreht von der Eil das wolkige Zelt, der Lüfte freudiges Rauschen durch unser Haar, der Gesellen jubelnder Waldruf um uns her – und endlich bannt der zaubrische Falk seinen Feind, und in Kreisen wogt und schwebt und leuchtet er über ihm, und nun, und nun« –

      Tebaldos Bogen klang, und Otto, aus seiner Rede aufgeschreckt, blickte umher, da schwebte eben der Edelfalke taumelnden Flugs, einen Bolzen in der Schwinge, stark blutend und ganz wie ohnmächtig nach der andern Seite des Waldes davon. – »Wer hieß dich verletzen, was mich freut?« rief der junge Ritter flammenden Blicks. – »War es denn Euer Falke?« fragte Tebaldo. »Und wenn Ihr die Tierlein alle gern hegt, wie Ihr vor kurzem spracht, so solltet Ihr froh sein, daß mein Schuß ein armes, scheues Gefieder errettet hat, welches sich jetzt eben vor dem hochmütigen Räuber in