Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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Ich sing' noch obenein,

       Und wollt' es Jemand rächen,

       Müßt's ein Stummer sein.

       Und wär' er stumm an Seel' und Leib,

       So nennt' ich ihm ein edles Weib,

       Und löst' ihm Zung' und Miene:

       Aline! Aline! Aline!

      Die heirathet einen reichen Grafen, sagte Alwin, und wahrscheinlich ist die Hochzeit schon gewesen.

      Anselmo ward plötzlich still, alle Freude schien vor seinen Augen weggebannt, der Wein ließ er aus dem eben gefüllten Becher langsam auf die Erde tröpfeln. Alwin saß ihm schweigend gegenüber.

      Nun kann ich freilich nicht mehr singen, lieber Alwin, sagte er endlich, und zwei große Thränentropfen rollten dem verschütteten Weine nach. Nun bin ich stumm geworden, ich armes Kind.

      Da brach Alwin's weiches Gemüth in erst verschloßner Rührung hervor, und er fiel seinem Freunde weinend in den Arm.

      Laß gut sein, sagte Anselmo nach einiger Zeit; laß gut sein. Du siehst, ich habe ausgeweint, und ich bin doch die Hauptperson gewesen in der Tragikomödie. Weißt Du noch was Du einmal bei Gelegenheit der Bäckerstochter sagtest. Ich lachte Dich aus, und Du hattest doch so vollkommen Recht. Schaff uns noch Wein, lieber Bruder. Diesen hab' ich so schändlich verschüttet, und um gar nichts.

      Um gar nichts, ja wohl! rief Alwin, indem er die Becher von Neuem füllte. Und bald hätt' auch ich: um gar nichts noch süßre Freude verschüttet, noch unwiederbringlichre. Zum Glück bin ich bei Zeiten klug geworden. Grüß Deinen Hauptmann, und sag' ihm, Flaminia solle mein werden.

      Sie tranken bis gegen Mitternacht, aber der Wein zündete nicht die gewohnte Freudigkeit in ihren Herzen an; es brannte dunkel, und matt bei ihnen auf, der Kerze ähnlich, die auf dem Feldtische vor ihnen hin und her wehte im Sturm, als er sich mit der Nacht erhoben hatte, und durch die dünnen Zeltwände pfiff.

      Wie es Zeit ward zur Flucht für Anselmo, tiefe Dunkelheit draußen, Schnarchen der schlafenden Reiter umher, nur hin und wieder Roßgebraus, die Feuer der Feldwachten mehr und mehr zu Kohlen sinkend, da machten sie sich auf. Alwin führte seinen Schimmel am Zügel, um ihn Anselmo mit zu geben, und dessen rothen Barberhengst dafür zu behalten. Die weißen Pferde passen sich nicht mehr für mich, sagte er; sie erinnern zu sehr an alte Romanzen, wo die Ritter drauf hinaussprengten zu Thaten zarter Lieb' und Treue.

      Es ging im Dunkeln den Hügel hinab, tief in's waldige, labyrinthische Thal; wenn die Posten anriefen, gab ihnen Alwin die Losung dumpf zurück, der Schimmel ward öfters scheu vor dem Lichte der Wachtfeuer, und vor den alten Baumstämmen, die immer wunderlicher gestaltet durch die Waldung blickten. Plötzlich ging eine lange Gestalt an ihnen vorüber. Mehr links! murmelte sie, und war im Gebüsch verschwunden. Sie folgten dem Gebot fast unbewußt, und hörten bald darauf des alten Balderichs Stimme, der auf dem Wege, den sie ohne jene Warnung eingeschlagen hätten, die Posten beritt.

      Nun waren sie außerhalb der Feldwachten. Anselmo setzte sich schweigend auf den Schimmel, und drückte seinem Freunde die Hand. Wer war denn das, der uns warnte? fragte er noch. Gott weiß es, antwortete Alwin. Wohl der Nachtmohr, sagte Anselmo. Grüß den alten Gesellen von mir. Er hatte scherzen wollen, aber das Grausen der Nacht überfiel sie unvermuthet Beide, daß sie, wie vor sich selbst scheu, hier und dorthin aus einander flogen. Alwin sah das weiße Pferd gleich einer Erscheinung noch durch die fernen Büsche leuchten, und heimliche Schrecken gaben ihm das Geleit bis an sein Zelt.

       Inhaltsverzeichnis

      Das Herz voll nie empfundner Sehnsucht, die Sinne voll wilder, gaukelnder Gestalten, jagte Alwin nach Flaminiens Schlosse zu; wenn ihm die glühenden Rosenwangen, die liebefunkelnden Augen, die weißen, schöngeformten Arme recht lebhaft vor dem innern Blick' emporstiegen, so streifte wohl Alinens reine Engelsbildung wie ein schützender Genius zwischen durch, aber er scheuchte den Traum der Vergangenheit muthwillig von sich. Reiche Grafenbraut! rief er ein Paarmal schallend aus, und lachte spöttisch hinterdrein. Die geliebte Erscheinung kam nicht wieder, oder wehte doch nur bleich und luftig wie ein Nebelgebild an ihm hin, ohne die Gegenwart in all ihrer frischen, sinnlichen Herrlichkeit verdunkeln zu können.

      Er fand Flaminien wie gewöhnlich allein, und die jugendliche Liebesgluth, so lang schon mühsam gezügelt, strömte in wilden Flammen von seinen Lippen. Ihr seid nicht klug, antwortete Flaminia lachend; wie fällt Euch das eben jetzt ein? Und dabei funkelten doch ihre Augen so freundlich und verheißend, daß er nicht den leisesten Unwillen über jene seltsame Antwort empfinden konnte. Aber die Fortsetzung seiner Rede ward ihm abgeschnitten, denn Flaminia wußte so viel artige Tändeleien, so viel zerstreuende Gespräche zu beginnen, daß es ihm lächerlich vorkam, in den ersten leidenschaftlichen Ton wieder einzufallen, oder, sich herabstimmend, einen Angriff auf andre Weise zu versuchen. Beim Abschied war es ihm, als fühle er den Druck ihrer warmen, zarten Hand, ohne doch recht zu wissen, ob er sich nicht vielleicht nur mit seinen Wünschen bethört habe. So ging es mehrere Tage hindurch. Er kam, er bat, ward auf das anmuthigste verlacht, und doch wieder durch Winke und Blicke, deren er sich kaum bewußt war, in süßer Hoffnung erhalten – die Welt drehte sich schwindlich vor seinen Blicken.

      Eines Tages kam ihm Flaminia mit Thränen in den Augen entgegen. O, ich Thörin! rief sie, ich Unheilige, Unwerthe, Selbstverderbliche! Was hab' ich gethan! Wo sind die schönen Tage hin, die keine Sehnsucht zurückrufen wird, wie oft ich auch nach ihnen ausschauen mag, wenn nun die trübe Zukunft als Gegenwart vor mir steht, mich einhüllend mit all' ihren grauen Schleiern, daß keine Liebeshoffnung ihre Strahlen hindurch senden kann. Keckes Spiel mit dem mächtigsten, seeligsten Wollen, wie hast Du mir so übel gelohnt, Du feindliches Irrlicht!

      Alwin blieb staunend vor ihr stehn: sie wand ihre schönen Arme um seinen Hals. Fühlst Du es nicht, wie unendlich ich Dich liebe? Konnte Dich wirklich mein arger, neckischer Dämon so gar verblenden, daß Du vor seinen Gaukeleien die süße Zeichensprache der Liebe nicht verstandest? O, wie es mich schmerzte, daß Du anfangs so lange kalt bliebst und ruhig! Wie seelig und stolz mich Dein erstes Geständniß über mich selbst erhob. Ja, über mich selbst! In meiner Eitelkeit und Freude wußt' ich des Uebermuthes kein Ziel, und versagte mir selbst die holde Frucht, immer weiter hinaus den Tag der Erwiedrung, den ersehnten, lohnenden, rückend. – Blödes Menschengeschlecht! Noch immer nicht gewitzigt, so Manchen auch Trennung und Tod schon vor seinen aufgesparten Freuden hinweggerissen hat! – Höre nun! Höre nun schnell! – Der Feinde Aufbruch ist nah; sie werden Euch vorher noch mit aller Macht anfallen, vielleicht schon Morgen. Reite, flieg' in's Lager zurück mit der Kunde. Noch schneller flieg' wieder her, mein lieblicher Held, wenn die Sterne am Himmel stehn. Eine Nacht, wenigstens Eine, muß unser sein. An der Süderpforte soll Dich Clotilde erwarten.

      Alwin, stumm in der wonnigsten Ueberraschung, antwortete nur mit einem flammenden Blick. Wie berauscht sprengte er in's Lager, sprach mit Adalbert so viele verständige Worte, als unumgänglich nothwendig waren, und indem er damit fertig ward, stampfte Anselmo's Rothroß schon den Boden, seinen neuen Herrn vor dem Zelte erwartend. Im Hui sprang er hinauf, im Fluge ging's durch die Abenddämmerung nach Flaminien's Zauberschlosse zurück. Flieg mein Roß, mein schneller Renner! Flieg' auf unserm ersten Ritt! so sang' er immer leise vor sich hin, und es war, als verstände ihn Anselmo's Pferd. Die Grashalme bogen sich kaum unter seinem flüchtigen Huf, die Hügel hinauf, die Hügel hinunter, die Fußpfade zwischen den Büschen hindurch, hoch über die Hecken, leicht über die Gräben fort, so kamen Roß und Reiter, wie von gleicher Freude belebt, am Süderpförtchen der Burg an. Hast mich so gut getragen, mein Roß, sagte Alwin. Hier auf dem frischen Anger sollst Du weiden, und laß Dir die Zeit nicht lang währen, indeß Dein Herr im Paradiese weilt. Er hatte das Pferd bei diesen Worten abgestangt, und ließ es in eine umhegte Koppel hineinlaufen.

      Der Pfortering klang, Alwin trat in den blühenden, monderhellten Garten. Von allen Seiten nickten ihm die Gebüsche wie einladend zu, alle schienen ihn neckend festhalten zu wollen, lockten ihn von einer Laube