Die Clans der Wildnis - Amisha. Delia Golz

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Название Die Clans der Wildnis - Amisha
Автор произведения Delia Golz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783949348235



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Mann wird durch die Kraft gegen einen Baum geschleudert, ist jedoch sofort wieder auf den Beinen. Voller Entsetzen sehe ich, wie er nach seinem Dolch greift und dann in einer unnatürlichen Geschwindigkeit auf Nevya zuläuft. Im letzten Moment kann ich sie wegziehen und stoße dem Mann meinen eigenen Dolch in den Rücken. Ich weiß, dass es ihn nicht tötet, denn mittlerweile bin ich mir sicher, dass er tatsächlich unsterblich ist. Doch es hat ihn immerhin für einen Moment aus dem Konzept gebracht.

      Ich nutze die Gelegenheit und zerre Nevya eilig hinter mir her. So schnell wir können laufen wir durch den Wald und ich kann hören, dass der Mann die Verfolgung aufgenommen hat.

      Obwohl ich mir bewusst bin, dass er uns vermutlich einholen wird, gebe ich die Hoffnung nicht auf und beschleunige mein Tempo noch weiter. Das häufige Ausdauertraining, welches von Clanmitgliedern erwartet wird, kommt mir und meiner Freundin zugute und obwohl wir in der Dunkelheit kaum etwas sehen können, schlängeln wir uns ohne Mühe an den Bäumen vorbei. Dann werde ich jedoch zu Boden gerissen und bin für einen Moment völlig blind.

      »Lauf weiter!«, rufe ich meiner Freundin mit überschlagender Stimme zu. »Hol Hilfe!« Zu meiner Erleichterung hört sie auf meine Worte, wenn auch zögerlich. »Du sagst jetzt gar nichts mehr«, knurrt eine Stimme nahe meinem Ohr und im nächsten Moment wird alles schwarz.

      Mühsam schlage ich die Augen auf und kann zu meiner Ver-wunderung den Boden unter mir sehen. Ich bewege mich auf und ab, was ein heftiges Pochen in meinem Kopf auslöst. Dann erst fällt mir auf, dass ich getragen werde, und schlage sofort wild um mich. Unsanft werde ich zu Boden gelassen und ich brauche einen Moment, um zu Atem zu kommen. Ein grimmiges Gesicht beugt sich über mich, ein Gesicht, das ich zuerst nicht erkenne. Schließlich wird mir jedoch bewusst, dass es das Gesicht des jungen Mannes ist, welches ich nun das erste Mal bei Tageslicht sehe.

      Seine Haut ist bleich und das Haar wirkt auf dem ersten Blick schwarz, doch es schimmert rötlich im Sonnenlicht. Das merkwürdigste sind allerdings seine Augen und erst nachdem ich einen Moment hineingestarrt habe, fällt mir auf, woran es liegt. Während das eine Auge von einem strahlenden Blau ist, schimmert das andere in einem kalten, aber klaren Grau. Wieder einmal überkommt mich diese seltsame und völlig unangebrachte Faszination.

      Der Mann wendet sich schließlich von mir ab und mir wird klar, dass ich ihn völlig schamlos angestarrt habe. Mir schießt die Röte ins Gesicht und ich möchte gerade etwas sagen, als der Mann anfängt, mir mit groben Bewegungen die Handgelenke zusammenzubinden.

      »Ich rate dir, weiterhin den Mund zu halten«, sagt er finster und zieht mich dann unsanft auf die Füße. »Jetzt, wo du wieder laufen kannst, muss ich dich endlich nicht mehr tragen.«

      Er befestigt noch ein Seil an meinen Fesseln und zieht mich dann hinter sich her. Ich möchte protestieren, doch ich weiß, dass es klüger wäre, mich an seine Anweisungen zu halten. Darum beschließe ich, zuerst die Lage zu analysieren. Als ich mich umblicke, bemerke ich, dass wir uns durch die Steppe bewegen und die Oase, in der sich das Hauptlager befindet, weit und breit nicht zu sehen ist. Zudem hat sich die Luft verändert. Sie wird drückender und ein leichter, unangenehmer Geruch ist darin wahrzunehmen. Dies kann nur bedeuten, dass wir uns auf die Grenze zur Einöde zubewegen.

      Ich schaue an mir herunter und muss feststellen, dass sich meine Waffen nicht mehr an dem Gürtel befinden. Zudem lassen sich die Fesseln auch nach großen Bemühungen nicht lockern, sodass ich mir verzweifelt eingestehen muss, dass ich dem Mann völlig ausgeliefert bin. Sobald wir die Grenze erreichen, könnte ich auch auf meine Clankameraden nicht zählen und ich hoffe inständig, dass Nevya ihnen früh genug Bescheid sagen konnte.

      Nachdem ich eine Zeit lang brav hinter dem Fremden herge-gangen bin, beschließe ich doch, mein Schweigen zu brechen.

      »Du bringst mich zu Morigan, habe ich recht?«, frage ich finster, doch lange Zeit bekomme ich keine Antwort.

      Dann bleibt der Mann jedoch stehen und dreht sich langsam zu mir um. »Das stimmt«, sagt er mit einem Lächeln, dass vollkommen falsch aussieht.

      »Warum hast du mich nicht einfach getötet? Was bringt es Morigan, mich als Geisel zu halten? Ich bin nicht mal ein richtiges Clanmitglied!« Herausfordernd blicke ich ihn an und hoffe, dass er mit dieser Tatsache nicht gerechnet hat.

      Dann wird mir jedoch bewusst, dass ich einen großen Fehler gemacht haben könnte. Wenn ich nichts wert bin, könnte er sich doch noch dafür entscheiden, mich einfach zu töten.

      »Irgendeinen Vorteil wird es schon haben«, entgegnet er bloß schulterzuckend.

      Ich werde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Alles was er tut, wirkt auf mich völlig unvorhersehbar. Ich versuche schon die ganze Zeit mir fieberhaft einen Fluchtplan auszudenken, doch es will mir einfach nicht gelingen.

      »Ich habe Kopfschmerzen und Durst«, murre ich nach einiger Zeit. Vielleicht könnte ich durch nerviges Verhalten mehr über seinen Charakter erfahren. Er bleibt jedoch ohne ein weiteres Wort stehen und reicht mir eine Trinkflasche. Ich leere sie mit wenigen, gierigen Schlucken und merke erst jetzt, wie ausgetrocknet ich war.

      Während ich dem Mann die lederne Flasche zurückgebe, nutze ich die Gelegenheit, ihn noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Obwohl er eindeutig mehrere Jahre älter als ich sein muss, hat sein Gesicht noch weiche Züge, die überhaupt nicht zu seinem Verhalten passen. Das Haar hängt ihm wirr in die Stirn.

      Als er meinen Blick auffängt, verfinstert sich seine Miene.

      »Hör auf, mich so anzustarren.«

      »Was willst du sonst tun? Mich doch noch töten?«, entgegne ich provokant.

      »Dann gehen wir die ganze Nacht ohne Pause durch. Und außerdem ohne Essen und Trinken.« Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als er meinen empörten Blick bemerkt.

      Er sieht in diesem Augenblick überhaupt nicht feindselig aus, doch dann ist dieser kurze Moment auch schon wieder vorbei. Er dreht mir erneut den Rücken zu und zerrt mich mit dem Seil hinter sich her.

      Nachdenklich folge ich ihm und mir wird bewusst, dass er sich von der Vorstellung, die ich bisher von dem Clan der Dämonenpferde hatte, unterscheidet. Dann rufe ich mir jedoch ins Gedächtnis, dass er Luan angegriffen und vermutlich sogar andere Leoparden getötet hat.

      Meine Verwirrung wird von Hass abgelöst und ich versuche wieder einmal vergeblich, die Fesseln zu lösen. Doch irgendwann verlassen mich die Kräfte und ich muss meine letzte Energie dazu verwenden, auf den Beinen zu bleiben. Sicherlich steht mir noch ein langer, unerträglicher Weg bevor.

      Am Horizont ist die Sonne bereits dabei, zu verglühen, während wir uns noch immer durch die weite Steppe bewegen. Ich kann meine Füße nicht mehr spüren, was zumindest angenehmer ist als der furchtbare Schmerz, den ich die vorherigen Stunden ertragen musste.

      Erst als die Nacht vollkommen eingebrochen ist, bleibt mein Entführer endlich stehen. Erschöpft lasse ich mich in den Sand plumpsen und schaffe es daraufhin eine Ewigkeit nicht, mich zu rühren. Nur am Rande bekomme ich mit, dass der junge Mann seine lederne Tasche öffnet und ein paar Lebensmittel herausholt.

      Ich drehe schwach den Kopf in seine Richtung und mir wird erst jetzt bewusst, dass das Essen für mich sein muss. Mit unergründlicher Miene reicht er mir ein Stück Brot und sofort greife ich gierig danach.

      »Nicht zu schnell essen«, sagt er mit monotoner Stimme und ich blicke ihn überrascht an. Warum kümmert ihn so etwas? Er weicht meinem Blick aus und schaut mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen in die Ferne. »Möchtest du mir deinen Namen verraten?«, frage ich in die Stille hinein und nun ist er es, der mich überrascht anblickt.

      »Warum interessiert dich das?«

      Ich zucke mit den Schultern. »Darf ich etwa nicht wissen, wie mein Entführer heißt?« Einen Moment lang sieht er mich schweigend an, ehe er antwortet: »Nein. Das ist nicht von Belang.« Ich seufze innerlich und verschlinge dann die Reste des Brotes. Mein Ehrgeiz, mehr über diesen undurchschaubaren Mann herauszufinden, ist geweckt und so beschließe ich, nicht locker zu lassen.

      »Stammst du vom Clan des großen Adlers? Vor kurzem