Название | Lionel Forster, der Quarteron. Eine Geschichte aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg |
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Автор произведения | Sophie Wörrishöffer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711487587 |
Der Friedensrichter sah den beiden nach, dann wandte er sich zu seinem neuen Sklaven. „Derartige Szenen dürfen nicht wieder vorkommen,“ sagte er nachdrücklich. „Du sollst Frieden halten, denn es ist wahrhaftig um des Burschen willen schon Streit genug im Hause. Jetzt sammle die Kartoffeln in den Korb und dann verschwinde, lass dir von dem Aufseher deinen Schlafplatz zeigen. Morgen früh bist du pünktlich um sieben Uhr im Büro.“
Und seufzend ging der geplagte Mann davon.
Lionel wandte sich, um nach irgendeiner Richtung den gepflasterten Hof zu verlassen, da ertönte aus einer der Sklavenhütten ein scharfer Pfiff, so dass Lionel unwillkürlich aufsah. Ein halb wie ein Weisser gekleideter Mulatte winkte ihm. „Du, komm einmal hierher!“
Lionel gehorchte. Der Mulatte deutete auf einen buntgestreiften Kattunanzug nebst grobem Strohhut und einem Paar schwerer Lederschuhe. „Da ist dein Zeug,“ sagte er. „Mrs. Dunkan befiehlt, dass du es gleich anlegst und mir deine Sachen gibst, — sie sollen an arme Leute verschenkt werden. Jede Woche einmal musst du die Sachen waschen, das merke dir, denn für Schmutzflecke gibt es Peitschenhiebe.“
Lionel hob die beiden ihm zugewiesenen Kleidungsstücke vom Boden auf.
„Sind Sie der Oberaufseher?“ fragte er.
„Jawohl: Sammy, der Mann mit der Lederpeitsche! Ich schlage auch auf anderen Besitzungen, Missis leiht mich aus gegen Entgelt.“
„Also Sie selbst sind auch Sklave?“
„Gewiss. Freie Nigger gibt es hier wohl sehr selten, sie gehen alle nach dem Norden.“
Und Sammy schlenderte davon, während Lionel den feinen hechtgrauen Sommeranzug, die Leinenwäsche und den Panamahut ablegte, um das lächerliche, blau und rot gestreifte Kostüm des Haussklaven anzulegen. Das war eine schwere Stunde, eine Aufgabe, welche die Kräfte unseres unglücklichen Freundes beinahe überstieg, — er, der immer wie ein Gentleman aufgetreten war, sollte jetzt mit unverhüllter Brust und nackten Füssen einhergehen, er sollte weder feine Manschetten, noch Taschentuch oder Kravatte wiedersehen. Auch der Spiegel fehlte dem Gemache, das zwanzig oder dreissig numerierte Betten enthielt, — Lionel schlich zaghaft hinaus, um wenigstens die freie Luft an seiner heissen Stirn zu fühlen. Ob es sich wirklich ertragen lassen würde, das Leben als Sklave?
Von der Strasse her kam ein kleiner Junge ihm entgegengelaufen. „Du, du, der Neger draussen vor dem Eingange will mit dir sprechen, — sieh, das hat er mir gegeben!“
Ein schmutziges Kinderhändchen öffnete sich vorsichtig, und glückstrahlende Blicke sahen auf die zwei Cents, welche darin lagen. „Siehst du! Nun kann ich mir Bonbons kaufen!“
Der kleine Bursche rannte wieder fort, und Lionel spähte hinaus, um zu erfahren, wer ihn zu sprechen wünsche. Am Gitter stand Ralph und streckte beide Hände aus, sein ehrliches Gesicht war voll Trauer, seine Stimme bebte. „Ich komme, um Ihnen Lebewohl zu sagen, Sir! — O, grosser Gott, dass ich meinen jungen Herrn in diesem Anzuge sehen muss!“
Lionel nahm die schwarzen Hände in seine beiden und umschloss sie fest. „Lass das, Ralph,“ sagte er, „denke auch nicht an mich. Bist du verkauft, Alter?“
Ralph nickte. „Ja, Sir, — nach Karolina, weit weg auf eine Pflanzung.“
„So werden wir ganz getrennt!“ rief Lionel. „Es fällt Schlag auf Schlag!“
„Ich wollte Ihnen Lebewohl sagen, Massa Lionel! Toby und ich bleiben zusammen.“
„Grüsse ihn, den treuherzigen Jungen! — Und dann sage mir, Ralph, wie hiess in Kentucky die Farm der Forsters? Es kommen nächstens Verwandte des Friedensrichters von dort her zum Besuch, — möglicherweise ist es dieselbe Familie.“
Ralph nickte. „Sicherlich, Sir. Der Herr Friedensrichter war gelegentlich nach Seven-Oaks zu Tisch geladen; Mr. Trevor sagte, dass noch zwischen ihnen eine Art von Verwandtschaft bestehe.“
„Wie hiess die Farm?“ wiederholte Lionel.
„Parkers-Place, nach ihrem ersten Besitzer. Der Herr, welcher hierher zu kommen gedenkt, wird Mr. Nathanael Forster sein, derselbe Mann, den Ihr unglücklicher Vater mit der Reitpeitsche schlug. Gott gebe nur, dass das nicht etwa für Sie Böses bedeute, Massa Lionel!“
„Torheit!“ lächelte der Knabe. „Ich werde dem Manne aus dem Wege gehen, aber, wenn es die Umstände so fügen sollten, dass ich ihm feindlich gegenüberstehe, auch nicht weniger Mut beweisen als vordem mein armer Vater.“
Ralph seufzte. „Ein Advokat hat den Auftrag, Seven-Oaks zu verkaufen, Sir. Mr. Manfred Trevor reist mit seinem Sohne heute noch nach Richmond, er will lieber die Ernte auf dem Halme verderben lassen als länger in dieser Gegend leben. Nur einige Weisse bleiben des Viehes wegen auf der Farm zurück.“
Lionel war blass geworden. „Seven-Oaks in fremden Händen!“ sagte er leise. „Ach, Ralph, wenn das Testament zum Vorschein käme, wenn für uns Unglückliche ein Wunder geschähe!“
„Zu seiner Zeit!“ flüsterte der Neger. „Zu seiner Zeit, Sir. Und nun adieu! Ich habe mich heimlich fortgestohlen.“
„Adieu, Ralph! Gott behüte dich alle Zeit! Wie heisst der Ort, an den du gehst?“
„Das weiss ich nicht, Sir. Mein Gebieter ist nicht persönlich anwesend, er lässt sich eine Partie Sklaven durch einen Zwischenhändler schicken.“
Lionel wandte sich ab, es wogte und gärte in seiner Seele so stark, dass ihm keine Worte mehr zu Gebote standen, aber die Augen sprachen beredt, die zuckenden Lippen sagten mehr als alle Sätze. Noch einmal lagen die Hände ineinander, vielleicht zum letzten, ewigen Lebewohl, dann ging Ralph die Strasse hinab, und Lionel kehrte zum Hofe zurück. Zwischen ihm und dem Herrenhause stand ein dichtes, die Veranda von den Wohnungen der Schwarzen trennendes Gebüsch, er konnte also selbst nicht gesehen werden, während anderseits der weite Hof frei vor seinen Blicken dalag. Durch eine am anderen Ende desselben befindliche Eingangstür kamen gerade jetzt in langen Zügen die Neger von den Baumwollfeldern nach Hause, jede Person trug ihren Korb auf dem Rücken, Männer wie Frauen, jede setzte ihn ab an der grossen Wage, welche unter einem Dache auf dem Hofe stand und an der jetzt zwei Aufseher die gepflückte Baumwolle wogen, um festzustellen, ob der betreffende Arbeiter seine Schuldigkeit getan habe oder nicht.
Auch Sammy, der Mann mit der Peitsche, befand sich auf dem Hofe, er schleppte eine Bank aus dem Schuppen herbei und schwang das Prügelinstrument sausend durch die Luft, dann wartete er mit verschränkten Armen, als werde auch für seine Tätigkeit der geeignete Augenblick kommen.
Lionel trat näher hinzu, eine unangenehme Ahnung hatte sich seiner Seele bemächtigt; auf dem Pflaster dieses Hofes schien die Prügelstrafe eine gewohnte, täglich wiederkehrende Verrichtung.
„Scipio hat abermals drei Pfund Baumwolle zu wenig,“ rief der Aufseher. „Zwanzig Hiebe, Sammy, du weisst ja schon!“
„All right!“ tönte es von der Bank her.
Scipio bat mit gefalteten Händen um Gnade. Der Mann war alt, seine Glieder gekrümmt, das Haar weiss, das Augenlicht getrübt. „Ich kann die Kapseln nicht so genau mehr sehen,“ jammerte er, „Erbarmen, Sammy, Erbarmen! Auch du wirst einmal ein halbblinder Greis sein!“
Der phlegmatische Mulatte zuckte die Achseln. „Mach’s kurz, Scipio, das Geschrei kann dir gar nichts nützen. Ueberdies siehst du auch, dass ausser dir noch andere Leute bedient werden wollen.“
Er zog den kreischenden Alten mit einem kräftigen Ruck zu sich und warf ihn auf die Bank. Die Peitsche wirbelte durch die Luft, um scharf auf den Rücken des Opfers niederzufallen, ein durchdringendes Geschrei tönte über den Hof, grauenvoll genug, um Lionels innerste Seele erbeben zu lassen.
Nach rechts und links schlüpften die Neger, deren Körbe richtig befunden worden waren. Solange die entsetzliche Bank auf dem Hofe stand, fühlte sich niemand sicher, die armen Geschöpfe zitterten, sooft sie mit ihrer Last die Pforte erreicht hatten. Es ging auf