Название | Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern |
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Автор произведения | Margarete Bolten |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170362925 |
Ausgeprägte Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter können also negative Folgen für die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, aber auch für soziale Kompetenzen und andere Funktionsbereiche haben. Entsprechend sollten Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden, um das Persistieren solcher Verhaltensprobleme zu verhindern und weitere Folgeerkrankungen zu vermeiden.
2.5 Epidemiologie der Fütter- und Essstörungen
Eltern oder andere Bezugspersonen berichten ihrem Kinderarzt häufig von Ernährungs- bzw. Fütterungsschwierigkeiten, obwohl in den meisten Fällen keine körperliche Beeinträchtigung oder Auffälligkeiten gefunden werden. So untersuchten beispielsweise Esparo et al. (2004) eine spanische Population (N =851) 3–6-jähriger Kinder mittel des Early Childhood Inventory-Parents Checklist und fanden bei 5 % ein medizinisch nicht relevantes Fütter-/Ernährungsproblem. Milano, Chatoor und Kerzner (2019) gehen sogar davon aus, dass zwischen 25 und 50 % aller normal entwickelten Kinder zumindest vorübergehende Ernährungsschwierigkeiten aufweisen. Die meisten Ernährungsprobleme der frühen Kindheit lösen sich von selbst auf oder benötigen nur eine minimale Intervention (z. B. in Form einer Ernährungsberatung). Manche Probleme sind Folge einer Fehlinterpretation kindlichen Verhaltens (z. B. von Hungersignalen) bzw. Folge allgemeiner Erziehungsprobleme. Einen Überblick über häufige Fütter- und Essprobleme bei 2,5 Jahre alten Kleinkindern gibt die Arbeit von Wright und Kollegen (2007). In dieser Untersuchung berichteten 20 % der befragten Eltern von Essproblemen. Von den untersuchten Kindern aßen 49 % sehr selektiv, 39 % bevorzugten Getränke gegenüber fester Nahrung, 18 % hatten sehr wenig Interesse am Essen, 18 % wehrten das Gefüttertwerden ab und 4 % verweigerten jegliche feste Nahrung. Sehr ähnliche Zahlen für häufige Ernährungsschwierigkeiten im Kleinkindalter fanden auch Reau et al. (1996). Folgende Schwierigkeiten bei der Ernährung ihres Kleinkindes berichteten die befragten Eltern: »Bei den Mahlzeiten nicht immer hungrig« (52 %), »Möchte Mahlzeit nach wenigen Bissen beenden« (42 %), »Picky Eating« (35 %) und »Sehr starke Vorlieben für bestimmte Nahrungsmittel« (33 %).
Brown et al (2016) untersuchten in ihrem systematischen Review die Prävalenzen für selektives Essverhalten (»Picky Eating«). Dabei fanden sie, begründet durch unterschiedliche Definitionen, eine große Varianz in den Prävalenzraten. Diese lagen zwischen 5.8 % und 59 %. Die »Food Neophobie«, also die Weigerung unbekannte bzw. neue Nahrung zu essen, wurde am häufigsten berichtet. Hier lagen die Prävalenzraten bei 40 % and 60 %. Auch Mascola, Bryson und Agras (2010) fanden in ihrer prospektiven Längsschnittstudie hohe Prävalenz- und Inzidenzraten für das »Picky Eating«. Je nach Alter des Kindes lagen die Prävelenzen zwischen 13 % und 22 %. Die Inzidenzraten nahmen mit höherem Alter ab.
Diese häufigen, vorübergehenden, aber durchaus belastenden Probleme müssen von schweren klinisch manifesten Ess- und Fütterstörungen, die bis zu 10 % aller Kinder betreffen, abgegrenzt werden. So gibt beispielsweise Skovgaard (2010) die Gesamtprävalenz von schweren Fütterstörungen mit 1–3 % der dänischen Kinder im Säuglings- und Vorschulalter an. De la Osa, Barraza und Ezpeleta (2015) fanden zudem eine deutliche Altersabhängigkeit dahingehend, dass die Prävalenzzahlen für Fütterstörungen nach DSM-IV im Verlauf des Vorschulalters sanken. Die Versorgungsprävalenz, d. h. die Rate von Kindern, die in Kliniken vorgestellt wurden, variiert stark nach lokalen Zuweisungs- und Selektionseffekten. In einer Zusammenfassung von 1 083 Kindern an sechs internationalen Zentren hatten 4 % der untersuchten Kinder eine Fütterstörung nach dem Internationalen Klassifikationssystem für das Vorschulalter (Diagnostic Classification of Mental Health and Developmental Disorders of Infancy and Early Childhood, DC:0-3) – mit einem Range von 0–12 % in den individuellen Zentren (Emde & Wise, 2003). Equit et al. (2011) untersuchten 299 Kinder im Alter von 0-5;11 Jahren (mittleres Alter 3;9 Jahre), welche in einer kinderpsychiatrischen Klinik vorgestellt wurden. Von diesen Patienten erhielten 10,4 % die Diagnose einer Fütterstörung nach DC:0-3R und 9,7 % nach ICD-10. Die gleiche Arbeitsgruppe untersuchte 1 019 Vorschulkinder im Zusammenhang mit der Schuleingangsuntersuchung. Dabei gab die Hälfte (53 %) der befragten Eltern an, dass ihre Kinder ein sehr selektives Essverhalten an den Tag legten, etwa ein Viertel (26 %) verweigerte neue Lebensmittel.
Zur Prävalenz der Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme (ARFID) nach DSM-5 gibt es nur wenig Forschung. In nicht-klinischen Studien wurden zwischen 13 % und 22 % der 2–13jährigen mit selektivem Essverhalten, einem Subtypus der ARFID, identifiziert (Mascola et al., 2010). Eine weitere Studie identifizierte mit validierten Fragebögen bei 7.3 % der untersuchten 5–7jährigen Kinder ein sehr selektives Essverhalten und bei 1.7 % sehr langsames Essverhalten mit schlechtem Appetit (Micali et al., 2011). Zu ähnlichen Zahlen kommen auch Eddy et al. (2015). Auf der Basis von insgesamt 2 231 medizinischer Akten erfüllten 1 % der 8 bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen die DSM-5 Diagnose ARFID.
Rommel et al. (2003) fanden bei 86 % der untersuchten Kinder mit Fütterstörungen (N =700) mindestens eine begleitende pädiatrische Grunderkrankung, welche zumindest teilweise zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Fütterstörung beitragen könnte. Zum Beispiel haben Kinder mit Lebensmittelallergien oder Erkrankungen des Oesophagus bzw. des gastrointestinalen Traktes ein besonderes Risiko für die Entwicklung einer Fütter- bzw. frühkindlichen Essstörung (Haas, 2010). So zeigten die Mehrzahl (93,9 %) der untersuchten Kinder mit einer eosinophilen gastrointestinalen Krankheit (EGID) zumindest zeitweise beeinträchtigende Verhaltensweisen wie z. B. Aufstoßen und Erbrechen oder Überempfindlichkeiten gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln. Fütterstörungen im eigentlichen Sinne hatten 16,5% der Kinder mit EGID. Bei 21% traten außerdem Gedeihstörungen auf und 69,7% der Kinder benötigten professionelle Unterstützung in Form einer Esstherapie (Mukkada et al., 2010).
2.6 Verlauf der der Fütter- und Essstörungen
Leider zeigen Fütter- und Essstörungen eine hohe Persistenz vom Säuglings- bis ins Schulalter, teilweise sogar bis ins Jugendalter. Zudem erhöhen sie das Risiko für klassische Essstörungen wie die Anorexia nervosa und Bulimia nervosa. In einer schwedischen bevölkerungsbezogenen Studie wiesen 1,4 % der 3–12 Monate alten Säuglinge seit mindestens vier Wochen Symptome einer Fütterstörung auf. Im Alter von zwei Jahren waren bei 50 % dieser Kinder weiterhin Essprobleme zu verzeichnen. Selbst im Grundschulalter zeigten diese zu Hause und in der Schule signifikant mehr Essprobleme als Gleichaltrige, während sie sich bezüglich Wachstums, Gesundheit und Verhalten nicht unterschieden (Dahl et al., 1994).
Mascola et al. (2010) untersuchten bei 120 Kindern den Verlauf von hochselektivem Essverhalten (»Picky Eating«) zwischen dem 2. und 11. Lebensjahr. Sie beobachteten bei 40 % der Kinder einen chronischen Verlauf über mindestens 2 Jahre. Dabei unterschieden sich die Kinder mit chronischen Verläufen vor allem in Bezug auf die Stärke der Vorlieben bzw. Abneigungen bestimmter Lebensmittel. Die Kinder zeigten mehr Wutanfälle, wenn ihnen bestimmte Lebensmittel verwehrt wurden.
Ammaniti et al. (2012) beschrieben erstmals den Langzeitverlauf einer frühkindlichen Anorexie. 72 Patienten und 70 Kontrollkinder wurden im Alter von 2;1, 5;1 und 7;7 Jahren prospektiv untersucht. Die Rate von Unterernährung sank im Verlauf der Entwicklung von 51 % auf 44 % und schließlich auf 10 %. Im Alter von sieben Jahren zeigten sie jedoch weiterhin signifikant mehr Essensprobleme als in der Kontrollgruppe. Manche Symptome wie fehlende Sättigungsaktivität und fehlender Genuss nahmen zwar ab, aber andere wie wählerisches Essen sogar zu. Ferner zeigte sich eine signifikante Zunahme sowohl von externalisierenden, wie auch internalisierenden Symptomen (nach der CBCL), die hoch mit mütterlicher Psychopathologie korrelierten. Diese Studien zeigten erstmalig, dass Kinder mit frühkindlicher Anorexie auch langfristig nicht nur bezüglich ihres Essverhaltens, sondern auch in Bezug auf weitere Verhaltensstörungen eine Risikogruppe darstellen.
Besonders bei Kindern mit ASS persistieren Fütter- und Ernährungsschwierigkeiten häufig. So zeigten etwa ein Viertel aller Kinder mit ASS (26.5 %) in der Studie von Peverill et al. (2019) ausgeprägte Fütter- und Essstörungen vom Säuglings- bis ins Vorschulalter. Etwa ein Viertel