Am Fenster. Wolfgang Breuer

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Название Am Fenster
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360918



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morgen früh überhaupt was im Blatt haben.“

      „Tut mir leid“, antwortete Sven, „ich kann da nichts machen. Sie müssen sich leider gedulden. Ich habe jetzt hier ein wichtiges Gespräch mit einem Zeugen zu führen.“

      „Wie?“, rief es lautstark von draußen, als die Scheibe wieder hochgefahren wurde, „Sie sind Zeuge? Können Sie uns denn sagen, was hier eigentlich passiert ist?“

      Frederik Tiemann wollte gerade reagieren, als der Kommissar dazwischenfuhr. „Stopp! Jetzt bin erstmal ich dran.“

      Das Gespräch brachte den Kriminalisten zunächst aber lediglich um einen wesentlichen Fakt weiter. Christof Feistauer müsse, so hatte Tiemann gemutmaßt, wohl vor etwa 20.15 Uhr getötet worden sein. Denn um diese Zeit sei er bei der Bergfahrt zum zweiten Mal an dessen Haus vorbeigekommen und habe seine Regungslosigkeit bemerkt.

      „Aber bei der ersten Fahrt lebte er noch, da sind Sie sicher?“

      „Natürlich. Er hat mir ja zugewunken. Auch bei der Fahrt nach unten. Das war so gegen halb sieben, beziehungsweise 18.30 Uhr.“

      „Und Sie haben sonst nichts gesehen?“

      „Nein. Nichts und niemanden.“

      „Okay“, wollte sich Lukas schon bedanken, fragte dann aber trotzdem noch nach: „Ist Ihnen denn sonst noch irgendetwas aufgefallen? Ein Auto am Straßenrand oder so?“

      Frederik Tiemann überlegte. „Doch“, sagte er plötzlich. „Als ich hier vor dem Haus ausgestiegen und zum Fenster gegangen bin, hörte ich, wie hinter mir aus dem Schloßberg ein Auto herauskam und runter in die Stadt fuhr. Muss ein ordentliches Schiff gewesen sein.“

      „Was meinen Sie mit einem ‚ordentlichen Schiff‘?“

      „Naja, mit einem großvolumigen Motor. Mindestens sechs Zylinder. Der hat nicht gebrummt, der hat geblubbert.“

      „Geblubbert, aha“, lächelte der Kommissar. „Aber gesehen haben Sie ihn nicht?“

      „Nee“, schüttelte der Schneepflugfahrer den Kopf. „Dafür hatte ich in dem Moment keinen Kopf.“

      „Kann ich verstehen. Gut, dass Sie sich jetzt wenigstens noch daran erinnert haben. Aber stehen geblieben ist der Wagen nicht etwa?“

      „Wie meinen Sie?“

      „Naja, ob der Wagen stehen geblieben ist. Weil Sie ja, wie Sie mir erzählt haben, Ihren Unimog quer auf der Straße haben stehen lassen.“

      „Ach so, ja.“ Tiemann spielte an seiner Nasenspitze und überlegte einen Moment. „Nee, ist er nicht. Außerdem hatte er ja hinten auch noch genug Platz, um aus der Einmündung nach unten rauszukommen.“

      „Seltsam. Mich würde das trotzdem neugierig gemacht haben. Auch wenn ich genug Platz zum Fahren gehabt hätte.“

      „Ja, glauben Sie denn, dass das der Mörder gewesen sein könnte, der da weggefahren ist. … Ich meine, der arme Mann da im Haus war doch wahrscheinlich schon längst tot um diese Zeit. Der Täter hätte doch reichlich Zeit gehabt, um zu verschwinden.“

      „Weiß man’s?“, antwortete Sven nachdenklich. „Auf jeden Fall vielen Dank, Herr Tiemann. Warten Sie bitte noch einen Moment. Ich rede mal eben mit unseren Leuten, ob wir Sie und Ihr Fahrzeug noch brauchen.“

      „Wäre mir sehr recht, wenn ich fahren könnte“, antwortete der Zeuge. „Ich muss hier dringend räumen. Sonst gibt’s morgen eine Katastrophe.“

      Kaum waren die beiden ausgestiegen, stürzten sich die Journalisten auf den jungen Mann vom Räumdienst. Aber der zeigte sich ausgesprochen schmallippig und bestätigte im Grunde nur, was vor dem Hause Feistauer ohnehin schon die Runde gemacht hatte. Mehr wusste er ja auch nicht zu erzählen.

      Inzwischen war auch Staatsanwalt Puhlmann eingetroffen, der aus seiner montäglichen Sportgruppe hatte herausgeholt werden müssen. Aber nicht etwa aus einer Sporthalle. Sondern aus dem ‚Tonkrug‘, in dem sich die Juristen, Lehrer und verschiedene Geschäftsleute üblicherweise nach dem Auspowern zur ‚Wiederherstellung des Elektrolythaushaltes‘ trafen.

      „Sie brauchen gar nicht so zu schnuppern“, bemerkte er beiläufig, als ihn Klaus Klaiser im Haus begrüßte. „Eigentlich habe ich gar keinen Dienst. Aber ich bin heute Nacht kurzfristig eingesprungen, weil die Frau des Kollegen Eitner mit schweren Wehen ins Krankenhaus musste. Da hatte ich schon einiges intus. Aber ich habe mich fahren lassen“, erklärte er mit etwas schwerer Zunge.

      „Das beruhigt mich ungemein“, antwortete der Kripo-Chef leicht süffisant und legte seinem Gegenüber in kurzen Zügen die bisherigen Erkenntnisse zu dem Mord dar. Wobei er manches mehrfach wiederholen musste. „Ich gebe es zu, es ist noch nicht viel. Aber wir werden uns krummlegen. Das kann ich Ihnen versprechen.“

      „Was wissen wir bisher über den Toten?“

      „Außer seinen Personalien eigentlich noch gar nichts. Bedauerlicherweise. Wir müssen auf Daten aus dem Einwohnermeldeamt Bad Laasphe und aus dem Bundesmelderegister hoffen.“ Mit einem Blick auf seine Armbanduhr ergänzte er, „um diese Uhrzeit ist damit allerdings auch nicht mehr zu rechnen. Morgen früh wissen wir hoffentlich mehr.“

      Nachdem Tiemann schließlich mit seinem Räumfahrzeug abgerückt war, hatten Beamte vor dem Haus und an der Böschung oberhalb der Privatstraße Flächen mit Trassenbändern freigesperrt und zwei Mann Position im ‚Schloßberg‘ bezogen. Sie sollten das Auftreffen eines roten Laserstrahls beobachten und den Punkt markieren.

      Laut Steffen Siebert müsste das die Stelle sein, von wo aus der Schütze auf den bedauernswerten Feistauer angelegt hatte.

      Dem Experiment vorausgegangen war eine heftige verbale Auseinandersetzung zwischen dem SpuSi-Mann und Doktor Klaus Faulhaber. Der Rechtsmediziner hatte nämlich darauf bestanden, den Rollstuhl samt Leiche vom Fenster abrücken, und den Toten mitten im Raum, und damit mit mehr Arm- und Beinfreiheit, untersuchen zu können.

      „Nicht, bevor wir nicht die Schussrichtung festgelegt haben!“, hatte Siebert gefordert und war ziemlich laut geworden, als sich Faulhaber einfach darüber hinwegsetzen wollte. Erst als sich der Staatsanwalt lamentierend dazwischengeworfen hatte, glätteten sich die Wogen und der Spurensicherer konnte seinen Plan erläutern.

      „Ich möchte durch das Einschussloch in der Rückenlehne und das in der Scheibe einen Laserstrahl nach draußen schicken, um die Position des Schützen zweifelsfrei ausmachen zu können. Dazu muss aber der Rolli dort stehen bleiben, wo er auch bei Einschlag des Geschosses stand.“

      Das leuchtete den übrigen Anwesenden ein. Und so achtete sogar der Doktor persönlich peinlichst genau darauf, dass der Rollstuhl sich keinen Millimeter bewegte, während der Oberkörper des Toten nach vorne geklappt wurde. Zwischen Lehne und Fensterscheibe sollte freie Sicht geschaffen werden.

      Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Siebert den Laserpointer so präzise auf einem Stativ eingerichtet hatte, dass er den feinen rote Strahl tatsächlich störungsfrei durch beide Einschusslöcher nach draußen senden konnte.

      Der Rest war spielend leicht. Die Polizisten draußen mussten nur noch den Punkt markieren, der ihnen feuerrot im Schnee erschienen war. Und das taten sie sinnigerweise mit einem Besenstiel, den sie in den Schnee steckten. Selbst wenn es noch einen halben Meter mehr geschneit hätte, würde der noch oben rausgucken.

      Doch dazu kam es gar nicht. Denn unmittelbar im Anschluss an die ‚Siebert’sche Lasershow‘, wie Doc Faulhaber die Vermessung der Schussbahn nannte, wurde über dem Areal ein Zelt Marke Gartenpavillon mit Seitenplanen aufgebaut.

      „Und da latscht mir jetzt keiner mehr rein!“, bestimmte der KTU-Mann.

      „Was haben Sie vor?“, fragte Klaiser vorsichtshalber mal nach.

      „Was wohl? Spuren suchen natürlich.“

      „In dem tiefen Schnee? Die sind doch längst alle zugeschneit.“

      „Eben“, entgegnete der andere knapp und