Название | Der Dynamitkönig Alfred Nobel |
---|---|
Автор произведения | Rune Pär Olofsson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711462898 |
Alfred war selbst neugierig auf diesen Heißluftmotor. Und so fuhr er also über England nach Amerika. Vieles lernte er dort, und vielen bemerkenswerten Persönlichkeiten begegnete er. Doch die langen, ermüdenden Reisen zehrten an seinen ohnehin schwachen Kräften, und bei der Heimkehr fand man ihn in so schlechter Verfassung, daß er augenblicklich wieder fortgeschickt wurde; dieses Mal nach dem österreichischen Franzensbad, wo er Brunnen trinken sollte. Uh – was für eine entsetzliche Kur! Und sie half nicht im geringsten ... Doch wenigstens hatte er viel Zeit zum Lesen!
Als er nach Petersburg zurückkehrte, befand sich Rußland mitten im Krimkrieg. Und ›Nobel & Söhne‹ expandierte wie nie zuvor. Immanuel war mit seinen Unterwasserminen nicht zufrieden. Um sein Glück und das des Zaren vollkommen zu machen, benötigte er einen effektiveren Sprengstoff für die Minen als das gute alte Schwarzpulver. Doch – woher sollte er ein solches Wundermittel nehmen?
Immanuel rief seine Berater Zinin und Trapp herbei. Alfred, der neben Immanuel der beste Chemiker im Betrieb war, erhielt die Anweisung, an der Beratung teilzunehmen – ob er die Minen nun möge oder nicht.
Alfred versuchte zu betonen, daß er einen Unterschied zwischen Tretminen und Unterwasserminen sehe. Im Unterschied zu ersteren, die er für ein reines Terrormittel halte, dienten die Seeminen vor allem dem Schutz vor feindlichen Schiffen. Es genüge, daß ein einziges Schiff auf Immanuels Minen aufliefe, um die anderen auf Abstand zu halten. Doch was die Tretminen anbelange, so ließen die Generale einfach nur neue Scharen von Soldaten folgen, wenn die ersten Reihen zerrissen seien: Bald schon hätte man die ganze Verminung unschädlich gemacht – man brauchte nur mehr Soldaten als Minen!
Immanuel hielt den Unterschied nicht für interessant – doch wenn Alfred so viel daran lag ...
Die gelehrten Berater kannten keine Alternative zum Schwarzpulver. Außer Schießbaumwolle – doch hatte es hiermit seit seiner Entdeckung vor ein paar Jahren so viele Unglücksfälle gegeben, daß der Zar jedwede Anwendung verboten hatte.
Zinin erwähnte schließlich den Sprengstoff, den Alfred bei Pelouze kennengelernt hatte, den er jedoch aus Mangel an Zeit und Kraft hatte außer acht lassen müssen. Die wenigen Experimente, die er hatte durchführen können, hatten ihm auch den Mut genommen – obwohl er von Zeit zu Zeit immer wieder über das Geheimnis dieses Stoffes nachgrübelte.
6
In Petersburg hatte Alfred zwei vortreffliche Chemielehrer gehabt. Nikolai Zinin und Juli Trapp. Beide Professoren, Zinin an der Akademie für Medizin und Chirurgie und Trapp an der Technischen Hochschule. Außer Chemie unterrichteten sie Alfred und seine Brüder auch in Physik und Mathematik. Nachdem die Brüder ihre Studien beendet hatten, verblieben die beiden Professoren als Berater bei der Firma Nobel.
Zinin hatte bei dem berühmten Pelouze in Paris studiert, dem Giganten unter Europas Chemikern. Pelouze war ein naher Freund des schwedischen Genies Berzelius gewesen. Als Zinin nun nach Paris fuhr, um seinen alten Lehrer zu besuchen und das Unterrichtslaboratorium zu besichtigen, das Pelouze eröffnet hatte – was war da natürlicher, als daß er seinen jungen schwedischen Schüler Alfred Nobel aus Petersburg mitnahm!
Unter all den früheren Schülern Pelouzes, die wahnwitzige oder kluge Projekte hinterlassen hatten, war der Italiener Ascanio Sobrero gewesen. Diesem war es 1846 oder 1847 gelungen, einen Sprengstoff herzustellen, den er Pyroglyzerin nannte. Sobrero hatte sein Ergebnis erzielt, indem er Glyzerin tropfenweise und unter ständigem Rühren einer Mischung aus zwei Teilen Schwefelsäure und einem Teil Salpetersäure zusetzte. Wichtig war, daß die Säuremischung unter Null Grad gehalten wurde. Die Emulsion, die Sobrero erhielt, schüttete er in Wasser; das Pyroglyzerin konnte dann als schwere, ölige Flüssigkeit vom Boden abgelöst werden.
Der Stoff war hochexplosiv und bei 180 Grad selbstentzündlich. Doch er verhielt sich eigenwillig und launisch. Zündete man einige Tropfen an, brannten sie einfach wie jedes andere brennbare Material auch. Gab man hingegen während des Herstellungsprozesses nicht acht oder unterließ man, die Säuren tiefzukühlen, konnte das Produkt rasch die kritische Gradzahl erreichen – und dann explodierte der ganze Ansatz. Das Pyroglyzerin mit einer Zündschnur zur Detonation zu bringen, hatte sich als unmöglich erwiesen. Hingegen reagierte es empfindlich auf kräftige Schläge.
Zinin hatte die Kenntnis darüber aus Paris mitgebracht. Und vor Immanuel demonstrierte er nun das Bravourstück, das er seinen Schülern vorzuführen pflegte. Zuvor öffnete er jedoch die Fenster. Danach träufelte er ein paar Tropfen aus einer Flasche auf einen Amboß. Die gelbliche Flüssigkeit verlief und bildete einen Fleck.
»Schauen Sie«, forderte er sie auf, »der Fleck ist größer als bei Wasser. Warum, Alfred?«
»Weil die Viskosität anders ist als bei ...«
»Eben! Doch schauen Sie nun, was passiert – und was nicht passiert!«
Zinin hob den Hammer und schlug direkt auf den Fleck ein. Ein ohrenbetäubender Knall ließ Immanuel instinktiv sein Gesicht schützen.
Alfred ging die Fenster wieder schließen. Zinin hatte in seinem Leben schon viele Fensterscheiben zertrümmert und war durch den Schaden klug geworden.
»Sehen Sie, Herr Nobel: Die Flüssigkeit, die vom Hammer getroffen wurde, ist explodiert – der Rest aber liegt noch auf dem Amboß. Ja, er ist noch nicht einmal verspritzt worden ...« Immanuel starrte offenen Mundes.
»Weshalb griff die Explosion nicht auf den ganzen Fleck über?« fragte er.
»Eben: weshalb! Lösen Sie das Rätsel – und Sie besitzen einen Sprengstoff mit, würde ich glauben, fünfzigfacher Kraft des Schwarzpulvers!«
Immer noch auf den öligen Fleck starrend, kniete sich Immanuel vor den Amboß:
»Professor Zinin, wie, sagten Sie, heißt die Flüssigkeit?«
»Sobrero nannte sie Pyroglyzerin. Ich selbst würde sie Nitroglyzerin nennen wollen.«
Er legte die Gründe dar, doch Immanuel unterbrach ihn: »Ich werde ihn zähmen und ihn in meinen Minen zur Detonation bringen!«
Alfred stöhnte auf. Da hatten sich so weltberühmte Chemiker wie Pelouze und Sobrero vergebens bemüht, dieses Teufelszeug zu ›zähmen‹! Ja, Zinin und Trapp waren selbst fähige Chemiker. Dennoch hatte keiner von ihnen einen Weg gefunden, wie das zu bewerkstelligen sei – und nun war sich der Autodidakt Immanuel Nobel sicher, daß gerade ihm es glücken würde ...
Nun ja, Zinin und Trapp kamen mit all den guten Ratschlägen, die sie erteilen konnten. Und Alfred führte widerwillig eine Reihe Versuche durch, die der Vater befohlen hatte, obwohl er bereits wußte, daß sie zu nichts führten. Noch nicht. Erst mußte man die chemische Zusammensetzung des Nitroglyzerins bestimmen: Das war Sobrero nicht gelungen. Sobrero vermutete, daß der Stoff durch ›den Austausch zweier Äquivalente Wasser durch zwei Äquivalente Salpetersäureanhydrid‹ gebildet worden war. Doch davon wurde in der Praxis niemand so sehr viel klüger!
Immanuel gab nicht auf. Er tauschte das Schwarzpulver in seinen Minen durch Nitroglyzerin aus. Und die Mine brannte, gelb und schön – doch explodierte sie nicht.
Hingegen knallte es in seinem Laboratorium immer öfter – weder er noch Alfred konnten sagen, warum. Eines Nachts wurden nahezu alle Fensterscheiben im Fabrikgelände herausgedrückt – glücklicherweise war um diese Zeit niemand dort, doch unglücklicherweise konnte so auch niemand sagen, was die Explosion ausgelöst hatte.
Während der fruchtlosen Versuche ging der Krieg zu Ende. Die Firma ›Nobel & Söhne‹ geriet unter der ökonomischen Last ins Wanken. Dennoch hatte Alfred den Auftrag, Pelouze aufzusuchen, als er in Paris Kredite erwirken sollte. Immanuel wollte den letzten Hoffnungsschimmer fangen, ehe dieser im Meer des Konkurses versank: Löste er das Rätsel des Nitroglyzerins, konnte sein Lebenswerk weiterbestehen – dann lag ein unendlich großer Markt offen vor ihm, auch wenn gegen alle Vermutung ewig Frieden herrschen sollte!
Doch