Название | Der Dynamitkönig Alfred Nobel |
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Автор произведения | Rune Pär Olofsson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711462898 |
Ach, wie man Vater doch das Fell gerbte! Um das Maß vollzumachen, fertigte die zuständige Instanz, das Technologische Institut, den ungehörigen Hobelmeister mit dem Hinweis ab, daß mehrere derartige Hobel selbstredend bereits erfunden wären. – Wie das Institut das wohl beurteilen wollte – wo Vater doch jede weitere Spezifikation für unnötig erachtet hatte. Während Vater den schwedischen Markt vergebens für seine Neuerungen zu begeistern suchte, verlangte es ihn, den bemerkenswerten Eigenschaften des Kautschuks nachzugehen. Mit gutem Grund sah er im Kautschuk ein Material, das die Zukunft revolutionieren würde. Die Methode Mackintoshs dürfte sich ja wohl verbessern lassen. Zugleich wollte er das Kriegsministerium mit einer generellen Lösung in Bezug auf die Mine versehen: So und so müßte deren Hülle beschaffen sein, dieser und jener Sprengsatz wäre am zweckmäßigsten und billigsten ...!
Diese Experimente führte er gelegentlich in Mutter Andriettes Küche durch – doch nur, wenn sie nicht im Hause war. Sie waren 1837, mit seiner überstürzten Abreise aus Stockholm, natürlich beendet.
Was von Vaters chemischen Experimenten übrigblieb, war jedenfalls eine Ansammlung von Retorten und Meßgläsern, Brennern und Reagenzgläsern und zudem eine Unzahl brauner Fläschchen mit phantasieanregendem Inhalt hinter so gut wie unergründlichen Etiketten. Dieser Krempel blieb auf einer Ecke des Abwaschtischs in der Norrlandsgatan stehen. Und obwohl Mutter früher über Vaters Eindringen und sein stinkendes Gebrodel geklagt hatte, räumte sie nichts davon weg – vielleicht waren es Reliquien, an die sie die Hoffnung auf seine baldige Rückkehr knüpfte. Vielleicht waren die Reliquien auch für uns Kinder gedacht: Vater war nicht verschwunden – er war nur auf Reisen.
Wie auch immer: Das Sammelsurium ließ mir keine Ruhe. Meine älteren Brüder machten wohl auch ihre Experimente mit Vaters ›Werkzeugen‹, doch ging ich systematischer vor. Schon im Alter von fünf Jahren führte ich eine Versuchsreihe durch, um herauszufinden, wie Vaters verschiedene Pulver und Stoffe auf den Kontakt mit a) Wasser; b) Feuer und c) bis z) miteinander bzw. zusammen im Verhältnis zu a) bzw. b) reagierten. Ich notierte sorgfältig die dabei gemachten Beobachtungen und erhielt eine ansehnliche Sammlung von Fakten mit einer Unmenge Bezeichnungen, die nur ich selbst verstand. Was ›f + lxb‹ hieß, war auch Mutter verborgen. Sie lächelte über Alfreds kleine Versuche und freute sich, daß ihr Junge mit seinen einsamen Tagen so gut zurechtkam – obwohl sie natürlich meinte, er sitze allzu viel im Hause herum. Sie freute sich bis zu dem Nachmittag, da eines meiner Experimente das Fenster nebst Rahmen auf den Hof hinausstieß und meinen Schopf bis auf das Nackenhaar versengte.
Nach diesem Knall verschwanden all die von Immanuel zurückgelassenen Dinge spurlos. Ich mußte Robert helfen, Schwefelhölzer zu verkaufen, bis ich das zertrümmerte Fensterglas ersetzt hatte. Wie ich Vater den ›Schwund‹ erklären sollte, war eine spätere Frage.
Das von allen als entsetzlich geschilderte Unglück hatte auf mich jedoch nicht die vermutete Wirkung. Insgeheim rekonstruierte ich das beschlagnahmte Laboratorium, wenn auch in noch bescheidenerem Umfang, doch hielt ich mich von da an außer Haus auf zwischen einem Felsblock und dem halb zerfallenen Bretterzaun zum Nachbargrundstück. Die einzige wesentliche Einschränkung war, daß ich kein Feuer anzünden konnte – der Rauch hätte mein Versteck verraten ...
Vaters unerwarteter Wechsel zur Chemie hatte also – im guten wie im schlechten – ein Interesse geweckt, von dem auch ich nichts geahnt hatte.
Nun ja, Immanuels Bauimperium war buchstäblich zugrundegegangen. Und er selbst war über den Bottnischen Meerbusen geflohen. Doch entdeckte ich – als ich schließlich näher nach den Gründen zu forschen begann – daß Vaters ›Flucht‹ mehr zu einer Sache hin erfolgt war, als von einer Sache weg. Gewiß, er hatte das dringende Bedürfnis gehabt, Schweden hinter sich zu lassen. Nicht zuletzt nach den gescheiterten Gummi-Geschäften, die nichts weiter einbrachten als noch ein paar wütende Gläubiger. Doch die wichtigste Ursache hieß von Haartman, und er war russischer Gesandter in Stockholm.
Immanuel begegnete von Haartman auf einer Festlichkeit in Stockholm. Es erwies sich, daß der russische Gesandte auch Gouverneur in Åbo sowie Präsident der Kommission des Zaren für die Förderung von Handel und Industrie war. Von Haartman scheint bei Vater genau den richtigen Nerv getroffen zu haben – und in Bezug auf seine Erfindungen brauchte man da nicht besonders lange zu suchen, bis sich alle Sperren öffneten. Innerhalb kürzester Zeit erfuhr von Haartman alles Wissenswerte über Vaters Erfindungen und auch alles über die totale Verstocktheit der Schweden.
Von Hartman riet Vater sofort, nach Åbo zu fahren. Dort würde ihn der Russe mit einigen einflußreichen Herren bekannt machen. Rußland hatte großen Bedarf an Immanuel Nobels Ideen und Vorschlägen!
Ein paar Tage nach seiner Ankunft in Åbo traf Vater schon mit zwei der herausragendsten Minenexperten der russischen Kriegsmacht zusammen, einem General und einem Professor. Beide gehörten außerdem einer vom Zar einberufenen Kommission an, deren Aufgabe es war, Sprengminen vor allem für den Seekrieg zu entwickeln. Das paßte wie der Ring an den Finger! Der enthusiastische Immanuel hatte zwei ebenso enthusiastische Zuhörer, als er von seinen Experimenten berichtete.
Als Vater sich dann stehenden Fußes erbot, eine Demonstration vorzunehmen, stimmten die beiden russischen Herren sofort zu. Diese Demonstration fand einige Tage später auf der zugefrorenen Petrowka statt und wurde zu einem vollen Erfolg.
Vater wurde gebeten, seine Ergebnisse dem Zaren vorzulegen, doch sollte er es schriftlich tun. Etwas Besseres konnte er sich nicht wünschen! Sofort ging er ans Werk. Zeichnete, wie gewohnt, seine sorgfältigen, detaillierten Darstellungen als feine Aquarelle. Der Familiendünkel pflegt zu betonen, daß Vaters künstlerische Begabung von dem großen Olof Rudbecka herrührt, von dem wir mütterlicherseits abstammen. Wie dem auch sei: Zeichnen konnte er – und vielleicht verstand Zar Nikolai Vaters Gedanken ja auch besser, wenn er sie bildlich vor sich sah! Vater war imstande, all und jeden zu überreden – außer den schwedischen König, der nur französisch sprach. Und hätte Vater seine Ergebnisse dem Zaren mündlich vortragen müssen, weiß man nicht, wie es ausgegangen wäre. Denn russisch beherrschte er nicht – und lernte es auch niemals.
Kurz gesagt, neue Demonstrationen vor immer höheren Herren wurden erforderlich, ehe ein Geschäft zustandekommen konnte. Bis hinauf zum Zaren selbst. Jedenfalls hat Vater den feierlichen Augenblick gezeichnet, als er neben dem Väterchen aller Russen auf einem Hügel stand, während draußen auf dem Wasser ein Schiff durch seine Minen in die Luft flog. Dreitausend Silberrubel und die Gunst des Zaren! Das war mehr, als Vater in seinem ganzen Leben besessen hatte. Er konnte sich eine kleine Maschinenfabrik mit Gießerei in St. Petersburg einrichten. Er konnte sich ein Haus anschaffen. Er konnte Mutter und uns Jungen zu sich holen. Robert schloß sich uns später an.
Ungefähr von dem Zeitpunkt an kann ich unser russisches Abenteuer selbst beschreiben und brauche nicht länger dem Hörensagen oder Vaters sehr lebhaften Schilderungen vertrauen.
Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, von seinen Berichten zuerst gewissermaßen die Fabrikationskosten abzuziehen: Was danach übrigblieb, war vielleicht halb so viel, und schon das war beachtlich! Jetzt kann ich nur im Buch der Erinnerungen blättern und kalte Fakten herbeten – und dennoch kann ich nicht einmal die Hälfte hinüberretten.
Laßt mich zuerst ein Talent auf Vaters Habenseite verbuchen, das ich bei ihm nicht vermutet hatte: Geduld. Gerade um die positiven Seiten Immanuels richtig einschätzen zu können, zwinge ich mich ja zu dieser zuweilen quälenden Inventur! Kurzum, es dauerte noch ganze zwei Jahre vom Augenblick der ersten Minen – Demonstration an, ehe die Russen eine Bestellung aufgaben. Und obwohl der Zar mit so großem Eifer nach Seeminen trachtete, lautete die Bestellung dennoch auf Landminen. An der Wirkung der Nobelschen Seeminen war nichts auszusetzen – im Gegenteil: Der Zar fand