Название | DER MODDETEKTIV BESIEGT CORONA |
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Автор произведения | Christopher Just |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783903184718 |
Unter einem entsetzlichen Kreischen, das dem empfindlich gewordenen Alten wie eine Säge durch Mark und Bein sowie hinab bis ins letzte Glied schnitt, schob sich nun die massive Stahltür auf, und im unerträglich grellen Widerschein der Flurbeleuchtung manifestierten sich die Umrisse einer Gestalt.
»Nicht so laut, nicht so laut, ich kann diesen Lärm unmöglich ertragen!«, stöhnte Westminster derweil mit schmerzverzerrtem Gesicht und schlug die Hände vor die geblendeten Augen.
»Hab dich nicht so, alte Vogelscheuche!«, gurgelte es ihm fettig vom Eingang entgegen.
Nanu?! Das tranige Timbre im klebrigen Klang der verschlurten Stimme schien Westminster nicht ganz unbekannt, verband er doch augenblicklich ausgesprochen Abträgliches mit ihm. Er ließ irritiert die Hände sinken und kniff zur Ansichtnahme misstrauisch die mausgrauen Äuglein zusammen. Konnte es denn die Möglichkeit sein? War der feiste Kerl, dessen zwischen Bulligkeit und Korpulenz angesiedelte Silhouette den Eingang verfinsterte, tatsächlich der beschissen blöde, immens inkompetente, über alle Maßen verhasste und doch eigentlich mit ein paar ausgesprochen gut gebauten Herren in einer nicht einmal sechs Quadratmeter großen Wohngemeinschaft auf Staatskosten lebenslang sitzen sollende Lieutenant Lou …
»… Tenant-Tanner, erraten«, vollendete der Eindringling Westminsters Gedankengang und ließ damit die Vorahnung des Alten, es mit einem wahrhaften Schweinsohr zu tun zu haben, zur grausamen Gewissheit werden, während sich mit abermaligem Kreischen die Tür im Rücken des ehemaligen Oberbullen schloss und er mit einem selbstgefälligen Grinsen nähertrat. Wie vom Tabernakel gestochen, fuhr Westminster empört von seinem Stuhl hoch, sank jedoch, auf halbem Wege von seinen Kräften im Stich gelassen, wieder zurück.
»Es stört Sie doch nicht, wenn ich das Gefiedel ausmache?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte Tenant-Tanner zum Grammophon und zog in Begleitung eines schmerzhaft-scharfen Geräuschs die Nadel genüsslich quer über Platte, ehe er mit einem harten Pock! den Tonarm abhob, um mit unschuldiger Stimme zu säuseln: »Oooops, da muss ich wohl noch ein wenig üben, wenn ich auf DG umsatteln will.«
»DJ, Sie Trottel!«, fauchte der Alte gehässig und schüttelte entrüstet den Kopf.
»Kack drauf, ohnehin ein brotloser Job seit dem endgültigen Shutdown«, konterte der Lieutenant ungerührt und begab sich mit interessiertem Blick und hinter dem Rücken verschränkten Händen auf einen kleinen Rundgang durch Westminsters Bleibe. »Hübsch haben Sie es hier, sieht ganz so aus, als hätten Sie in der Direktion des Danube Island State Prison ein paar ziemlich wohlgesinnte Freunde.« Womit er, man konnte es drehen und wenden, nicht ganz unrecht hatte.
Durch ein mit barock anmutenden, von Könnerhand geschmiedeten Goldstäben vergittertes Fenster, dessen für einen Ort wie diesen unübliche Dimension schlechthin die gesamte Rückwand einzunehmen verstand, fiel in einem geradezu Vermeer’schen Winkel hell und warm reichlich Sonnenlicht auf eine reichhaltig gepolsterte Bettstatt in King-, wenn nicht gar Emperorsizeformat, und erstreckte sich über den mittels eines japanischen Paravents diskret im Verborgenen gehaltenen Lokus bis hin zu einer frei im Raum thronenden, auf possierlich geschwungenen Löwentatzen fußenden, gusseisernen Badewanne. Des Weiteren barg die mit üppigen orientalischen Teppichen wie auch französischen Tapisserien edelster Machart ausgelegte, in feinem Elfenbein getünchte Räumlichkeit, deren Ausmessung einer kleinen Turnhalle um nichts nachstand, von Grammo-, Tele-, Dikta- und Xylophon abgesehen (seit seinen Jugendtagen pflegte der Alte sich zur Entspannung gelegentlich der Improvisation von Jazz-Standards zu überlassen), einen mit blattgüldnen Intarsien versehenen, antiken Louis-Seize-Rokoko-Sekretär aus schwarz glänzendem Ebenholz, der mitsamt einem dahinter hervorprotzenden, ausladenden Ohrensessel zielgenau das Zentrum der Örtlichkeit markierte sowie eine aus einem Dutzend raumhohen Mid-Century-American-Bookshelfs bestehende, an den Seitenwänden entlangführende, sich aus unzähligen in hochwertiges Leder eingebundenen Büchern zusammensetzende Bibliothek. Dem nicht genug, beherbergte die (der bedrückende Terminus »Zelle« wurde der Unterkunft nicht im Ansatz gerecht, demzufolge wollen wir das zu Emerald Westminsters Unterbringung dienende Refugium zumindest mit »Eremitage« betiteln), hortete also diese Eremitage, deren vertikale Expansion der Annahme Zunder gab, dass die der nächsthöheren Etage bislang als Boden dienende Decke abgetragen worden war, um mit dem ehedem darübergelegenen Kabuff zu einem einzigen hohen Raum zu verschmelzen, neben einem in früheren Tagen so manch biederem Meier gedient haben mögenden Kredenzchens, auf dem in edlen Kristallkaraffen allerlei hochprozentige Destillate in den unterschiedlichsten Bernsteintönen funkelten, eine mit virtuos gedrechselten Schnecken verzierte Staffelei samt aufgespannter Leinwand, welche eine in der Fertigstellung begriffene, dem Original da Vincis getrost das Wasser reichen könnende, noch feucht glänzende Reproduktion der Mona Lisa, deren in eine angrenzende Hobelbank eingespannter Rahmen gelassen seiner baldigen Fertigstellung entgegensah, offerierte. Weitere, augenscheinlich von der zittrigen Hand des Alten meisterhaft zu Papier gebrachte Aquarelle der Rialtobrücke von Venedig, des Campagnile Penissi di Marchesa di Parma Luisa Rocco Matilda di Alfredo und des Weißen Hauses von New York (um nur einige der Artefakte anzuführen) sowie zahlreiche mit Bleistift oder Rötelkohle brillant ausgeführte Zeichnungen, die naturalistische Studien von Schmetterlingsflügeln und Vogelschwingen der weiter oben bereits erwähnten funkelnden Kristallkaraffen, aber auch das Licht und Schattenspiel zarter Gräser wie komplex verschlungenen Blattwerks täuschend echt wiederzugeben verstanden, waren mit bescheidenen Reißzwecken ans Gemäuer affichiert.
Der Lieutenant zeigte sich von alldem jedoch reichlich unbeeindruckt und zuzelte stattdessen wie zum Trotz unter ausgesprochen ungustiösen Ziepgeräuschen eine Fleischfaser aus seinen Zähnen. Nachdem er sie mit seiner zerklüfteten Zunge auf seinen Finger befördert und einer beiläufigen Betrachtung folgend zu einer Kugel gewuzelt und hernach irgendwohin in den Raum geschnippt hatte, gurgelte er grantig: »Hätt ich mir ja denken können, dass Sie es sich in den noch verbleibenden zweihundertsechsundneunzig Jährchen Ihrer dreimal lebenslangen Haftstrafe gemütlich einrichten. Wenn ich das mit meiner Sechsmannzelle vergleiche …« Er schürzte die fleischigen Lippen und stieß einen Pfiff aus.
»Wenn ich mich richtig entsinne, entspricht die Zeitdauer des von Ihnen ausgefassten Arrests exakt der meinen – warum zum Teufel also sitzen Sie nicht mit Ihren Zellenkumpanen beim trauten Schutzmaskenkleben?«, geiferte Westminster nach wie vor fassungslos.
»Tja, Alterchen, schon mal was von gelockertem Vollzug wegen der beschissenen Seuche gehört?« Tenant-Tanner schob das rechte Bein neckisch nach vor, lüpfte die Hose seines kanariengelben Anzugs und präsentierte stolz seine Fußfessel.
»Und da kommt Ihnen nichts Besseres in den Sinn, als gegen die Auflagen zu verstoßen, hierherzuspazieren und mir die Atemluft streitig zu machen«, sagte Westminster und zog verächtlich die Mundwinkel herab.
»Papperlapapp«, wischte der Lieutenant die Beschwerde grob beiseite. »Ob Sie’s glauben oder nicht, auch ich verfüge über gute Kontakte, speziell zur Überwachungsabteilung.« Er trat einige Schritte näher, baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen und einem selbstsicheren Grinsen vor dem Stuhl des Alten auf und sagte: »Da ist Ihnen ja ganz schön einer ausgekommen.«
Von der unerwarteten Aussage Tenant-Tanners irritiert, nahm Westminster, ohne den Blick von seinem Gegenüber zu lösen, eine leicht zur Seite geneigte Position ein, legte die Hand auf den Oberschenkel und ließ sie so unauffällig wie nur möglich nach hinten an den betagten Achtersteven gleiten. Sein Gehör war nicht mehr das Beste, und ab und an von argen Winden geplagt, bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihm gelegentlich das eine oder andere kleine, bedauerlicherweise auch größere Malheur widerfuhr, von dem er erst Kenntnis nahm, wenn er des Abends die Tagesbekleidung gegen Nachthemd, Meerschaumpfeife und Schlafmütze tauschend, einer degoutanten Spur in seiner Unterhose ansichtig wurde. Altern war bei Gott kein Segen. Doch zu seiner Erleichterung schien die entsprechende Stelle seines Beinkleides unbenetzt, weshalb er leise aufatmend sagte: »Auch wenn meine Zeit in diesen, mir per Gesetz zugewiesenen vier Wänden nahezu unbeschränkt ist, liegt es dennoch,