Название | DER MODDETEKTIV BESIEGT CORONA |
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Автор произведения | Christopher Just |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783903184718 |
Der Moddetektiv wurde nachdenklich.
Wie hatte es bloß geschehen können, dass es so weit, dass es bis zum Äußersten und darüber hinaus gekommen war? Zum zweiten Mal an diesem Tag musste er mit einem von Bitterkeit zur tragischen Fratze verzerrten Gesicht desillusioniert den unfrisierten Kopf schütteln, darüber, was denn diese an ihn selbst gestellte Frage solle – auch in diesem Fall wusste er die Antwort natürlich nur zu genau. Was hatte er denn erwartet? Dass Birgit, während er in New Orleans einem Phantom namens Jerry hinterherjagte, daheim im sexy Negligé mit einem achtgängigen Menü auf den Knien seiner Wiederkehr entgegenfieberte? Und das ganze vier Jahre lang?? Denn so lange hatte seine anfänglich für ein paar Tage geplante Abwesenheit letztendlich gedauert. Er hatte sich zunehmend in etwas verrannt, war vom Hundertsten ins Tausendste gekommen, den unsinnigsten Hinweisen gefolgt, hatte irrwitzige Zufälle als Zeichen gedeutet, die ihn auf kurz oder lang auf eine tedsichere Fährte führen würden.
Gut, da waren auch die verdammten Opiumhöhlen gewesen, in die er sich, von der trügerischen Hoffnung geleitet, im Rausch des Rauchs transzendente Erkenntnisse über den Verbleib des verschollenen Freundes zu erlangen, zu Beginn der NOLA-Years* gelegentlich, mit fortschreitender Zeitdauer regelmäßig und zuletzt ganztäglich geflüchtet hatte, um The Big Easy in der Horizontalen an sich vorüberziehen zu lassen. Und kein Ort der Welt war besser dafür geeignet gewesen als New Orleans, eine Stadt, in der die Zeit nahezu stillstand, und so gut wie nichts geschah, während in der restlichen Welt vier Jahre vergingen, in Tokio sogar acht.
Und wenn er sich selbst gegenüber schon mal so ehrlich war, und das war er: Er war nicht bloß wegen Jerry völlig überstürzt nach New Orleans aufgebrochen, auch wenn es ihm vorerst nicht bewusst gewesen war, und er es lange Zeit nicht wahrhaben hatte wollen: In echt hatte er es mit der Angst zu tun bekommen. Mit der Angst vor Zugeständnissen, mit der Angst vor einer Veränderung in seinem Leben, mit der Angst vor einer gemeinsamen Zukunft mit Birgit. Mit der Angst vor der Liebe seines Lebens. Angst, sich aufzugeben, sich zu verlieren und fortan nicht mehr der sein zu können, der er bisher gewesen war: ein einsamer Desperado, ein Outcast, ein Cowboy, der tut, was er tun muss, und es nur tun kann, wenn er lonesome bleibt.
Und so kam es, wie es kommen musste: Als er eines diesig über dem French Quarter dräuenden Morgens, nachdem er bei dem Versuch sich aus dem Bett zu hieven auf einem bananenschalengemusterten Teppich ausgerutscht war (wie tief war er eigentlich gesunken, wie ein billiger Clown auf einer Bananenschale auszurutschen, noch dazu einer unrutschigen, die bloß aus in einen hässlichen Teppich eingewebtem, gelbem Zwirn bestand???), um sich der Länge nach aufgeschlagen auf den staubigen Dielen des Schlafzimmers wiederzufinden, wo ihm ein durch die leise vor dem Fenster mit den Blättern flimmernden Kronen jahrhundertealter Platanen stiebender Windstoß gemeinsam mit dem schweren, öligen Duft des Mississippi die süßlichen, sämtlicher seiner Poren entsteigenden Opiatausdünstungen in die blutende Nase fächerte, und er sich wütend übers Gesicht fahrend, hart zwischen den geschlossen Backenzähnen »Es reicht … vier Jahre sind genug« hervorgestoßen hatte, New Orleans von einem Tag auf den anderen, Hals über Kopf verließ, war es alles andere als unverständlich, dass Birgit ihn bei seiner Rückkehr vor vollendete Tatsachen stellte.
Von den Jahren der ungewissen Warterei und den fortwährenden Enttäuschungen zusehends zermürbt, hatte sie schließlich ihr einst abgebrochenes Schauspielstudium zur Zerstreuung wiederaufgenommen und sich dort – sie hatte sich lange dagegen gewehrt, und es war erst im vierten Jahr der Abwesenheit des Moddetektivs dazu gekommen – in einen aufstrebenden Jungschauspieler verliebt. Aufstrebender Jungschauspieler … des Moddetektivs Zunge rollte sich noch jetzt zur Wutwurst, wenn er an das Kerlchen dachte.
Ob es etwas Ernstes sei, hatte er wissen wollen. Ja, sei es, denn habe sich eine Frau erst einmal entliebt, so sagte sie, sei dies unumstößlich und endgültig. Und zurück bleibe nichts als melancholische Erinnerungen und verbrannte Erde, da sei nichts mehr zu machen.
Wie auch immer, jedenfalls ging Birgits Plan, Christian bei ihrem Auszug mit zu sich zu nehmen, nicht auf, denn: Sie hatte nicht mit dem Eigenwillen des Tiers gerechnet. Der Kater verweigerte aus Protest hinsichtlich seiner Rückführung nach Westminster Mansion jegliche Art von Nahrung, schiss Birgit paradoxerweise jedoch zugleich das Turmzimmer bis an die Kuppel voll, so lange, bis sie klein beigeben musste, ihn in seinen Transportbehälter verfrachtete und zurück zum Moddetektiv brachte, ehe sie sich für immer aus dem Staub machte.
Und so war der Vierbeiner dem Moddetektiv, der sich – er musste leise lächeln – niemals nie als Katzenfreund gesehen hatte, mit der Zeit zum einzigen wahren Freund und treuen Begleiter avanciert. Inzwischen hatte er es sich sogar zur Gepflogenheit gemacht, gelegentlich mit Christian zu sprechen. Er resümierte: Menschen kamen und gingen, doch stets geblieben waren ihm die GS, der Parka, die Pillen, und nun auch der Kater.
In einem Anfall von ungestümer Liebe und Verbundenheit hob er Christian zu sich empor und presste ihn innig an seine Brust. Doch dem Tier stand der Sinn nach anderem, und es entwand sich mithilfe geschickt angestellter Verrenkungen der Umklammerung. Es wollte wohl gefüttert werden.
Der Moddetektiv hievte sich vom Bett hoch und trottete Christian lahm hinterher, der, indes von gewaltiger Gier gepackt, schrille Schreie schrecklicher Schmacht ausstoßend, mit steil aufgerichtetem Schweif eilig vorauslief, um hin und wieder stehen zu bleiben und hinter sich zu blicken, ganz so, als müsse er sich der nachwievorenen Verfolgung seines Futtergebers versichern, in dessen Schädel – die Wirkung des Purple Heart schien bereits nachzulassen – derweil jeder einzelne, noch so vorsichtig gesetzte Schritt auf dem langen Weg in die Küche in Form einer dumpf-stechenden Detonation seinen schmerzhaften Widerhall fand. Nachdem die Kochstube durchquert war, öffnete der Moddetektiv die Tür zur Speisekammer. Doch als er nach dem Sack Royal Canin Fibre Response griff, prallte er entsetzt zurück.
Oh Mod, der Beutel war leerer als die Nudelregale, nachdem die ersten Gerüchte über eine mögliche Ausgangsbeschränkung laut geworden waren. Mist, schon gestern war kaum noch Futter da gewesen, weshalb er in der Praxis der Tierärztin Frau Doktor Pearl Millonig angerufen und einen Termin vereinbart hatte. Denn Royal Canin Fibre Response war kein gewöhnliches Allerweltsfutter, wie man es in den schäbigen Super- und Drogeriemärkten bekam, Royal Canin Fibre Response war ein speziell für gelegentlich unter Verstopfung leidende, schneeweiße, azurblauäugig schielende Siamkatzen in jahrelanger Forschung kreiertes High-End-Produkt, das keinesfalls in die falschen Schlünde, zum Beispiel in jene von an Haarwuchs erkrankten Nacktkatzen, gelangen durfte, weshalb diese Spezialnahrung nicht einmal in den besseren Tierboutiquen, sondern einzig und allein und nur auf telefonische Vorbestellung bei der Tierärztin Frau Doktor Pearl Millonig erhältlich war.
Er konnte es drehen und wenden, so wie den leeren Futtersack, den er dem unverständig zu ihm hochblickenden Kater zur Verdeutlichung der aussichtslosen Situation in Begleitung eines bedauernden Achselzuckens vor die azurblauen Augen hielt: Ihm blieb nichts anderes, als sich außer Haus, hin zur Praxis der Tierärztin Frau Doktor Pearl Millonig zu begeben. Und wenn er schon einmal dabei war, konnte er auch gleich